Chef der Anti-Geldwäscheeinheit Christof Schulte erhält neue Abteilung beim Bundesbeauftragten für Datenschutz
Der Chef der Anti-Geldwäscheeinheit Financial Intelligence Unit, Christof Schulte, wird nach NDR Informationen offenbar seinen Posten räumen. Der Behörde, die dem Bundesfinanzministerium zugeordnet ist, droht derweil neuer Ärger mit den Landeskriminalämtern. Mittlerweile hat sich auch das Bundesjustizministerium in den Streit eingeschaltet. Schulte soll entsprechend der NDR Informationen künftig eine neue Abteilung beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz leiten. Die Financial Intelligence Unit (FIU) ist Deutschlands wichtigste Behörde im Kampf gegen Geldwäsche und dem Zoll unterstellt. Ein Sprecher der Generalzolldirektion sagte dem NDR, man äußere sich zu Einzelpersonalien grundsätzlich nicht. Schulte war vor knapp zwei Jahren zu Deutschlands Zentralstelle im Kampf gegen Geldwäsche gewechselt. Sein Abgang ist bereits der zweite Wechsel an der Spitze der erst im Jahr 2017 von Grund auf neu organisierten Behörde. Die Einheit war damals vom Bundeskriminalamt zum Zoll gewechselt – und damit von der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums in die des Bundesfinanzministeriums. Die FIU nimmt Geldwäsche-Verdachtsmeldungen von Banken, Händlern und anderen Verpflichteten entgegen, bewertet und filtert diese Meldungen und leitet sie dann an die zuständigen Staatsanwaltschaften oder Landeskriminalämter weiter. Dabei kam es immer wieder zu Problemen: Zunächst hakte die Software und Banken konnten Verdachtsmeldungen monatelang nur per Fax schicken. Zudem kämpfte die FIU um qualifiziertes Personal, konnte jahrelang seine Planstellen nicht besetzen. Und es stauten sich die nicht abschließend bearbeiteten Verdachtsmeldungen – ohne Weitergabe an Staatsanwaltschaften oder Landeskriminalämter startet keine Ermittlung. Die Ermittler kritisierten die Behörde dafür regelmäßig. Schulte konnte einige dieser Probleme angehen: Er installierte Verbindungsbeamte bei den Landeskriminalämtern, um die Zusammenarbeit mit den Ermittlern zu verbessern. Außerdem sorgte er dafür, dass der FIU wichtige Polizei-Datenbanken zugänglich gemacht wurden, mit denen die Meldungen besser bewertet werden sollen. Auch was den Stau an unbearbeiteten Meldungen angeht, schien die FIU auf einem besseren Weg. Den Durchbruch sollte ein neuer sogenannter „risikobasierter Ansatz“ bringen: Der sieht vor, eingehende Verdachtsmeldungen nach verschiedenen Kriterien zu prüfen und dann priorisiert nach dem für die einzelne Meldung vermuteten Risiko weiterzuleiten. Die FIU erklärte dazu, dieser Ansatz und „die Konzentration auf Kernrisiken” mache die Behörde deutlich effektiver. Außerdem entspräche es „der internationalen Praxis der FIUs und wird von den einschlägigen europäischen Regelungen gedeckt”. In der Praxis, so heißt es aus Ermittlerkreisen, habe das aber dazu geführt, dass die Zahl der überhaupt weitergeleiteten Meldungen regelrecht eingebrochen sei. Ermittler sagten dem NDR, sie gingen davon aus, dass weniger als zehn Prozent aller Meldungen weitergeleitet werden. Vor einigen Jahren habe diese Quote noch bei mehr als 50 Prozent gelegen. Bei der FIU hieß es dazu, man könne „über die im FIU-Jahresbericht hinausgehenden statistischen Auswertungen” keine Zahlen zur Verfügung stellen. Über die Quote der weitergeleiteten Meldung ist offenbar vor wenigen Wochen ein Streit ausgebrochen. Mehrere Landeskriminalämter kritisierten nach NDR Informationen die FIU demnach unlängst in einer Schaltkonferenz dafür, dass seit Monaten kaum noch Meldungen bei ihnen ankämen. In der Konferenz sollen einzelne Ermittler die FIU vor rechtlichen Konsequenzen gewarnt haben. Durch liegen gebliebene Meldungen könnten Straftaten gegebenenfalls nicht erkannt werden. Die FIU liefe Gefahr, Strafvereitelung im Amt zu betreiben, sagten Ermittler dem NDR. Ein Sprecher der FIU sagte, den Inhalt von „internen, vertraulichen Besprechungen“ kommentiere man nicht. Auch zwei Landesjustizministerien haben sich inzwischen in den Streit eingeschaltet. Die beiden Behörden haben sich schriftlich an das Bundesjustizministerium gewandt, um darauf hinzuweisen, dass die FIU offenbar gegen bestehende Regularien verstoße. Das Bundesjustizministerium bestätigte auf Anfrage, dass die Schreiben dort bekannt seien, wollte sich aber inhaltlich nicht dazu äußern. Ein Sprecher erklärte lediglich, dass man dazu im Austausch mit dem Bundesfinanzministerium (BMF) stehe. Eine Abfrage des NDR unter den Landeskriminalämtern bestätigt, dass die FIU seit Jahresbeginn immer weniger Geldwäscheverdachtsfälle an die Strafermittler weiterleitet. Zahlreiche Landeskriminalämter kritisierten zudem, dass die Berichte der FIU Mängel aufwiesen. So hieß es etwa vom LKA Hamburg, die „von der FIU angefertigten Analyseberichte genügen zumeist nicht den (…) Mindeststandards“. Für die FIU kommt der Wechsel an der Spitze zu einem ungünstigen Zeitpunkt. In der Behörde laufen die Vorbereitungen auf die sogenannte FATF-Prüfung: Die sogenannte Financial Action Task Force (FATF) ist das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, angesiedelt bei der OECD. In diesem Gremium versichern sich die Länder gegenseitig, bestimmte Standards einzuhalten. Regelmäßig überprüft die FATF die Umsetzung der Standards und die Effektivität der Geldwäsche-Bekämpfung der Mitgliedsstaaten. In diesem Jahr ist Deutschland an der Reihe. „Diese Prüfung ist von enormer Relevanz, da die Ergebnisse der Prüfung das wirtschaftliche und politische Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beeinflussen werden“, schrieb das Bundesjustizministerium in einer Mitteilung zur FATF-Prüfung. Wer Schulte nachfolgt, ist bislang unklar. (red.)