Regionalhistoriker Ludwig Zimmermann plaudert aus dem „Nähkästchen“
„Die Gedenkstättenarbeit und das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit muss künftig in den Mittelpunkt der Geschichtsarbeit gestellt werden“, fordert der Regionalhistoriker und Heimatforscher Ludwig Zimmermann, dem unsere Redakteurin vor ein paar Tagen einen Besuch in seinem Heimatort Mochenwangen, Kreis Ravensburg, abgestattet hatte. Der Autor seines Buches „Das katholische Oberschwaben im Nationalsozialismus – Zwischen Begeisterung, Anpassung und Widerstand“, hatte Vieles zu erzählen. In seinem Band ist er Themen angegangen, die in den bisherigen Veröffentlichungen nur eine untergeordnete Rolle spielten. So auch die Zwangssterilisation als Vorstufe zur „Euthansie“, was für Betroffene der Weg ins KZ und in die Gaskammer bedeuten konnte.
Zimmermann veranschaulichte in einer besonderen Weise, warum er diesen Band veröffentlicht hat. Anstoß habe ihm der damalige Bundespräsident Roman Herzog gegeben, der ihn durch seine „Erinnerungskultur gegen das Vergessen“ motiviert habe, dieses Buch zu schreiben. Herzogs Maxime „die Verbrechen und die Verbrecher müssen endlich genannt werden“, habe er daher zum Anlass genommen, um den zahllosen Opfern durch die Nennung ihres Namens ihre Würde zurückzugeben. Durch seine Recherchen hatte der Regionalhistoriker schnell die Erkenntnis gewonnen, dass mindestens ein Dutzend Verbrecher auch aus Oberschwaben kamen, die an den furchtbaren Verbrechen in der NS-Zeit beteiligt waren. Eine Aufarbeitung der völlig missratenen politischen Säuberung sei lange verschwiegen worden, erzählt Zimmermann weiter. Die Vorgänge aus den Dörfern und Kleinstädten seien lange verborgen geblieben, so der Autor. Nur wenig habe man auch über Bespitzelungen und das Denunziantentum, die Morde durch die Lynch-Justiz und die öffentlichen Hinrichtungen von Ostarbeitern erfahren, wenn sich diese in deutsche Mädchen verliebten.
Ludwig Zimmermann, der auch Lehrer an einer Realschule war, vertritt auch heute noch die Meinung, dass bei der Aufarbeitung der Geschichte noch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden muss, wer die Täter, Mittäter und Profiteure damals waren. Er sagt: „Leider wurden seit der Ausrufung der „Erinnerungskultur gegen das Vergessen“ durch Bundespräsident Roman Herzog 1996, der dies als „Weckruf gegen rechts“ verstanden haben wollte, dessen Vorgaben nur selten befolgt. Die Wissenschaft glaubt angesichts der Tatsache, dass die AfD einen Wahlerfolg nach dem anderen einfährt, weil sich gewisse „Entlastungsrituale“ eingeschlichen hätten, die aus dem gut gemeinten Vorhaben über die Jahre eine Art „Wohlfühl-Erinnerungskultur“ werden ließ, die zwischenzeitlich als „Entlastungskultur“ wahrgenommen wird und so zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden ist und das eigentliche Ziel verfehlt hat“.
Es lohnt sich, sich nicht nur über die Geschichten des Regionalhistorikers Ludwig Zimmermann zu informieren, sondern sich auch sein gesamtes Nachschlagewerk anzuschaffen. Das Buch wurde vom Verlag Eppe GmbH aufgelegt und ist in allen Buchhandlungen unter der ISBN 978-3-89089-157-G für 30 Euro erhältlich.