Aserbaidschan-Affäre: Lobbyarbeit durch Bundestagsabgeordnete intensiver als bisher bekannt.- Neue Erkenntnisse über Politiker aus Baden-Württemberg – Politische Absprachen mit aserbaidschanischer Botschaft
Mainz. Die Lobbyarbeit mehrerer Bundestagsabgeordneter für das autokratische Regime in Aserbaidschan war weitreichender als bisher bekannt. Nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR) haben die damaligen baden-württembergischen CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel, Olav Gutting, Eberhard Gienger und Axel E. Fischer sowie der damalige Thüringer Abgeordnete Mark Hauptmann im Dezember 2019 mit einem „Protestbrief“ versucht, Druck auf das Auswärtige Amt auszuüben. In dem Brief, der dem SWR vorliegt, geht es um den Konflikt um die Region Berg-Karabach. Das Gebiet ist zwischen Aserbaidschan und Armenien umkämpft. Die Abgeordneten fordern darin eine „Klarstellung“ zum Berg-Karbach Konflikt und zum behaupteten „völkerrechtswidrigen“ Handeln Armeniens.
Bisher war lediglich bekannt, dass vier der fünf Abgeordneten im September 2019 wortgleiche Anfragen zu dem Thema im Bundestag gestellt hatten. Der SWR hatte zuletzt berichtet, dass die Initiative dafür unmittelbar von der aserbaidschanischen Botschaft ausging. In einer Mail schrieb ein Botschafts-Mitarbeiter an den Bundestagsabgeordneten Eberhard Gienger: „Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diese Angelegenheit verfolgen und zusammen mit Herrn Löbel mögliche Reaktionen des Bundestages auf die armenische Vorgehensweise prüfen würden.“ Gegenüber dem SWR bestritten die beteiligten Abgeordneten nicht, dass es diese Anfragen und Absprachen dazu gab. Sie betonten jedoch, sie hätten keine finanziellen Vorteile dadurch erhalten.
Das Auswärtige Amt hat dem SWR den Eingang des Briefs vom Dezember 2019 bestätigt. Darin beklagten die damaligen Bundestagsabgeordneten, die zuvor erfolgten Antworten der Bundesregierung seien “nur ausweichend” gewesen. Erneute Anfragen des SWR, ob die Initiative für diesen Brief ebenfalls von der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin ausging, ließen die Politiker unbeantwortet.
Der Honorarkonsul aus Stuttgart
In der SWR-Dokumentation („Die Aserbaidschan-Connection und der Südwesten“, 8.7.2021, 21:00 Uhr im SWR Fernsehen) geht es auch um den ebenfalls aus Baden-Württemberg stammenden Otto Hauser. Er war unter Helmut Kohl Regierungssprecher und ist mittlerweile Honorarkonsul von Aserbaidschan. In dieser Funktion organisiert er Wirtschaftstreffen oder auch Reisen von Politikern nach Aserbaidschan. Nach Recherchen des SWR spielte Hauser eine Rolle, als die Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus aus Aserbaidschan im Jahr 2013 einen Preis der Stadt Esslingen bekommen sollte. In der Dokumentation schildert der Oberbürgermeister der Stadt, Jürgen Ziegler, Otto Hauser habe versucht, die Preisverleihung zu verhindern. Dieser habe ihm in einem Telefonat „vorwurfsvoll dargelegt“, dass die Aktivistin „eine völlig unbedeutende Rolle spielen würde und dass man mit der Preisverleihung den aserbaidschanischen-deutschen Beziehungen und insbesondere den Wirtschaftsbeziehungen schaden würde.“
Otto Hauser ließ eine SWR-Anfrage zu dem konkreten Telefonat unbeantwortet, ließ allerdings schriftlich bestreiten, dass er versucht habe, auf die Preisverleihung Einfluss zu nehmen. Den Preis hat die Aktivistin letztendlich bekommen.
Günther Oettinger und aserbaidschanisches Gas
In der SWR-Dokumentation wird auch die Rolle von Ex-EU-Energiekommissar Günther Oettinger beleuchtet. Er besuchte in der Vergangenheit mehrfach den aserbaidschanischen Machthaber Alijew und sprach sich immer wieder sehr deutlich für den Bau einer Gaspipeline von Baku nach Europa aus. Diese wurde trotz großer Proteste von Umweltschützern Anfang 2021 fertig gestellt. Damit besteht eine direkte Verbindung von Aserbaidschan nach Italien und damit ins europäische Netz. Nach SWR-Recherchen war am Bau auch die Firma Herrenknecht AG aus Baden-Württemberg beteiligt. Das Spezialunternehmen bestätigte, dass man Tunnel für die Pipeline gebaut habe. Seit Ende 2020 ist Günther Oettinger stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Herrenknecht AG und damit für ein Unternehmen tätig, dass am Pipelinebau mitverdient hat. Fragen zu seiner Rolle beim Pipelinebau ließ Günther Oettinger unbeantwortet.
Menschenrechte und Aserbaidschan
Aserbaidschan und der Autokrat Ilham Alijew stehen in der Kritik, gegen Menschenrechte zu verstoßen und die Pressefreiheit zu missachten. Das Land steht im Presseranking von Reporter ohne Grenzen auf einem der letzten Plätze. Zudem gibt es seit der Wahl von Alijew im Jahr 2003 zahlreiche Berichte über massiven Wahlbetrug.
Das Regime in Aserbaidschan steht zudem seit langem im Verdacht, westliche Politiker, auch in Deutschland, bezahlt zu haben, damit diese sich in den Parlamenten für die Interessen des Landes einsetzen. Hierzu laufen Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München wegen Bestechlichkeit, unter anderem gegen den Abgeordneten Axel E. Fischer.
Quelle: SWR