Thema soll am Donnerstag, 8. Februar 2018, auch im G20-Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft diskutiert werden
Ein halbes Jahr nach den schweren Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg werden neue Details über das Vorgehen linksextremer Gewalttäter bekannt. Demnach warnte nach NDR Recherchen eine Quelle des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) schon am Abend des 6. Juli 2017 offenbar direkt aus dem Camp der G20-Gegner im Altonaer Volkspark, dass sich autonome Gruppen konkret über Marschrouten und Gewalttaten während der Gipfeltage austauschen und absprechen würden. In den Meldungen, die das LfV am Abend des 6. Juli und in der Nacht des 7. Juli an die Hamburger Polizei übermittelte, heißt es unter anderem, dass sich Aktivisten des Camps am Morgen des 7. Juli zum Marsch in vier Demonstrationszügen, sogenannten „Fingern“, in Richtung Messehallen verabredet hätten. Die Gipfelgegner wollten demnach auf einer nördlichen und südlichen Route von Altona aus Richtung Innenstadt laufen, konkrete Wegstrecken wolle man aber erst direkt beim Aufbruch aus dem Camp am frühen Morgen verabreden. Zur besseren Kommunikation untereinander hätten die Aktivisten analoge Funkgeräte vereinbart, Telefonate oder Messenger-Dienste würden sie aus Angst vor Überwachung und Mitschnitt aber nicht verwenden.
Laut Meldung des LfV kursierte unter den Aktivisten außerdem das Wissen, dass in der Stadt an verschiedenen Orten „Sprit“, also Flüssigbrennstoff, deponiert worden sei, um Barrikaden und Autos anzuzünden. Die Aktionen seien als Vergeltung für die gewaltsame Auflösung der autonomen Demonstration „Welcome to Hell“ am 6. Juli 2017 gedacht. Nach NDR Recherchen fand die Polizei am Ende der Gipfel-Tage tatsächlich an mehreren Stellen in der Stadt geheime Depots mit Molotow-Cocktails und Pyrotechnik.
Zudem wussten die Camp-Teilnehmer laut LfV-Meldung auch, dass sich ein besonders militanter Teil der G20-Gegner am nächsten Morgen am S-Bahnhof Stellingen in der Nähe des Altonaer Volksparks versammeln würde.
Videos von Überwachungskameras des benachbarten Volksparkstadions belegen, dass am Morgen des 7. Juli gegen 6.10 Uhr ein 150 bis 200 Personen starker, einheitlich in schwarz gekleideter Zug in Richtung S-Bahnhof Stellingen marschierte. Auf ihrem Weg beging die Gruppe nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft zahlreiche Sachbeschädigungen bis sie schließlich in der Straße Rondenbarg auf eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Bundespolizei traf. Aus der Gruppe der G20-Gegner wurden Steine und Pyrotechnik auf die Polizisten geworfen, anschließend zerschlugen die Beamten den Aufzug mit großer Härte. Es gab Verletzte, 59 Personen wurden festgenommen. Im Anschluss stellte die Polizei eine Vielzahl gefährlicher Gegenstände wie Hämmer, Knallkörper, Pyrotechnik, Stahlseile sowie Vermummungsmaterial wie Sturmhauben und dunkle Sonnenbrillen sicher.
Die Hamburger Polizei bestätigt auf NDR Anfrage, dass es Meldungen des Landesamtes für Verfassungsschutz an die G20-Einsatzzentrale der Polizei gegeben habe. „Die Informationen sind in die Lagebeurteilung eingeflossen. Entsprechende Maßnahmen wurden eingeleitet“, sagt Pressesprecher Timo Zill.
Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz wollte den Vorgang auf Anfrage des NDR nicht kommentieren.
Für den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Dennis Gladiator, besteht nach den jetzt bekannt gewordenen Hinweisen auf Absprache und Planung von Gewalttaten der G20-Gegner großer Aufklärungsbedarf: „Die Hinweise zeigen deutlich, wie groß der Aufklärungsbedarf noch ist. Wir wissen, dass das Hin und Her um die Camps und die Demoverbotszone nicht hilfreich war und die Arbeit der Polizei erschwert hat. Der Senat konnte sich auf keine klare Linie einigen. Waren die politischen Rahmenbedingungen, war die politische Unterstützung ausreichend für einen solch großen Einsatz? Und vor allem wird die Frage immer konkreter, wusste man doch mehr über die Gefahren als der Bürgermeister und sein Innensenator behaupten?“, so Gladiator.
Das Thema soll am Donnerstag, 8. Februar 2018, auch im G20-Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft diskutiert werden. Nachdem in den letzten Sitzungen über die Vorbereitung des Gipfels durch Bundesbehörden und Hamburger Senat gesprochen wurde, soll es nun in einer zweiten Phase um die Geschehnisse an den eigentlichen Gipfeltagen gehen. (red.)