Ansprechpartner in Deutschland eng mit Kommunistischer Partei verbunden
Laut SWR Recherche Unit vom 30.11.2022 sind offenbar in Deutschland mehrere Personen im Auftrag einer chinesischen Polizeibehörde aktiv. Nach weiteren SWR-Recherchen sind sie über Netzwerke eng mit der Kommunistischen Partei Chinas verbunden. Eine der Personen erhielt 2021 von den chinesischen Auftraggebern sogar eine Auszeichnung. In Deutschland sollen mehrere Personen im Auftrag einer chinesischen Polizeibehörde aktiv sein. Das geht aus chinesischen Artikeln hervor, in denen sechs in Deutschland lebende Ansprechpartner genannt werden und eine Person für ihre Arbeit demnach sogar ausgezeichnet wurde. Nach SWR-Recherchen stehen alle genannten Personen in enger Verbindung zu einer Vereinigung, die China-Experten zufolge in unmittelbarem Auftrag der Kommunistischen Partei Chinas handelt. Alle fünf Personen, die in einem 2021 veröffentlichten Artikel der Chinesischen Handelszeitung als Ansprechpartner der „Lishui Police Overseas Chinese Station“ mit Namen, Handynummer und WeChat-Kontakt genannt würden, würden auf einer 2012 veröffentlichen Mitgliederliste des „Deutschen Fördervereins zur friedlichen Wiedervereinigung Chinas“ auftauchen. Der Verein ist ein nationaler Ableger des „China Council for the Promotion of the Peaceful National Reunification” (CCPPNR), der in China zur Einheitsfront, einer direkten Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, gehört.
Experte: „Nebst Dienstleistung immer auch Kontrolle“
Politikwissenschaftler Dirk Schmidt, der an der Universität Trier zu chinesischer Außenpolitik forscht, sagt: „Der CCPPNR gibt sich vordergründig als NGO, der es um eine friedliche Einigung des Landes und der im Ausland lebenden Chinesen insbesondere in der Taiwan-Frage geht“. Tatsächlich handle es sich dabei aber um eine Organisation, die „eingebettet ist in die sogenannte ‚Einheitsfrontabteilung‘ der Parteispitze“. Ihre Vorsitzenden seien „stets die Top-Kader der Partei, die Mitglieder pflegen Beziehungen bis in die höchsten Ränge der Regierung.“
Nach Einschätzung von Ralph Weber, Professor für European Global Studies an der Universität Basel, handle es sich bei den Ablegern des CCPPNR um ein „zentrales Werkzeug der Einheitsfrontarbeit“, etwa wenn es darum gehe, „die ‚Überseechinesen‘ auf Parteilinie zu halten.“ Dem Experten zufolge, der 2020 eine Studie zur Einflussnahme des chinesischen Parteistaats in der Schweiz veröffentlichte, würden die Polizeistationen in chinesischen Lokalmedien eher als Dienstleistungszentren bezeichnet, die den Kontakt zur Polizei in der Heimat erleichtern sollen. „Solche Tätigkeiten sind auch gut bezeugt. Es ist meines Erachtens derzeit noch nicht abschließend erwiesen, dass mit den ‚Polizeistationen‘ eine besondere Problematik vorliegt. Sie fügen sich aber sicherlich in das allgemeine System des chinesischen Parteistaats ein, die chinesische Diaspora zu managen, was nebst Dienstleistung immer auch Kontrolle und, falls nötig, Druckausübung bedeutet.“
In dem im Februar 2021 veröffentlichten Artikel der Chinesischen Handelszeitung, die ihren Sitz in Frankfurt hat, werden die fünf Ansprechpartner der chinesischen „Lishui-Polizei“ verschiedenen Regionen in Deutschland zugeordnet. Genannt werden Berlin, Hamburg, München und neben Düsseldorf noch einmal separat Westdeutschland. Der Artikel zeigt ein Gruppenfoto, auf dem der Bildunterschrift zufolge die Verantwortlichen der deutschen Station der „Lishui-Polizei“ gezeigt werden. In der ersten Reihe: die fünf Ansprechpartner (Lianke S., Peihe X., Chuanhai Z., Xiao Z., Hanhao F.). Der Artikel ist heute nicht mehr auf der Seite zu finden.
Botschaft: „Engagierte Überseechinesen“
Im September veröffentlichte die spanische Nichtregierungsorganisation „Safeguard Defenders“ einen Bericht, in dem sie über chinesische Polizeistationen weltweit berichtete. Als zahlreiche Medien das Thema aufgriffen, teilte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums Ende Oktober mit, die Berichte seien „schlicht falsch“. Bei den Stationen handle es sich um Servicezentren, über die Chinesen vor allem während der Corona-Pandemie zum Beispiel ihren Führerschein hätten verlängern können.
Auch die chinesische Botschaft argumentiert auf SWR-Nachfrage mit der Pandemie: „Dies hat einige engagierte Gruppen von Auslandschinesen dazu veranlasst, vorübergehend gegenseitige Hilfsdienste auf freiwilliger Basis anzubieten. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen Freiwilligen einfach um engagierte Überseechinesen handelt, keineswegs aber um chinesische Polizeibeamte“. Mittlerweile seien die „freiwilligen Unterstützungsangebote“ jedoch eingestellt, da „besagte Dienste“ auch online zur Verfügung stünden.
Allerdings weisen chinesische Berichte darauf hin, dass solche Verbindungsstellen schon 2018, also vor der Pandemie, eingerichtet wurden. In einem der Artikel, in dem 2018 über den Start der Polizeiarbeit im Ausland berichtet wurde, wurden fünf Hauptfunktionen der Stationen genannt: die Nutzung als Servicezentren für Beratungen oder der Regelung von Angelegenheiten, das Lösen von Konflikten in Zusammenhang mit Auslandschinesen, Bekanntmachung relevanter politischer Informationen, aber auch um auslandsbezogene Polizeiarbeit zu erleichtern, zum Beispiel durch das Sammeln von Informationen. Eine weitere Funktion sei die Wahrnehmung der Stimmung der Chinesen im Ausland.
Auszeichnung für Frankfurter „Stationsleiter“
Immer wieder berichten chinesische Minderheiten oder Dissidenten in Deutschland, aufgrund ihrer Tätigkeiten hier würden Familienmitglieder oder Verwandte in China aufgesucht und als Druckmittel gegen sie eingesetzt.
Viele der im Februar in dem Artikel der Chinesischen Handelszeitung genannten Ansprechpartner sind offenbar auch über den deutschen CCPPNR-Ableger hinaus gut miteinander vernetzt, zum Beispiel über Mitgliedschaften in chinesischen Heimatvereinen wie dem „Bundesverband der Chinesen aus Zhejiang in Deutschland e.V.“ oder dem „Verein der Qingtian-Chinesen in Deutschland“. Zahlreiche Mitglieder sind ebenfalls beim deutschen Ableger des CCPPNR vertreten. Die Vereine berichten immer wieder über Treffen mit den Generalkonsulaten, einige von ihnen reisen offenbar immer wieder nach China. Der Ansprechpartner für Westdeutschland war 2018 als Gast der Politischen Konsultativkonferenz dort geladen, laut China-Experte Weber „ein Zeugnis der Anerkennung seiner Überseechinesenarbeit“.
Der bis September Vorsitzende der Deutschen Qingtian-Vereinigung, Chengmin L., wird in einem von der Vereinigung im Februar 2021 selbst veröffentlichten Artikel als ein weiterer Ansprechpartner für die Sicherheitsbehörde in Lishui genannt. Er sei vom dort ansässigen Büro für Sicherheit als Frankfurter Stationsleiter persönlich ausgezeichnet worden, seine Niederlassung wurde demnach als eine der Top-Stationen der Behörde in Lishui geehrt – neben Stationen in Madrid, Rom oder Amsterdam.
Verfassungsschutz überprüft Hinweise
Der SWR kontaktierte fünf der sechs genannten Ansprechpartner. Keiner von ihnen antwortete auf schriftliche Fragen, am Telefon reagierten sie ablehnend bis ungehalten. Das Bundesinnenministerium teilt dem SWR mit: „Die Bundessicherheitsbehörden haben die Existenz derartiger Einrichtungen seit geraumer Zeit im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten im Blick und gehen allen Hinweisen mit Nachdruck nach.“ Das gelte auch für die Frage „in welchem Umfang, in welcher Struktur und mit welchen Schwerpunkten sie in Deutschland aktiv sind.“ Hierzu finde ein enger und unmittelbarer Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder statt.
Auch das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, für deren Bundesland zwei Ansprechpartner der „Lishui-Polizei“ in dem Artikel der Chinesischen Handelszeitung genannt sind, schreibt auf SWR-Anfrage, „Hinweise auf in Deutschland angesiedelte ‚Übersee-Polizeistationen‘ und möglicherweise damit verbundene Personen werden durch die Sicherheitsbehörden überprüft.“ Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz stehe „in einem ständigen und engen Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden im Bundesgebiet“.
Quelle: SWR Recherche Unit