Sind Staatsanwälte Schleusenwärter der Politik?
Wie Politiker Staatsanwälte unter Druck setzen. Darüber berichtete die Wirtschafts Woche am 5. Juli 2011, doch das Thema ist auch heute noch aktuell. Staatsanwälte seien die Schleusenwärter der Justiz. Sie würden ermitteln und Anklage erheben, oder sie würden es bleiben lassen. Denn politischer Druck würde Staatsanwälte immer wieder ausbremsen. Dies sei besonders in dem Bankenskandal heikel gewesen, wo staatsnahe Banken in der Finanzkrise einen neuen Bankentypus erschaffen hätten, nämlich die Skandalbank. Ob IKB, WestLB, BayernLB, HSH Nordbank oder LBBW – alle hätten in den vergangenen Jahren mit Skandalen und hohen Verlusten Schlagzeilen gemacht – und riefen damit Staatsanwälte auf den Plan. Vor allem die WestLB, die zerschlagen werden sollte, war immer zur Stelle, wenn es Millionen zu verlieren galt. Den Schaden habe der Staat – und damit die Steuerzahler getragen. Ermittlungen, etwa wegen Untreue, gegen Politiker in Aufsichts- und Verwaltungsräten, aber auch gegen die Manager staatsnaher Banken seien daher für Staatsanwälte besonders heikel. Doch Staatsanwälte sind an politische Weisungen gebunden, öffentlich wird dies hingegen nie. „Denn Staatsanwälte dürfen darüber keine Auskunft geben“, schreibt die Wirtschafts Woche weiter. Am häufigsten und am gefährlichsten seien verdeckte interne Weisungen, äußerte sich der ehemalige Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier gegenüber der Wirtschafts Woche. Das könne zum Beispiel eine telefonische Bitte des Vorgesetzten sein, etwa die Anregung, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wird weiter berichtet.
Maier habe von 1997 bis 2000 maßgeblich die Ermittlungen in der CDU-Spendenaffäre rund um den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber vorangetrieben und sei dabei immer wieder von Politikern und Vorgesetzten ausgebremst worden, schreibt das Blatt. Die Staatsanwaltschaft müsse bei ihren Ermittlungen „auch das Kräftefeld der politischen Bestrebungen mit in ihre Erwägungen aufnehmen“, habe der vorgesetzte Generalstaatsanwalt Maier später in aller Offenheit gestanden. Maier habe daraus seine Konsequenzen gezogen und sei im April 2000 als Richter für Familienrecht ans Oberlandesgericht München gewechselt. Mit Staatsanwälten habe er dort eher selten zu tun. Ihm sei aber nicht bekannt, dass eine Änderung eingetreten sei, schreibt die Wirtschafts Woche weiter.
Mit seinem Wechsel ins Richteramt sei Maier weiterer Einflussnahme ausgewischen. Die könne massiv sein, denn wenn dem jeweiligen Justizminister etwas nicht passe, könne er einzelne Staatsanwälte jederzeit von einem Verfahren abziehen und es einem anderen Staatsanwalt übertragen und dies ohne Begründung, so die Wirtschafts Woche weiter. Da Staatsanwälte bei politisch brisanten Ermittlungen oder Verfahren von öffentlichem Interesse ihre Vorgesetzten, bis hinauf zum Landesjustizminister, oft vorab über geplante Ermittlungsschritte informieren müssen, können diese sich mit ihren Ministerkollegen und Parteifreunden austauschen und jederzeit einschreiten.
Die Justizminister ernennen, befördern und versetzen die Staatsanwälte, so dass bei diesem Beförderungssystem manchem Kollegen das Rückgrat verbogen wird, äußerte Klaus Pförtner, bis 2009 Oberstaatsanwalt in Frankfurt gegeüber der Wirtschafts Woche. Die Staatsanwälte wüssten, dass in diesem System nicht unbedingt die Guten aufsteigen, sondern die politisch Erwünschten. Dadurch werde die Staatsanwaltschaft deutlich geschwächt. In solchen Fällen sei öffentliche Aufmerksamkeit wichtig, habe der auf Anlagefälle spezialisierte Münchner Anwalt Peter Mattil gesagt. So glaubt er, dass die Münchner Staatsanwaltschaft sich nur dank der umfangreichen Berichterstattung in den Medien konsequent um die Aufarbeitung des Hypo-Alpe-Adria-Skandals gekümmert habe.