Eine Beurteilung von Prof. Dr. Wolfgang Heinz, Universität Konstanz
In seiner Beurteilung nimmt Prof. Heinz auf einige Strafverfahren Bezug und auf das Strafrecht als solches. Er schreibt in seiner 36-seitigen Stellungnahme zum Strafrecht u.a. „Mehrere Aufsehen erregende Strafverfahren – genannt seien nur die Namen „Parteispendenaffäre 1980“, „Kohl“, „Ackermann“, „Hartz“ – haben in den letzten Jahren den Blick der Öffentlichkeit auf das Phänomen der „Absprachen“ gelenkt. Nicht selten entstand hierbei der Eindruck, „die Großen“ würden anders behandelt als die „Kleinen“. Denn hat man schon jemals gehört, in einem Strafverfahren gegen einen Ladendieb sei es zu einer verfahrensbeendigenden Absprache gekommen? Aber schon die dieser Frage zugrunde liegende Annahme, der Ladendieb werde „normal“, ohne Absprache, verurteilt, ihn treffe das Gesetz in voller Schärfe, weist auf eine (vermutlich durch die zahlreichen, wenig realitätsgerechten Gerichtsshows) genährte Fehlvorstellung von der Rechtswirklichkeit des Strafverfahrens hin. Denn der – in quantitativer Betrachtung – Regelfall ist nicht die Anklage, sondern die Einstellung des Strafverfahrens, der Regelfall ist auch nicht die Verurteilung in einer öffentlichen Hauptverhandlung, sondern in einem schriftlichen, summarischen Verfahren (Strafbefehl). „Absprachen“ sind insofern nur die Spitze eines Eisberges, der den Namen „Krise des Strafverfahrens“ trägt“.
Strafverfahren Kohl: Das Ermittlungsverfahren gegen Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl wegen Verdachts der Untreue, weil er entgegen der Publikationspflicht des Parteiengesetzes die Herkunft von Spenden von ca. eineinhalb bis zwei Millionen DM verschwiegen hatte, wurde 2001 gem. § 153a Strafprozessordnung (StPO) von der Staatsanwaltschaft (StA) gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 300.000 DM eingestellt.
Strafverfahren Ackermann: Im sog. Mannesmann-Prozess wurde den Angeklagten vorgeworfen, durch ihre Zustimmung zu überhöhten Prämienzahlungen an Manager die frühere Mannesmann AG um rund 110 Millionen DM geschädigt zu haben. Letztlich wurde das Strafverfahren gem. § 153a StPO vom Gericht gegen Geldauflagen in Höhe von insgesamt 5,8 Millionen Euro eingestellt. Ackermann hatte davon 3,2 Millionen Euro zu zahlen.
Strafverfahren Hartz: Das gegen den ehemaligen Personalvorstand der VW-AG eröffnete Strafverfahren wurde aufgrund einer Absprache erledigt. Hartz wurde vom Gericht wegen Untreue und Begünstigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 2 Jahren sowie zu einer Geldstrafe von insgesamt 576.000 € verurteilt, nachdem er alle Anklagevorwürfe eingeräumt hatte.
Seine Stellungnahme in „Der schöne Schein des Strafrechts“ ist interessant, darin heißt es weiter: „Die Leitung des Ermittlungsverfahrens, in dem geklärt werden soll, ob gegen eine bestimmte Person der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt, obliegt der Staatsanwaltschaft. Sie hat deshalb „den Sachverhalt zu erforschen“ (§ 160 Abs. 1 StPO), sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält. Sie bedient sich hierbei der Polizei als „Hilfsbeamte der StA“. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hat die StA zu entscheiden, ob das Verfahren eingestellt oder durch Erhebung der öffentlichen Klage fortgeführt werden soll.
Wurde von der Polizei kein Tatverdächtiger ermittelt oder ist die Tat nicht strafbar, liegen Verfahrenshindernisse vor oder lassen die Beweise nach Einschätzung der StA eine Verurteilung nicht erwarten, dann stellt die StA das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
Ist die StA aufgrund des Ermittlungsergebnisses von der Möglichkeit der Verurteilung des Beschuldigten im Hauptverfahren überzeugt, dann erhebt sie Anklage. Als bedeutsame Alternative zur Anklage kann die Verurteilung im Strafbefehlsverfahren beantragen, wenn sie „nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet“ (§ 407 Abs. 1 StPO). In geeigneten Fällen kommt auch die Durchführung eines „beschleunigten Verfahrens“ (§§ 417 StPO) oder – in Verfahren gegen Jugendliche – eines „vereinfachten Jugendverfahrens“ (§ 76 JGG) in Betracht.
Seit der 1924 erstmals erfolgten Einschränkung des Legalitätsprinzips, also der Verpflichtung zur Anklageerhebung bei Vorliegen hinreichenden Tatverdachts, durch das Opportunitätsprinzip kann die StA das Ermittlungsverfahren auch gem. §§ 153 ff. StPO einstellen. Mit Erhebung der öffentlichen Klage beginnt das Zwischenverfahren, in dem das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht darüber zu entscheiden hat, ob das gerichtliche Hauptverfahren zu eröffnen oder abzulehnen ist“. So das Procedere von Prof.Dr. Wolfgang Heinz, siehe hier https://www.uni-konstanz.de/FuF/Jura/heinz/Heinz_Schoener_Schein_StrafR.pdf.
Über Prof. Dr. Wolfganz Heinz
Wolfgang Heinz ist ein deutscher Kriminologe und Rechtswissenschaftler, am 23. April 1942 in Pforzheim geboren. Er studierte in Freiburg im Breisgau Rechtswissenschaften und wurde dort 1972 mit einer Arbeit über Bestimmungsgründe der Anzeigenbereitschaft des Opfers promoviert. 1975/76 erfolgte seine Habilitation mit einer Arbeit über „Kriminalstatistik – Entwicklung und Stand, Probleme und Perspektiven“. Nach Tätigkeiten als Wissenschaftlicher Rat und Professor an den Universitäten Augsburg (1976) und Konstanz (1976–1978) war er von 1978 bis 1981 Professor an der Universität Bielefeld, bevor er 1981 auf den Lehrstuhl für Strafrecht mit Nebengebieten des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Konstanz berufen wurde. Im Oktober 2007 wurde Heinz emeritiert. Seine Forschungsschwerpunkte hat Heinz im Bereich der empirischen Kriminologie und der strafrechtlichen Rechtstatsachenforschung insbesondere der Jugendkriminologie und des Jugendstrafrechts, der vergleichenden Sanktions- und Wirkungsforschung, hier vor allem im Bereich von Diversion, der Wirtschaftskriminologie und des Wirtschaftsstrafrechts der Kriminal- und Justizstatistik und ihrer Ergänzung durch viktimologische Erhebungen (Bevölkerungsbefragungen, Dunkelfeldforschung) gemacht
In Konstanz baute er das Konstanzer Inventar zur Sanktionsforschung und das Konstanzer Inventar zur Kriminalitätsentwicklung auf, die neben veröffentlichten auch unveröffentlichte Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik und der justiziellen Geschäfts- und Verfahrensstatistiken kontinuierlich aufbereiten und für die Forschung verfügbar machen.Von der Bundesregierung wurde Heinz als wissenschaftliches Mitglied in das Gremium „Periodischer Sicherheitsbericht“ der Bundesregierung berufen.
Wer mehr erfahren möchte über den Professor, kann dies auf Wikipedia nachlesen, hier https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Heinz_(Kriminologe)
Quellen: Uni Konstanz und WIKIPEDIA