Heute: „Zur Sache Baden-Württemberg“ um 20.15 Uhr, im SWR-Fernsehen
Laut aktuellem SWR-Berichten ist es bei den derzeit bundesweit laufenden Wahlen von rund 60.000 Schöffinnen und Schöffen an den Amts- und Landgerichten zu Unregelmäßigkeiten gekommen. So wurden in mehreren Gemeinden Baden-Württembergs die vorgegebenen Abläufe der mehrstufigen Wahl nicht eingehalten. Zudem haben offenbar politische Extremisten versucht, sich als Kandidaten aufstellen zu lassen. Vor der Wahl hatte es entsprechende Aufrufe in einschlägigen Social-Media-Kanälen gegeben.
Mainz. Abweichend von der Verwaltungsvorgabe zur Schöffenwahl wurden in mehreren Kommunen Baden-Württembergs die Vorschlagslisten mit den Kandidatinnen und Kandidaten veröffentlicht, bevor der Gemeinderat sie überhaupt beschlossen hatte – so etwa in Gerlingen und in Offenburg. In Ingersheim (Landkreis Ludwigsburg) lief der Wahlvorgang nicht transparent ab. Eine Bewerberin beklagt gegenüber dem SWR, die Auszählungsergebnisse seien nicht mitgeteilt worden, sondern nur die Endergebnisse der Wahl. Die Gemeinde Ingersheim weist den Vorwurf zurück, räumt aber rechtliche Unsicherheiten ein. Das baden-württembergische Justizministerium bestätigt auf Anfrage: „Vereinzelt auftretende Probleme können bei einem Verfahren, das die Gemeinden nur alle fünf Jahre durchführen, selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden.“ Und es verweist auf die „besonders vielen“ Bewerberinnen und Bewerber, die sich dieses Mal um ein Schöffenamt bemühen.
Tatsächlich haben sich nach SWR-Recherchen offenbar sehr viel mehr Bürgerinnen und Bürger auf die Schöffenämter beworben als bei früheren Wahlen, nach denen teilweise Personen für das Amt verpflichtet werden mussten. So umfasst beispielsweise die in Karlsruhe ausgelegte Vorschlagsliste 701 Namen – zu besetzen sind aber nur 150 Schöffenämter. Auch in Offenburg hatte man noch bei der letzten Wahl vor fünf Jahren Mühe, alle zu vergebenen Ämter zu besetzen. Daher hatte die Stadtverwaltung vor der diesjährigen Wahl die Fraktionen im Gemeinderat dazu aufgefordert, Kandidaten vorzuschlagen. Dem kamen die Fraktionen auch nach – inklusive der AfD, die zunächst drei Kandidaten auf die Liste setzen ließ, bei denen Gemeinderäte Zweifel an deren Verfassungstreue haben.
Andreas Höhne, Sprecher des Bundesverbandes der ehrenamtlichen Richter hält das Vorgehen der Offenburger Stadtverwaltung für problematisch: „Die Gefahr ist da ganz klar, wenn sich die Leute bewerben, dann haben wir solche Leute auch auf den Sesseln sitzen. Auf den Kommunen liegt schon eine richtige Verantwortung, denn die schauen drüber: Ist der als Schöffe denn tragbar.“
Bereits vor der Wahl hatten rechte Gruppierungen in Social-Media-Kanälen Mitglieder dazu motiviert, Schöffe zu werden. So riefen die „Querdenker Schwäbisch Hall“ auf Telegram dazu auf, sich für das Schöffenamt zu bewerben. Auf der Telegram-Seite „Stuttgart Widerstand“, die unter anderem für Demos der sogenannten „Querdenker“ wirbt, wurden entsprechende Wahlaufrufe der rechtsextremen Partei „Freien Sachsen“ geteilt.
Claudia Kitzig vom Landesverband der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen e.V. glaubt dagegen an den Erfolg der eigenen Werbekampagne, die unter dem Motto „Wir schöffen das“ lief. Die langen Vorschlagslisten stelle die Kommunen in diesem Jahr „vor neue Herausforderungen“.
Sendehinweis: Zur Sache Baden-Württemberg berichtet am 15.6. um 20.15 über das Thema im SWR-Fernsehen
Quelle: SWR-Recherche-Team Mainz