Wenn er als Ankläger im eigenen Verfahren als Zeuge vernommen wird – Und wenn er wegen Rechtsbeugung angezeigt wurde
Nach §§ 22 ff, StPO können Richter, Protokollanten und Gutachter für befangen erklärt werden. Die Befangenheit des Staatsanwalts ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen. Er ist also nicht wie ein Richter auf Grund eines Befangenheitsantrages „austauschbar“, wenn er befangen ist. Und doch gibt es Umstände, unter denen ein Staatsanwalt nicht als Sitzungsvertreter im Gerichtsverfahren auftreten darf. So kann nach ständiger Rechtsprechung ein als Zeuge vernommener Sitzungsstaatsanwalt in derselben Hauptverhandlung nicht weiter als Anklagevertreter tätig sein. Das hat der BHG mit Beschluss vom 14.02.2018 – 4 StR 550/17 entschieden, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=81651&pos=0&anz=1
Diese bis heute ungebrochene Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, die Staatsanwaltschaft an unbefangene und objektive Tätigkeit zu binden. Sie soll – wie so oft gesagt, geschrieben und gehört – die „objektivste Behörde der Welt“ sein. Und zu Recht. Denn es ist zu verhindern, dass es zu Fehlurteilen kommt oder die Staatsanwaltschaft an Fehlurteilen mitwirkt. Der Grundgedanke der Objektivität und Unbefangenheit findet in § 160 Abs. 2 stopp seinen konkreten Niederschlag, mit dem die Staatsanwaltschaft und damit jeder Staatsanwalt bei der Tätigkeit zur Berücksichtigung belastender und entlastender Umstände gesetzlich verpflichtet ist.
Der unter Straftatverdacht stehende Staatsanwalt
Dann gibt es Fälle, in denen der Staatsanwalt Sitzungsvertreter in einer Gerichtsverhandlung ist, obwohl gegen ihn wegen des Tatverdachts der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Über diesen Fall hat ausführlich Rechtsanwalt Marson, Berlin, berichtet. Er sagt: „Sie werden denken, das geht nicht. Sie denkken falsch, denn es geht doch. Das beweist das Strafverfahren um die Chemnitzer Messerattacke im August 2018“. Rechtsanwalt Marson hatte nämlich im Auftrag seienes Mandanten gegen diesen Staatsanwalt Strafanzeige erstattet, der dann als Sitzungsvertreter im Verfahren gegen einen Angeklagten fungierte. Gegen den Mandanten von RA Marson war keine Anklage erhoben worden, da das Verfahren zuvor eingestellt wurde. Zum Verfahren wurde er allerdings geladen und verweigerte dort die Aussage im Beisein des tatverdächtigen Staatsanwaltes.
Der Zeuge darf das fordern
So wie Rechtsanwalt Marson diesen Fall darlegt, „kann im Regelfall der Zeuge sein Aussageverhalten nicht an Bedingungen knüpfen. Und dennoch tat er es, da es im konkreten Fall eine Analogie zu der Rechtsprechung zu dem als Zeugen vernommenen Staatsanwalt gibt. Hierzu wird folgende Auffassung von ihm vertreten: Ein Staatsanwalt ist an der Teilnahme einer gerichtichen Zeugenvernehmung als Sitzungsvertreter gehindert, wenn gegen ihn ein Ermittlungsverfahren, etwa wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung eingeleitet wurde und dieser Tatverdacht in einem unmittelbaren und untrennbarem Zusammenhang zu dem anhängigen Strafverfahren, dem zu vernehmenden Zeugen und dem Gegenstand der Zeugenvernehmung steht. Denn wenn die Objektivität und Unbefangenheit eines Staatsanwaltes schon dann verneint wird, wenn er als Zeuge vernommen wurde und ihm deshalb die Sitzungsvertretung im selben Verfahren verwehrt wird, muss das erst recht in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in dem der Staatsanwalt im selben Verfahren, zum gleichen Gegenstand unter Tatverdacht steht, gegenüber einem Zeugen und dem Angeklagten Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung begangen zu haben“. Und so ist wieder auf den BGH-Beschluss vom 14.2.2018 – 4 StR 550/17 zu verweisen http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=81651&pos=0&anz=1
Gesetzlicher Auftrag eines Staatsanwaltes: Er muss nicht nur gegen, sondern auch für einen Angeklagten ermitteln
Es ist also der gesetzliche Auftrag des Staatsanwaltes, nicht nur gegen, sondern auch für einen Angeklagten zu ermitteln und zu verhandeln. Er hat entlastende und belastende Beweismittel zu berücksichtigen. Dennoch hat die Befangenheit des Staatsanwaltes keine Folgen. Die rechtspolitischen Versuche, die Befangenheit des Staatsanwaltes gesetzlich zu regeln, scheiterte immer wieder. „Vielleicht auch deswegen, weil ein bisschen Verdrängung von Rechtsstaatlichkeit zur Durchsetzung von Macht einfacher ist“. Dies ist auf der Homepage der Kanzlei Oliver Marson, Berlin, vom 28.05.2022 zu lesen.