Wie Hate Speech zur Zerstörung der Weimarer Demokratie beitrug
In der Weimarer Republik gab es große wirtschaftliche Probleme und viele politische Streitereien. Und es gab viele Gruppierungen, einflussreiche Menschen und Parteien, die die Weimarer Republik ablehnten und bekämpften. 1933 kam Adolf Hitler an die Macht. Das war das Ende der Weimarer Republik.
Die Geschichte der Weimarer Republik lässt sich nach der Gründungsphase in drei Abschnitte gliedern. In den Krisenjahren von 1919 bis 1923 hatte die Republik mit den unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation sowie zahlreichen Umsturzversuchen und politischen Morden zu kämpfen. In den Jahren 1924 bis 1929 erlebte sie eine Zeit relativer Stabilität, wirtschaftlicher Erholung sowie außenpolitischer Anerkennung und Wertschätzung. Die Weltwirtschaftskrise ab Ende 1929, die Präsidialkabinette nach dem Bruch der Großen Koalition am 27. März 1930 und der Aufstieg der Nationalsozialisten mündeten schließlich in ihren Untergang.
Durch die Weimarer Verfassung wurde das Deutsche Reich erstmals eine parlamentarische Demokratie mit in der Verfassung verankerten liberalen und sozialen Grundrechten. Im dritten Abschnitt der Weimarer Verfassung wurde unter anderem auf eine Staatskirche verzichtet; damit war das bis dahin noch geltende „landesherrliche Kirchenregiment“ abgeschafft, nach dem der Landesherr Träger der Regierungsgewalt in der evangelischen Landeskirche war.
Die politischen Strukturen der Weimarer Republik ergaben sich aus den Ergebnissen der Novemberrevolution, wurden gestaltet von den maßgeblichen Parteien in der Nationalversammlung – dann im Reichstag und in den Länderparlamenten – und waren seit 1919 mit vorgegeben durch die Weimarer Verfassung. Auch die Revolutionsergebnisse, das politische Agieren der Parteien und die Merkmale der Weimarer Verfassung wurden und werden in der historischen Forschung im Hinblick auf ihren möglichen Beitrag zum Scheitern der Weimarer Demokratie erörtert.
Träger der politischen Macht waren laut Stiftung Deutsches Historisches Museum die Parteien, die vergleichsweise geschlossene gesellschaftliche Milieus repräsentierten. In der zerrissenen Parteienlandschaft herrschten höchst unterschiedliche Vorstellungen über die politische Gestaltung Deutschlands, wo sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), das Zentrum und die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) uneingeschränkt zu den neuen demokratischen Verhältnissen bekannten.
Aber die republikfeindlichen Parteien auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums gewannen immer mehr Einfluss. Die politische Instabilität der Republik und das soziale Elend waren zu Beginn der 1920er Jahre ein idealer Nährboden für radikale Parteien und extremistische Gruppierungen. Im März 1920 versuchten rechtsgerichtete Militärs mit einem Putsch in Berlin die Regierung zu übernehmen, im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland folgten 1920/21 revolutionäre Aufstandsbewegungen. Zudem habe sich der Versailler Vertrag als ein ständiger Quell nationaler Enttäuschung erwiesen. Seine harten Bedingungen hätten blankes Entsetzen hervorgerufen, die meisten Deutschen lehnten ihn als „Diktat- und Schandfrieden“ laut WIKIPEDIA ab. Den Kampf gegen die „Fesseln von Versailles“ fasste die nationale Rechte als eine Frage der Ehre auf. Sie betrieb eine hasserfüllte Hetze gegen die Republik und deren Repräsentanten, ihrer geschürten Feindseligkeit fiel u.a. Reichsaußenminister Walther Rathenau zum Opfer. Er war auch wegen seiner jüdischen Abstammung zu einem Symbol der verhassten „Judenrepublik“ gemacht worden.
Hunderttausende demonstrierten nach seiner Ermordung im Juni 1922 zwar für Republik und Demokratie, doch gegen den manifesten Antisemitismus des völkischen Lagers sowie gegen die demokratiefeindlichen Strömungen vermochten Demonstrationen allein nur wenig auszurichten.
Auch der Berliner Verlag „vorwärts“ hatte am 31.08.2023 in einem Bericht das Thema der Zerstörung der Weimarer Demokratie aufgegriffen. Angriffe auf Politiker*innen würden zunehmen und Hetz-Kampagnen in (sozialen) Medien würden dafür den Boden bereiten. All dies seien keine neuen Erscheinungen. Der Blick in die Weimarer Republik zeige, wie Demokratien von innen zersetzt werden können. Denn schon in der Weimarer Republik habe die mediale Hetze auch auf der kommunalen Ebene eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Aufstieg des Nationalsozialismus gespielt. Entscheidend habe dabei der Wille zur kalkulierten Lüge gespielt, deren Konsequenzen über harmlose verbale Verletzungen oft weit hinaus gingen: Dass Hass und Hetze körperlich und psychisch krank machen konnten, wisse man aus zahlreichen Biographien von Politiker*innen der Weimarer Zeit.
So sei etwa Josef Hammes, der in der Zentrumspartei aktive Bürgermeister des kleinen oberbergischen Städtchens Morsbach war, seit September 1929 vermehrt in der NS-Zeitung Oberbergischer Bote attackiert worden, heißt es in „vorwärts“. Weiter schreiben Sie: „Die Kampagne gegen Hammes zog sich über mehrere Jahre. Dennoch ließ er sich bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht einschüchtern: Er riss öffentlich Hitlerbilder herunter, boykottierte NS-freundliche Geschäfte und kritisierte die Ideologie des Nationalsozialismus, wo immer er konnte. Zwar zog er mit Erfolg gegen die Autoren der verleumderischen Artikel vor Gericht – die verantwortlichen Redakteure wurden wegen schwerer Beleidigung verurteilt –, aber während des zwei Jahre dauernden Verfahrens rissen die öffentlichen Verunglimpfungen seiner Person nicht ab. Unter dem Eindruck dieser permanenten Belastung und Bedrohung wurde Hammes krank und musste einen mehrwöchigen Kuraufenthalt antreten. Daraufhin behauptete die NS-Presse, der Bürgermeister sei wegen unlauterer Amtsführung suspendiert worden. Nach der „Machtergreifung“ Ende Januar 1933 gehörte Hammes zu den ersten Morsbachern, deren Haus von SA-Männern überfallen wurde. Erst als er einen lebensbedrohlichen Herzanfall erlitt, ließen die Angreifer von ihm ab“.
Für solche Taten habe die rechtskonservative Presse den Weg geebent, schreibt „vorwärts“ weiter. Josef Hammes sei alles andere als ein Einzelfall gewesen. Die NSDAP habe sehr genau beobachtet, wie sozialdemokratische Bürgermeister in den ersten Jahren der Weimarer Republik von der rechtskonservativen Presse aus dem Amt gehetzt wurden, unter ihnen etwa Philipp Scheidemann in Kassel oder Robert Leinert in Hannover.
In den späten zwanziger Jahren habe dann die expandierende NS-Presse diese Strategie übernommen und sie radikalisiert. Ins Visier seien Politiker*innen verschiedener demokratischer Parteien geraten, denen man vorzugsweise Korruption, „feiges“ Verhalten im Ersten Weltkrieg, die Verschwendung öffentlicher Gelder oder die Vernachlässigung ihrer Dienstgeschäfte unterstellt habe. Fast immer seien diese verhetzenden Lügen vollständig aus der Luft gegriffen gewesen. Hitler selbst hatte früh darauf aufmerksam gemacht, dass die Lüge nur groß genug sein müsse – dann werde schon etwas davon „hängenbleiben“. Initiiert und angeführt worden seien diese Kampagnen seit Ende der 1920er Jahre von NSDAP-Abgeordneten des Reichstags und der Landtage, denn deren Abgeordnetenimmunität habe sie ein Stück weit vor einer möglichen Strafverfolgung geschützt.
Antisemitische und antidemokratische Hetze seien dabei stets eng miteinander verflochten worden. Neben Lokalpolitiker*innen seien auch bekennend demokratische Polizeipräsidenten und bekannte jüdische Kaufleute, Anwälte oder Ärzte von den Hetzkampagnen der Nationalsozialisten betroffen gewesen. Den nicht-jüdischen Politiker*innen sei Kontakt oder Handel mit Juden oftmals in herabsetzender Weise vorgeworfen worden. Die meist niedrige Auflage der frühen NS-Presseerzeugnisse auf lokaler und regionaler Ebene sei dabei nicht so entscheidend gewesen, denn die Hetzartikel seien in Schaufensterscheiben ausgehängt oder öffentlich verteilt worden und hätten auf diese Weise über den alltäglichen „Klatsch und Tratsch“ tief in die Gemeinden hineinwirken können.
Im Rückblick habe sich auch eine Kontinuitätslinie bereitet, die von den jahrelangen Diffamierungskampagnen der Weimarer Zeit bis zur physischen Gewalt der NS-Zeit reichte: Viele der schon vor 1933 Betroffenen hätten nach der Machtübernahme der NSDAP zu den ersten Opfern von Terror und Verfolgung gehört. Sie seien misshandelt, in Konzentrationslager eingewiesen oder sogar in den Selbstmord getrieben worden.
„Der berechnende Einsatz der Medien und die kalkulierte Verleumdung von Demokrat*innen sind Strategien, die uns heute nur allzu bekannt erscheinen. Die historische Perspektive kann uns daran erinnern, den Schutz der Demokratie und derjenigen, die sie repräsentieren, sehr ernst zu nehmen und aktiv zu unterstützen“, so der Bericht von „Vorwärts“ weiter, hier zum LINK den Originalartikels https://vorwaerts.de/geschichte/wie-hate-speech-zur-zerstorung-der-weimarer-demokratie-beitrug
Die Autorin des Auszugs dieses Artikels in „vorwärts“, Silke Fehlemann, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Neuere und Neueste Geschichte der TU Dresden und Mitglied des SPD-Geschichtsforums.