VW hat Kunden und Behörden getäuscht
Beim Autozulieferer Bosch gibt es nach Informationen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ Hinweise auf eine massive Verwicklung in die Abgas-Affäre von Volkswagen. Das Stuttgarter Unternehmen hat demnach über Jahre die Software mitentwickelt, die die Manipulationen ermöglicht hat. VW hat Kunden und Behörden getäuscht. Im realen Straßenbetrieb stießen Diesel-Autos deutlich mehr Abgase aus als auf dem Prüfstand der Behörden. Mithilfe einer speziellen Abschalteinrichtung, des sogenannten „defeat device“ wurden die Motoren entsprechend gesteuert. Und diese Software haben Bosch-Ingenieure jahrelang mitentwickelt und deren Existenz offenbar den Behörden gegenüber verschleiert. Dem Zulieferer war dabei klar, dass eine derartige Abschalteinrichtung verboten ist. Das geht aus einer in den USA vorliegenden Klageschrift von VW-Kunden gegen Bosch hervor. Bislang waren wesentliche Stellen, die Bosch betreffen, geschwärzt. Die Schwärzungen wurden nun aufgehoben.
Bestandteil der Klageschrift ist nach Informationen von NDR, WDR und SZ ein Brief vom Juni 2008. Darin forderte Bosch vom VW-Konzern, ihn von einer Haftung freizustellen. Denn die „geforderte Weiterentwicklung“ der Motorsteuerung werde dazu führen, „dass Daten möglicherweise als defeat device eingesetzt werden“. Bosch weist in dem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass die Verwendung einer solchen Funktion in den USA verboten sei und warnt, dass die damit ausgestatteten Fahrzeuge durch diese Software ihre Betriebserlaubnis verlieren könnten.
Seit 2001 hat Bosch der Klageschrift zufolge das Motorsteuergerät EDC17 entwickelt, das später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen „Akustikfunktion“ enthielt. Die Kläger führen eine Reihe von Verträgen und weitere Dokumente an, die offensichtlich aus den offiziellen Ermittlungen gegen VW stammen. Sie sollen eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Autohersteller und dem Zulieferer seit 2004 belegen. Demnach hat VW die Software nicht alleine für seine Zwecke umschreiben können. Bosch habe die Kontrolle über die Software inklusive der Betrugsfunktionen immer „fest im Griff“ gehabt, heißt es in der Klageschrift. So sei auf Wunsch des Zulieferers in einer Vereinbarung vom 20. Februar 2006 festgehalten worden, dass nur 35 ausgewählte Mitarbeiter von VW und einer Vertragsfirma Einblick in „erweitere Softwarefunktionen“ erhielten – den Bereich also, wo der Betrug programmiert werden konnte. Änderungen in der Software, so die Kläger, hätten nur mit Zustimmung von Bosch erfolgen dürfen.
Auch soll Bosch dabei mitgewirkt haben, die Betrugsfunktionen vor den US-Behörden zu verbergen. In einer Mail vom 9. März 2007 habe ein Bosch-Mitarbeiter zwei VW-Kollegen gegenüber bestätigt, dass die Beschreibung der „Akustikfunktion“ aus einer Softwaredokumentation besser entfernt werde. VW stimmte zu, sie aus der US-Version zu nehmen. Uneins war man sich lediglich, ob man es in Europa offenlegen solle.
Bosch erklärte auf Anfrage, man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Untersuchungen. Man arbeite an einer Klageerwiderung. Die Vorwürfe der Manipulation nehme Bosch „sehr ernst“. In der Vergangenheit hatte der Konzern erklärt, die Verantwortung für die Software liege bei VW.
In den jetzt ungeschwärzt vorliegenden Stellen der Klageschrift werden auch schwere Vorwürfe gegen Audi-Manager erhoben. Einer soll die Weiterentwicklung der Betrugs-Software angeregt haben. Ein weiterer Audi-Manager hat den Dokumenten zufolge in einer Mail zu den Abschalteinrichtungen darum gebeten, das Thema aufgrund der Vertraulichkeit nur telefonisch oder persönlich zu besprechen. (red.)