Justizminister Herbert Mertin: Die von der Bundesregierung eingebrachte Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu Ungunsten des Angeklagten ist verfassungswidrig und birgt die Gefahr des Dammbruchs
In der heutigen Sitzung des Bundesrates in Berlin wurde unter anderem auch über einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Ergänzung der strafrechtlichen Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens aufgrund nachträglicher Beweismittel zuungunsten des Verurteilten beraten. Dieser wird von Justizminister Herbert Mertin nicht unterstützt.
Justizminister Herbert Mertin erklärte deshalb anlässlich der Plenarsitzung des Bundesrats in Berlin: „Ich bedaure, dass mit der heute eingebrachten Ergänzung des Wiederaufnahmeverfahrens zu Ungunsten des Angeklagten die gerichtliche Praxis nun mit einer höchst bedenklichen Neuregelung arbeiten muss. Sie begegnet nämlich ganz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weswegen es bezeichnenderweise das Bundesjustizministerium auch abgelehnt hatte, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen und das im Bundestag beschlossene Gesetz offenbar auch nicht kommentieren wollte, wie seinerzeit der Presse zu entnehmen war.
Zum einen stellt die vorgeschlagene Änderung aus hiesiger Sicht einen unzulässigen Eingriff in den Kerngehalt des Art. 103 Abs. 3 GG dar, der das Verbot der Mehrfachbestrafung normiert. Zum anderen verhält sich das Gesetz nicht zur Frage der Rückwirkung. Eine nach dem Wortlaut naheliegende Anwendung des Gesetzes auf Fälle, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes mit einem rechtskräftigen Freispruch endeten, dürfte aber ein klarer Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG sein.“
Zudem kritisierte Justizminister Herbert Mertin, dass eine solche Änderung einen Präzedenzfall darstellt, der die Gefahr einer immer weiter fortschreitenden Aushöhlung des Verbots der Mehrfachbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG birgt: Das ist ein Dammbruch: „Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Regelung zunächst auf einen kleinen Kreis von Delikten angewandt wird, es dann aber unter öffentlicher Empörung doch zu einer späteren Ausweitung kommt. Gerade bei Sexualdelikten scheint das nicht fernliegend.“
„Ich bedaure, dass heute im Bundesrat keine Mehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande gekommen ist. Ich werde mich politisch bei einer neuen Bundesregierung entschieden dafür einsetzen, diese Regelung rückgängig zu machen!“, so Justizminister Herbert Mertin nach der Abstimmung.
Quelle: Justizministerium Rheinland-Pfalz