Kann ein Mandant Schadenersatz verlangen?
Immer wieder hört man von Betroffenen, dass mandatierte Rechtsanwälte Fehler in Verfahren gemacht hätten oder ihre Mandanten falsch beraten oder aber auch Mandantenverrat begangen hätten, und nicht nur in der Pflichtverteidigung. Auch gegenüber Wahl-Verteidigern wird oft Kritik geübt, dass sie ihre Mandanten in wichtigen Verfahren im Stich gelassen hätten. Gerade bei der Strafverteidigung scheint dies gängige Praxis zu sein, wie einige Betroffene beim letzten Treffen des VGR in Frankfurt berichteten. Unserer Redaktion wurde u.a. ein Beschluss des OLG Frankfurt vom 18.12.2023 zugänglich gemacht, aus dem ersichtlich ist, dass anscheinend der Mandant „absichtich“ von einem Rechtsanwalt falsch beraten wurde. Er hat nämlich den Prozess verloren, weil dem Gericht ein Antrag auf Anhörungsrüge verspätet vorgelgt wurde. Der mandatierte Rechtsanwalt wurde beauftragt, das Revisionsverfahren fortzuführen, hätte also bei Sichtung der Unterlagen sehen müssen, wieviele Fehler vom Gericht bereits gemacht wurden. Statt seinem Mandanten zu helfen, hat er ihn absichtlich in die „Pfanne“ gehauen. Denn die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist regelmäßig auf die Erbringung einer Dienstleistung in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages gerichtet. Der Anwalt schuldet dabei zwar nicht den Eintritt eines bestimmten Erfolges. Er haftet dem Mandanten gegenüber aber für die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstleistung.
Prof. Dr. Barbara Grunewald, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln hat dazu wie folgt die Rahmenbedingungen erklärt:
Voraussetzungen der Haftung
1.Geschäftsbesorgung mit dienstvertraglichem Inhalt
Der Vertrag zwischen Anwalt und Mandant ist regelmäßig ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§ 675 BGB). Auf diesen Vertrag kommt teilweise Auftrags- und teilweise Dienstvertragsrecht zur Anwendung. Geändert hat sich insoweit nichts. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die sich im Einzelnen aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Pflichten. Werden diese verletzt, so schuldet der Rechtsanwalt gem. § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz. Gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB haftet der Rechtsanwalt allerdings nicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Eine Veränderung der Beweislastverteilung gegenüber der alten Rechtslage liegt hierin nicht. Genau wie bislang muss der Mandant die Pflichtverletzung beweisen – was meist keine Schwierigkeiten bereitet. Der Rechtsanwalt hat sodann die Möglichkeit, seinerseits nachzuweisen, dass ihn an dieser Pflichtverletzung kein Verschulden trifft. Auch dies entspricht dem alten Recht. Praktisch wird dies kaum je gelingen. Denn auf Grund des objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabes des § 276 BGB entlastet es den Rechtsanwalt gerade nicht, wenn er – gleich aus welchen Gründen – die Kenntnisse, die man von einem Rechtsanwalt erwarten kann, selbst ausnahmsweise nicht hat.
2. Geschäftsbesorgung mit werkvertraglichem Inhalt
In manchen Fällen ist der Vertrag zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt ein Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat. Zwar hat sich die Gewährleistung für Werkmängel teilweise geändert aber relevant für die Anwaltshaftung ist dies nicht. Bislang ging es eigentlich stets um so genannte „entferntere Mangelfolgeschäden“, die jetzt in §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, und damit unter denselben Voraussetzungen wie sie sich bisher nach den Regeln der positiven Vertragsverletzung ergaben (Pflichtverletzung und Verschulden) zu ersetzen sind.
II. Inhalt der Haftung
- Schadensersatz Gem. § 280 Abs. 1 BGB kann der Mandant von dem Rechtsanwalt Schadensersatz verlangen. Nur wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung haben will, müssen zusätzliche Voraussetzung erfüllt sein (§ 280 Abs. 3 BGB). Diese liegen darin, dass im Grundsatz dem Schuldner eine erneute Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung eingeräumt werden muss (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Für die Fälle der Beratung durch einen Rechtsanwalt ist dieses Zusatzerfordernis allerdings schon deshalb bedeutungslos, weil nach § 281 Abs. 2 BGB eine Fristsetzung entbehrlich ist, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadenersatzanspruches rechtfertigen. In den Fällen der Anwaltshaftung ist in dem Moment, in dem der Fehler zu Tage tritt, eine Nachfristsetzung schon deshalb durchweg sinnlos, weil eine Nachbesserung der anwaltlichen Leistung nicht mehr zielführend ist. Ist die Beratung falsch und der Anspruch des Mandanten deshalb beispielsweise zu spät geltend gemacht worden, so ist es zwecklos, nunmehr die richtige Beratung nachzuschieben. Daher ist eine Fristsetzung wohl stets entbehrlich. Im Übrigen ist aber auch davon auszugehen, dass in den Fällen der Anwaltshaftung Schadensersatz statt der Leistung gar nicht verlangt wird. Denn es geht nicht darum, dass die Leistung als solche nicht mehr akzeptiert (also an ihrer Stelle Schadensersatz verlangt) wird, sondern darum, dass die als solche erbrachte Leistung zu Folgeschäden führt. Das ist der Anwendungsbereich von § 280 Abs. 1 BGB8.
III. Verjährung
Fortgeltung von § 51b BRAO
Die für Rechtsanwälte geltende besondere Verjährungsvorschrift des § 51 b BRAO gilt bislang fort. Sie ist für den Rechtsanwalt trotz der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz herbeigeführten erheblichen Verkürzung der generellen Verjährungsfrist nach wie vor günstiger als die Regelverjährung.
Nach § 51 b BRAO verjährt ein gegen einen Rechtsanwalt gerichteter Anspruch in 3 Jahren ab Entstehung des Anspruchs, spätestens aber in 3 Jahren nach Beendigung des Auftrags. Die in §§ 195, 199 BGB festgelegte Regelverjährung läuft zwar ebenfalls 3 Jahre, beginnt aber erst mit Anspruchsentstehung und Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Tatsachen und zudem auch noch erst mit Schluss des Jahres. Hinzu tritt eine Kenntnis unabhängige Verjährung von 10 Jahren ab Anspruchsentstehung bzw. von 30 Jahren ab Pflichtverletzung (§ 199 Abs. 3 BGB). Die Rechtsprechung hat die in § 51 b BRAO niedergelegte kurze Verjährung dadurch relativiert, dass sie eine Pflicht des Anwalts entwickelt hat, den Mandanten auf gegen den Berater gerichtete Ansprüche hinzuweisen.
Auch dieser Sekundäranspruch, der vielfältige Schwierigkeiten mit sich bringt und zudem äußerst umstritten ist verjährt in der Frist von § 51 b BRAO. Diese beginnt mit Entstehung des Schadensersatzanspruchs, was der Zeitpunkt der Primärverjährung sein soll. Dies führt zu einer maximalen Verjährungsfrist von 6 Jahren, falls nicht zwischenzeitlich das Ende des Mandats eingetreten und damit die Verjährung nach der Zweiten Alternativen von § 51 b BRAO eingetreten ist. Da aber selbst eine 6-jährige Verjährungsfrist, die unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers läuft, immer noch günstiger ist als die 10-jährige Frist des § 199 Abs. 3 BGB, wird sich an dieser Judikatur auch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts ändern. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Gläubiger Kenntnis von dem Ersatzanspruch hat. Denn dann muss der Rechtsanwalt in nicht belehren, was wiederum zur Folge hat, dass die Sekundärverjährung nicht greift. Auch hier steht der Rechtsanwalt also nach wie vor günstiger als nach den Regelungen des BGB, eine Aufgabe der Rechtsprechung zur Sekundärverjährung ist daher insoweit nicht zu erwarten. Da § 51 b BRAO nach h. M. auch die Verjährung für werkvertragliche Leistungen des Rechtsanwalts erfasst17, wird auch die werkvertragliche Verjährungsfrist, die für die hier in Rede stehenden unkörperlichen Werke der Regelverjährung entspricht (§ 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB), für Rechtsanwälte bedeutungslos bleiben.
Weitere Erläuterungen unter https://anwaltsrecht.uni-koeln.de/fileadmin/sites/anwaltsrecht/Aufsaetze/Grunewald__AnwBl_05-02__258ff.pdf aufrufbar.
Quelle: Uni Köln