Ihr droht der Verlust des Richteramtes und eine Freiheitsstrafe
Vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade muss sich seit vergangenen Montag eine 54 jährige Richterin wegen des Vorwurfes der Rechtsbeugung verantworten. Die Angeklagte soll sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als Betreuungsrichterin in der Zeit zwischen Mai 2016 und Dezember 2017 in 15 Fällen vorübergehende und dauerhafte geschlossene Unterbringungen angeordnet haben, ohne die Betroffenen zuvor wie erforderlich, persönlich anzuhören bzw. diese Anhörung nicht, oder nicht unverzüglich nach der jeweiligen Anordnung, nachgeholt zu haben. Zur Hauptverhandlung hat die Kammer sieben Verhandlungstage anberaumt. Das Verfahren hat am 09. Januar begonnen.
Bei der Unterbringung in geschlossene Einrichtungen handelte es sich häufig um Personen, die unter einer psychischen Erkrankung leiden und bereits unter Betreuung stehen. Häufig wird die Zwangseinweisung von den jeweiligen Betreuern beantragt – teilweise wegen einer Fremdgefährdung, größtenteils aber um selbstschädigendes Verhalten zu verhindern. Die rechtlichen Hürden für einen derart massiven Eingriff in die Freiheitsrechte sind allerdings hoch. Neben einem ärztlichen Gutachten ist ein persönliches Gespräch zwischen Richterin und Betroffenen zwingend vorgeschrieben. Bei Gefahr in Verzug kann die richterliche Anordnung auch ohne Gespräch erfolgen, jedoch muss dieses dann unverzüglich nachgeholt werden.
Mehreren Medienberichten zufolge wurde dies laut Anklage der Staatsanwaltschaft Verden von der Richterin in 15 Fällen versäumt. Nach NDR-Bericht vom 09.01.2023 habe die Richterin keinen dieser Fälle bestritten. Sie habe allerdings nicht vorsätzlich gehandelt. Lediglich in der Hektik des Alltages seien ihr Fehler unterlaufen. Zur weiteren Begründung habe sie geäußert, dass sie privat und dienstlich überlastet gewesen sei.
Die Ermittlungen gegen die Richterin laufen seit 2018. Dennoch war sie beim Amtsgericht Rotenburg weiterhin als Betreuungsrichterin beschäftigt. Das Landgericht Stade hat zunächst sieben Verhandlungstage angesetzt. Wenn die Richterin zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden würde, wäre sie nicht nur ihren Job los, sondern auch sämtliche Pensionsansprüche.
Die nächsten Verhandlungstermine finden am 18.01., 24.01., 02.02., 14.02. und 22.02.2023, jeweils um 9.15 Uhr statt.