Guido Kirchhoff, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt, geht hart ins Gericht mit seinen Richter-Kollegen – Politische Diskussionen um Höhe der Haftentschädigung
Guido Kirchhoff, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, schreibt als Autor in der Fachzeitung „Justiz“: „Es gibt wenige Kolleginnen und Kollegen, die offen zugeben, Fehler gemacht zu haben oder solche zu machen“. Es sei allerdings statistisch, wie auch psychologisch nachgewiesen und eine Selbstverständlichkeit, da dieser Personenkreis auch Menschen sind. „Auch die Rechtsmittelinstanzen sind nicht unfehlbar“, sagt er.
In einem anderen Beispiel schildert Guido Kirchhoff die prekäre Lage in den Gerichten und verweist auf die „Schicksalsjahre eines Ex-Proberichters, der am 28. August 2009 wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung angeklagt wurde. Er sei unter dem Druck der Zulassung der Anklage aus dem Justizdienst am 01. September 2010 entlassen worden. Am 2. November 2010 sei vor dem Landgericht Kassel das Hauptverfahren eröffnet worden, schreibt Kirchhoff weiter. In insgesamt 28 Verhandlungstagen, die über 10 Monate andauerten, sei seine Strafrichtertätigkeit untersucht und eine Vielzahl von Zeugen befragt worden. Durch Urteil des Landgerichts Kassel vom 01. September 2011 wurde der Richter auf Probe freigesprochen, da ihm kein Rechtsbeugungsvorsatz hinsichtlich der Erzwingung eines Geständnisses nachgewiesen werden konnte. Am 31. Mai 2012 hob der 2. Senat des BGH den Freispruch wieder auf, weil ein Rechtsbeugungsvorsatz nicht in Bezug auf den Rechtsmittelverzicht und die Erzwingung der Zustimmung zu den Auflagen geprüft worden wäre. Es erfolgte die Zurückweisung an eine andere Kammer des Landgerichts in Kassel. Dass eine solche Vorgehensweise von Richter Guido Kirchhoff bemängelt wurde, ist nicht alles, was er in Justizabläufen seit Jahren kritisiert.
Kirchhoff schildert in der Fachzeitschrift „Justiz“ auch einen Fall, worüber auch die Süddeutsche Zeitung am 05.10.2012 berichtet hatte. Ein junger Mann war nach falscher Anschuldigung einer Richter-Kollegin durch das Landgericht Darmstadt im Juni 2002 wegen Vergewaltigung zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte die Strafe abgesessen und wurde im Wiederaufnahmeverfahren 2011 freigesprochen. Am 29.06.2012 sei dieser Mann an Herzinfarkt im Alter von 53 Jahren verstorben. Diesen Mann wegen Vergewaltigung zu verurteilen, sei ein Fehlurteil mit fatalen Folgen gewesen. Daher urteilt Guido Kirchhoff weiter: „Es ist täglich eine Gratwanderung bei der Gewinnung der richterlichen Überzeugung, sich von Vorurteilen, Missverständnissen oder auch Denkfehlern freizuhalten und, wenn wir schon nicht immer die Wahrheit finden, uns doch so anzustrengen haben, dass sich niemand für uns schämen muss. Wer von uns ohne Tadel ist, werfe den ersten Stein. Wissen wir, auch wenn wir uns jeden Tag neu anstrengen, wie viele vermeidbare Fehler wir gemacht haben, wie viele Schicksale wir zu Unrecht verändert oder doch beeinflusst haben? Nicht nur die Strafrichter, genauso die Familien-, Betreuungs-, Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs-, aber auch die Miet- und Zivilrichter, sicher auch die Finanzrichter. Eine ganz subjektive spontan gewählte Reihenfolge“.
Um ein ähnliches Fehlurteil geht es auch, über das NACHRICHTEN REGIONAL demnächst berichten wird. Wie ein zu Unrecht Verurteilter und Inhaftierte zu entschädigen ist, erhitzt immer wieder die Gemüter und wird derzeit politisch diskutiert. Ein solches Interview hat der Radiosender „Deutsche Welle“ aus Köln am 03. September 2020 ausgestrahlt. Und hier der LINK dazu