Heidelberger Unternehmen ProMinent wehrt sich gegen Unterstellungen des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden
Der Hausfrieden bei der Heidelberger Firma ProMinent ist schon lange gestört. Seit über einem Jahr läuft ein Kündigungsprozess gegen den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden S. H. beim Arbeitsgericht. Obwohl S. H. die Kündigungsklage gewonnen hat, lässt ihn Firmenchef Dulger und sein Geschäftsführer Nagel nicht in Ruhe. Warum nur, fragen sich Viele? Die Firma hat Widerspruch gegen das Urteil eingelegt und hofft, in der nächsten Instanz einen Sieg einzufahren. Doch so einfach wäre dies nicht, hat NACHRICHTEN REGIONAL von Insidern erfahren. Immerhin sei das Kündigungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Trotzdem informieren Firmeninhaber Prof. Dr. Andreas Dulger und sein Geschäftsführer Dr. Michael Benedikt Nagel ihre Mitarbeiter in einem Aushang am „schwarzen Brett“ über Internas aus dem Gerichtsprozess. Nun monieren einige, dass dieser „Aushang“ nicht rechtens gewesen sein soll. Denn der Inhalt des „Aushangs“ heize weiterhin die Stimmung im Unternehmen auf. Einige wollen wissen, dass man mit diesem „Aushang“ den neu gewählten Betriebsrat im Unternehmen beeinflussen und auf seine Seite ziehen will. Nachrichten Regional hatte im Dezember 2022 zwei Mal über die Ereignisse bei der Firma ProMinent berichtet. Am 01. Dezember 2022 https://nachrichten-regional.de/prominent-heidelberg-betriebsrat-mobbing-nach-gewonnenem-arbeitsgerichtsprozess-geht-in-uebelster-weise-weiter/ und am 04. Dezember 2022 https://nachrichten-regional.de/betriebsrat-mobbing-bei-prominent-durch-geschaeftsinhaber-dulger-landet-vor-dem-arbeitsgericht-in-mannheim/
Gekündigter Betriebsratsvorsitzender erhebt Abfindungs-Forderungen von 1,2 Millionen Euro
Moniert wird von Vielen nicht nur die unprofessionelle Vorgehensweise im Unternehmen, sondern auch die im Aushang veröffentlichten persönlicher Daten. Darin wurde u.a. folgendes veröffentlicht: „Herr H. hat uns gerichtlich dazu aufgefordert, ihm ab dem 12. Juni 2023 wieder den Zutritt zum Betrieb zu gewähren, damit er – zunächst nur 2 Stunden pro Tag – wieder sein Betriebsratsamt ausüben kann. Wir müssen diesem Begehren nachkommen. Bekanntlich hat ProMinent Herrn H. im Sommer fristlos gekündigt, weil er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Unternehmens auf Facebook in übelster Weise (u.a. als verachtenswerte Kreaturen) beleidigt hatte. Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt hierzu ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn H. durch. Herr H. hat in erster Instanz mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg gehabt, weil das Gericht die von Herrn H. geltend gemachten sozialen Belange (insbesondere seine Schwerbehinderung) höher gewichtet hat als seine Beleidigungen. Diese Interessensabwägungen teilen wir nicht und haben deshalb Berufung gegen das Urteil eingelegt. Denn wir sehen es als unsere Pflicht an, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen die Angriffe von Herrn H. zu schützen und das gute Miteinander im Unternehmen zu bewahren. Dies gilt umso mehr, als Herr H. sich bis heute nicht bei den beleidigten Mitarbeitern entschuldigt hat“. Weiter heißt es im Aushang: „Aufgrund des erstinstanzlichen Urteils hätte Herr H. bereits seit Dezember wieder im Betrieb erscheinen können. Dies hat er nicht getan. Stattdessen hat er eine – in dieser Höhe für uns unglaubliche und völlig indiskutable – Abfindung von rund 1,2 Millionen Euro gefordert, wohl mit der Absicht, nie mehr in seinem Leben arbeiten zu müssen. Eine solche Forderung ist in der Unternehmensgeschichte beispiellos und wir werden ihr nicht ansatzweise entsprechen“.
Undercover-Journalist Günter Wallraff sammelt Unterschriften gegen BR-Mobbing
Inzwischen ist auch Undercover-Journalist Günter Wallraff mit einem offenen Brief gegen BR-Mobbing bei ProMinent in Aktion getreten. Er bittet in diesem Schreiben alle Betriebsräte, Betriebsrätinnen und Gewerkschaftsaktive, mit seiner Unterschrift den gekündigten Betriebsratsvorsitzenden zu unterstützen und sich zu solidalisieren. Bossing könne jeden Betriebsrat und alle KollegInnen treffen, die ihrer Geschäftsführung widersprechen, weil sie die Interessen der Belegschaft angemessen vertreten wollen, schreibt Wallraff in seinem offenen Brief weiter. „Eigentlich sollte es das überhaupt nicht geben, schließlich ist die Mitbestimmung ein verbrieftes Recht“. Ziel von ProMinent scheint zu sein, Betroffene krank zu machen und in den Ruin zu treiben? Das habe inzwischen sogar der Gesetzgeber erkannt. Diese Unterschriftenkampagne will nun das Mannheimer Solidatitätskomitee, Anlaufstelle der IG Metall und work watsch e.V., weiterbetreiben, es wurde verlängert, da eine positive Resonanz zu entnehmen ist, so dass die Unterschriftensammlung weitergeht.
Gesetzgebung im Koalitionsvertrag sollte umgesetzt werden
In ihrem Bericht vom 26.11.2021 schreibt https://www.work-watch.de: „Ein lange beklagter Mißstand soll nun beseitigt werden: Nach § 119 Betriebsverfassungsgesetz sind Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane bisher ein Antragsdelikt – sie werden nur verfolgt, wenn Betriebsräte oder Gewerkschaften Anzeige erstatten. Laut Ampel-Koalitionsvertrag soll sich das nun ändern: „Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt ein“, steht auf Seite 71 im Koalitionsvertrag. Die jährlichen Anzeigen wegen § 119 BetrVG konnten bisher bundesweit an zwei Händen abgezählt werden, ganz zu schweigen von den letztendlich ergangenen Verurteilungen von Arbeitgebern, die Raritätenwert genießen. Werden sie jetzt als Offizialdelikt eingestuft, müssen die Staatsanwaltschaften gegen Arbeitgeber ermitteln, wenn ihnen z.B. ein Fall der Vereitelung oder Manipulation von Betriebsratswahlen, der Behinderung der Gremienarbeit oder der Bevor- oder Benachteiligung von BR-Mitgliedern aufgrund ihrer Funktion bekannt wird“. Work Watch werde allerdings -wie bisher- mit dafür sorgen, dass die Fälle des Union Busting an die Öffentlichkeit geraten und künftig möglicherweise auch tatsächlich strafrechtlich geahndet werden. Man könne gespannt sein, wie die konkrete Ausarbeitung des Gesetzes und seiner Anwendung in der Praxis aussehen wird. Work Watch werde zeitnah darüber berichten. „Sollte die Ankündigung konsequent umgesetzt werden, müssten künftig einige Arbeitgeber hinter Gittern landen, sollten sie ihre aggressive und menschenverachtende Betriebspolitik nicht ändern“, heißt es weiter.
Viele haben die Anlaufstelle für „Mobbing-Opfer“ in Haßloch bereits kontaktiert
Auch in Haßloch gibt es eine Anlaufstelle für „Mobbing-Opfer“. Die Selbsthilfegruppe „Lebensfreude“ engagiert sich schon seit vielen Jahren für Menschen, die von Mobbing betroffen sind. Unzählige haben den Kontakt zu dieser Anlaufstelle gesucht. Mit Rat und Tat hat man den Betroffenen zur Seite gestanden und Tipps geben können. NR hatte am 02.12.2022 ausführlich darüber berichtet, https://nachrichten-regional.de/selbsthilfegruppe-hassloch-anlaufstelle-fuer-mobbing-opfer-wichtiger-denn-je/. Auch der ehemalige Betriebsratsvorsitzende von ProMinent hat sich an die Haßlocher Anlaufstelle für „Mobbing-Opfer“ gewandt.
Zur Geschichte des gekündigten BR-Vorsitzenden S. H.:
Im Juni 2022 war der Gütetermin mit S. H. als noch nicht gekündigter Betriebsrat. In den Folgetagen sind dann der stellvertretende BR M.G. und der BR selbst, beide standen auf Liste 1 des neu zu wählenden BR, zurückgetreten. Wie aus internen Kreisen zu erfahren war, habe M.G. zu diesem Zeitpunkt bereits kein Interesse daran gehabt, an dem Gütetermin teilzunehmen, geschweige aktiv die gewerkschaftlichen Strukturen zu unterstützen oder zu stärken. ProMinent wollte zu diesem Zeitpunkt bereits diese Betriebsratswahlen mit aller Macht verhindern.
ProMinent ist Hersteller von Dosieranlagen und Systemen für die Wasseraufbereitung mit ca. 700 Beschäftigten am Stammsitz in Heidelberg, weltweit arbeiten in den Niederlassungen etwa 2.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rainer Dulger, neben seinem Bruder Andreas Dulger und Benedikt Nagel einer der drei Geschäftsführer, ist seit dem 26.11.2020 Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Im November sei es bei ProMinent in Heidelberg zu einem Corona-Ausbruch gekommen, hat unsere Redaktion erfahren. Mehrere Mitarbeiter seinen infizierst worden, einer davon sei sogar schwer erkrankt. Nach Ansicht des Betriebsrates hätte das verhindert werden können, war weiter zu erfahren. Aber die Geschäftsführung habe den Umzug der Serviceabteilung in ein neues Büro mit viel zu kleinen Räumen gefordert. Und es sei Anwesenheitspflicht angeordnet worden.
Der Betriebsrat hatte also aus vorerwähnten Gründen seine Zustimmung zum Umzug verweigert. Daraufhin seien einige Gerichtsprozesse eingeleitet worden. Die Unterschriftenkampagne zum Offenen Brief von Günter Wallraff gegen Union Busting bei ProMinent wurde inzwischen verlängert. Es können weiterhin Unterschriften abgegeben werden. Mittlerweile hat es der offene Brief von Günter Wallraff zum Union Bustin bei ProMinent, einem Konzern aus Heidelberg, der u.a. dem Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger gehört, auch in die Presse geschafft und zwar in die Rhein Neckar Zeitung.
Wie es beim Heidelberger Unternehmen ProMinent wegen des BR-Mobbings weitergeht, behalten wir im Auge. Wir werden unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden halten.
Foto: File:Verlaufsformen Mobbing.jpg: Dergreg: / *derivative work FischX (Wikipedia)