Klimaschutzbeirat und fünf Arbeitsgruppen arbeiten an Energiewende – 3. Beigeordneter Franz-Josef Jochem stellt die Ziele der Gemeinde vor
Zur Umsetzung des Energie- und Klimakonzeptes der Gemeinde Haßloch hat der Klimaschutzbeirat fünf Arbeitsgruppen gebildet. Am 16. Februar 2013 findet ein Workshop statt, in dem die Ergebnisse aller Arbeitsgruppen zusammengetragen und diskutiert werden. Danach soll eine erste Bewertung der Maßnahmen erfolgen und eine Rangfolge im Hinblick auf den Maßnahmenkatalog vorgenommen werden. Sobald die Maßnahmen in einem Katalog zusammen geführt sind, soll dieses Dokument den entsprechenden Ausschüssen und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ein weiteres Ziel dieses Workshops wird sein, den Sprecher des Klimaschutzbeirates zu wählen. Über die Ziele und Inhalte des Klimaschutzkonzeptes der Gemeinde sprach Redakteurin Karin Hurrle mit dem 3. Beigeordneten der Gemeinde, Franz-Josef Jochem. Und hier das Interview:
NR: Herr Jochem, Sie sind von den Haßlocher GRÜNEN für das Amt des Umweltdezernenten vorgeschlagen und auch vom Haßlocher Gemeinderat gewählt worden. Der Abschlussbericht des Klimakonzeptes, welches von den Gemeindewerken Haßloch an das Leipziger Institut für die Gemeinde Haßloch in Auftrag gegeben wurde liegt vor. Ihre Aufgabe ist nun, dieses Schritt für Schritt in Haßloch umzusetzen. Wie stellen Sie sich dies vor?
Schritt für Schritt bedeutet, einen Prozess einzuleiten, in welchem Politik, Wirtschaft, Bürger und Bürgerinnen gemeinsam Möglichkeiten suchen, Energie einzusparen sowie regenerative Energie zu erzeugen und zu nutzen. Dazu haben wir den Klimaschutzbeirat ins Leben gerufen, dessen Mitglieder mit großem Elan in Arbeitsgruppen Maßnahmen diskutieren und vorschlagen. Im Februar wollen wir in einem Workshop die Vorschläge zusammentragen, Akteure benennen sowie Finanzierbarkeit und Zeitachse zur Umsetzung diskutieren. Indem wir die Öffentlichkeit einbeziehen, möchte ich erreichen, dass jeder sich als „sein eigener Energiemanager“ versteht.
NR: Eine Anregung in diesem Energie- und Klimaschutzkonzept von dem Gutachter ist auch eine CO²-Minimierung, was eine sehr schwere Aufgabe sein wird. Denn man kann um dieses Ziel zu erreichen, nicht ad hoc gerade einen Knopf drücken. Die GRÜNEN wollen, dass bis im Jahre 2020 die Energieversorgung zu100 % aus erneuerbaren Energien erreicht wird. Meinen Sie, dass man dieses klimapolitische Ziel in Haßloch wirklich erreichen kann?
Bei meiner Wahl zum Beigeordneten erklärte ich, die Vision von Herrmann Scheer zu verfolgen, die er in seinem Buch „Der energetische Imperativ“ dargelegt hat. Beschrieben ist, wie die ehrgeizigen Ziele erreicht werden könnten. Eine besondere Bedeutung spielt der Beitrag von Forschung und Entwicklung neuer Technologien zur Erreichung der Ziele. Aufgrund meiner inzwischen 40-jährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität sehe ich darin hier große Potentiale. Als Beispiele möchte ich andeuten: der Ersatz von Stahlbeton durch neue Holzwerkstoffe in bestimmten Anwendungen kann 90% Energie einsparen, die Fortschritte im Isolieren sehen wir bei Weltraumspaziergängen der Astronauten und finden sich schon teilweise in Wohnmobilen umgesetzt.
NR: Es sind, um klimapolitische Ziele zu erreichen, viele Maßnahmen notwendig. Man muss nicht nur die Haßlocher Haushalte dazu bewegen, Energie einzusparen, sondern auch das Gewerbe. Wo sehen Sie hier Ihre Aufgabe, dieses politische Ziel zu erreichen, wo doch gerade das Gewerbe angekurbelt werden soll, um die z.Zt. gute Wirtschaftslage zu sichern bzw. zu verbessern. Steht dies nicht im krassen Widerspruch, wenn es um Energiesparen geht oder wo sehen Sie hier die Anreize?
Gewerbetreibende rechnen und suchen per se die Energiekosten zu senken. Einfach umzusetzende Tipps wie Einsatz für Zeitschaltuhren für Kaffeautomaten in den Büros, Umstieg auf LED-Beleuchtung oder Elektromobile etc. werden befolgt, sobald die Amortisation darstellbar ist. Gewerbetreibende überprüfen aber auch ihr Produktportfolio: „energetisch teure“ Produkte werden auch für Kunden teurer, sodass über den Preis und die Nachfrage eine Steuerung erfolgen wird. An der Entwicklung des „Biomarktsektors“ sehen wir, dass es sich auch für Gewerbetreibende lohnt, ökologisch zu denken und zu handeln, so dass ein wesentlicher Beitrag zur CO²-Minderung geleistet wird.
NR: Der vorliegende Abschlussbericht zum Energie- und Klimakonzept der Gemeinde Haßloch hat viele Facetten. Einmal die Gebäudesanierung und der Kesselaustausch von Wohnhäusern bei den Hauseigentümern. Auf der anderen Seite will man die Industrie dazu bewegen, durch den Bau von Holzschnitzelanlagen Nahwärme und aus der Sonnenenergie ebenfalls erneuerbare Energien zu gewinnen. Wie sieht es denn in Haßloch mit der Biomasse und der Geothermie aus, die ja ebenfalls im Klimakonzept der Gemeinde Haßloch einen großen Stellenwert hat?
In einer der eingangs erwähnten Arbeitsgruppen des Klimaschutzbeirats „Regenerative Energien“ werden Chancen und Risiken dieser Energiequellen in der Diskussion vertieft. Das Ergebnis möchte ich nicht vorweggreifen. Meine persönliche Sicht ist jedoch, das in der Auseinandersetzung um die Stilllegung von Atomkraftwerken und deren Ersatz den Möglichkeiten von „Biomasse“ und „Geothermie“ eine größere Rolle beigemessen wurden, als man es im Hinblick auf Energie durch „Sonne und Wind“ einerseits, zunehmender Intelligenz der Netze und Fortschritte in der Speichertechnologie andererseits zukünftig tun wird. Die Verwertung von Biomasse (Tresterabfälle) zur Pellet-Herstellung, wie es Agroscience GmbH in Neustadt-Mußbach gelungen ist, sehe ich richtungsweisend genauso wie die Gewinnung wertvoller Güter zur Bodenverbesserung.
NR: Wir wissen, dass gerade die GRÜNEN, nicht nur in Haßloch, sondern bundesweit ein großer Förderer der Geothermie sind. Das hat man immer wieder im Mediationsverfahren der Landesregierung Rheinland-Pfalz heraus gehört. Die GRÜNEN wollen die Geothermie, das ist bekannt. Sie wissen doch aber sicherlich, dass die Geothermie keine erneuerbare Energie ist, dass es keine CO²-Minimierung mit der Geothermie gibt und dass auch keine Wirtschaftlichkeit mit dieser Art der Energiegewinnung zu erreichen ist. Dennoch favorisieren gerade die GRÜNEN die Geothermie, sprich Fernwärmegewinnung. Warum?
Oberflächennahe Geothermie und Geothermie mit Erdsonden in geschlossenen Systemen sind eher unkritisch. Sie sprechen hier die Art der Tiefen-Geothermie in „offenen Systemen“ an, wie sie in Landau praktiziert wird.
Meine Beobachtung ist, dass das Thema „Grundlastfähigkeit der Energieversorgung“ stark strapaziert wird – und um auf Herrmann Scheer zurückzukommen geschieht dies, um die atomare und fossile Energieversorgung aus Rendite-Gründen längerfristig zu betreiben. Vor diesem Hintergrund dürfte Tiefen-Geothermie für viele Verantwortliche eine weniger schädliche Alternative darstellen. Als Ingenieur sehe ich durchaus die Risiken – Ingenieure lernen aus der Beobachtung – und zu beobachtende Objekte gibt es hinreichend. Danach sollte weiter entschieden werden.
NR: Der Solarpark auf dem Sandbuckel am Mussbacher Weg soll europaweit ausgeschrieben werden. Als Investor kann somit auch ein Unternehmen außerhalb der Region von Haßloch den Zuschlag bekommen. Wie wirkt sich dies denn auf den örtlichen Energieversorger, die Gemeindewerke Haßloch aus?
Der politische Wille ist, die Wertschöpfung, die sich aus Planung, Erstellung und Betrieb der Anlage erzielen lässt, den Bürgern und Bürgerinnen aus Haßloch und der Region zu gute kommen zu lassen. Wie dies erzielt werden kann, wird derzeit diskutiert. Naturgemäß spielen die Gemeindewerke in den Überlegungen eine wesentliche Rolle.
NR: Der richtige Schalthebel, nämlich einen Energiemix für ganz Deutschland zu erreichen, ist von der Bundespolitik viel zu spät angesetzt worden. Erneuerbare Energien hätte man doch an den Standorten vorantreiben müssen, wo die Rahmenbedingungen hätten erfüllt werden können. D.h. die Windenergie am Wasser, die Sonnenenergie dort, wo am meisten die Sonne scheint. Von der Geothermie müsste man sich doch wegen der Unwirtschaftlichkeit jetzt schon verabschieden. Wie sind also hier die Aussichten für Haßloch?
Die Natur lehrt uns, dass sich komplexe und dennoch robuste Organismen aus dem scheinbar chaotischen Zusammenwirken vieler Zellen bilden. Vergleichbares entstand in den 80-ger Jahren als INTERNET – zunächst entgegen den Planungen der Monopolträger und Haupt-Player in technischen Kommunikationsnetzen. Ähnlich sehe ich die Entwicklung einer stabilen Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien – zunächst dezentral und „bottom up“. Hier ist jeder gefragt!
Allein die Vertiefung der Diskussion von Vor- und Nachteilen großer Windparks auf See würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Daher nur eine Anmerkung: neben den uns bekannten, weit sichtbaren Windrädern mit großen Rotorblättern läuft die Weiter-Entwicklung des Jahrtausende alten „persischen“ Windrads mit Erkenntnissen der Strömungslehre aus dem Flugzeugwesen zu einem ertragreichen, aber raumsparenden Generator, der fast überall zum Einsatz kommen könnte. Solche kreativen Neuerungen können gegebenenfalls Top-Down-Planungen von heute auf morgen in Frage stellen.
NR: Wäre es wegen der sicheren Versorgung von Haßloch nicht besser gewesen, sich mit den regionalen Partnern zu verbünden, als einen Gesellschafter wie die Thüga mit ins Boot zu nehmen? Oder denkt die Thüga AG, die keine örtliche Bindung an die Bürger hat, nur an die Gewinnmaximierung, wo doch die Gemeindewerke Haßloch eher die Haßlocher Bürgerinnen und Bürger durch Gewinnausschüttung bedienen müsste? Immerhin sind es gerade die Haßlocher Bürger, die Standorte für erneuerbare Energien in Kauf nehmen müssen, den Nutzen aber die Energieversorger haben?
Die rhetorischen Fragen beinhalten Aussagen, die ich nicht bestätigen kann. Viele kommunale Werke haben sich als Anteilseigner in Thüga organisiert, weil sie allein nicht in der Lage wären, die Aufgaben der Zukunft zu meistern, und sehen sich dort gut aufgehoben. So auch die Haßlocher Gemeindewerke GmbH. Studienfreunde – als Wirtschafts- oder Elektroingenieure auch in kommunaler Verantwortung tätig – bestätigten mir, dass die Beteiligung an Thüga keine schlechte Wahl sei.
Nachrichten-Regional bedankt sich bei dem 3. Beigeordneten Jochem für die umfassenden und ausführlichen Erklärungen.