Disziplinarverfahren gegen zwei Koblenzer Polizisten, die auf der Dienststelle von einem Bürger jeweils 400 Euro in bar kassierten Mainz. Polizisten in Rheinland-Pfalz treiben nach erlittenen Körperverletzungen oder Beleidigungen im Dienst vermehrt außergerichtlich Schadenersatz oder Schmerzensgeld direkt von mutmaßlichen Tätern ein. Nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR) hat allein die Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz (GdP) in diesem Jahr von fast 800 Personen entsprechende Zahlungen verlangt – im Auftrag von Mitgliedern. Ein Grund ist offenbar, dass sich viele Polizisten von der Justiz im Stich gelassen fühlen. Kritiker sehen allerdings die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern belastet werden könnte. In einem Fall in Koblenz haben nach SWR-Recherchen zwei Polizisten während ihres Dienstes und in Uniform jeweils 400 Euro in bar von einem Bürger kassiert. Ausgangspunkt war eine Polizeikontrolle am 26. Mai 2018. Ein alkoholisierter 28-jähriger Mann soll sich zur Wehr gesetzt und zwei Polizeibeamte beleidigt und leicht verletzt haben. Eine Woche später suchten die beiden Beamten – während ihrer Dienstzeit und in Uniform – den Mann zu Hause auf und forderten jeweils 400 Euro Entschädigung. Der Mann bezahlte das Geld später in bar auf einer Polizeidienststelle. Auf Anfrage des SWR teilte das Polizeipräsidium Koblenz mit, dass gegen die beiden Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, weil private und dienstliche „Handlungen“ vermischt worden seien. Auch die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte in dem Fall wegen des „Verdachts der Nötigung“ ermittelt. Das Verfahren sei jedoch eingestellt worden, da nicht nachzuweisen gewesen sei, dass die Beamten „den 28-jährigen Mann mit Gewalt oder durch Drohung“ zu der Geldzahlung veranlasst hätten – so die Staatsanwaltschaft in einer Stellungnahme. Im Interview mit dem SWR distanzierte sich die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz (GdP), Sabrina Kunz, von dem Vorgehen der beiden Beamten in Koblenz: „Das ist für mich ein Sachverhalt, der geht gar nicht (…). Da muss man am Ende auch eingreifen und die Beamten zur Ordnung mahnen“. Grundsätzlich verteidigt sie die außergerichtliche Einforderung von Entschädigungsleistungen. „Wir erleben schon seit vielen, vielen Jahren, dass die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zugenommen hat (…) Und in Fällen, wo sie früher vielleicht gesagt haben, das nehme ich jetzt mal so hin, neigen sie heute eher dazu, so etwas zur Anzeige zu bringen.“ Die GdP Rheinland-Pfalz biete ihren Mitgliedern als Serviceleistung an, Entschädigungszahlungen direkt bei mutmaßlichen Tätern einzufordern. Die Zahl entsprechender Schreiben ist von 314 im Jahr 2016 auf 616 (2017) und nun 789 (Stand: 17.12.2018) gestiegen. In etwa der Hälfte der Fälle wurden die Zahlungen laut GdP anstandslos geleistet. In einem internen Papier aus dem Jahr 2017, das dem SWR exklusiv vorliegt, kritisiert die GdP zudem die Justiz. Diese tendiere in Strafverfahren, in denen auch Schmerzensgeldansprüche von Polizisten geregelt werden können (so genanntes Adhäsionsverfahren), zu einer „‚Entpersönlichung‘ von Polizeibeamten als Amtswalter“. Weiter heißt es: „Provokante Hypothese: Staatsanwaltschaften und Gerichte wollen diese Verfahren gerade von Polizeibeamten nicht“. Damit konfrontiert sagte die GdP-Landesvorsitzende Kunz, die seit Oktober neu im Amt ist: „So pauschal würde ich das nicht unterstreichen. Deswegen steht es aber auch in Anführungszeichen da drauf“. Generell sei es aber ein Trend, dass Gerichte Beleidigungen und Angriffe auf Polizeibeamte als „Berufsrisiko“ sähen. Der Kriminologe Prof. Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum kritisiert im Interview mit dem SWR die in dem GdP-Papier vertretene Sichtweise: „Da werden Halbwahrheiten verbreitet. Das Adhäsionsverfahren ist generell zwar problematisch. Das hat aber nichts mit Polizeibeamten zu tun. Die GdP kritisiert die Justiz, um selbst mit ihren Anwälten solche Forderungen für Beamte stellen zu können und sich letztlich attraktiv für neue Mitglieder zu machen.“ Die steigenden Entschädigungsforderungen sieht er generell kritisch: „Wir beobachten, dass solche Forderungen zunehmend als repressives Instrument eingesetzt werden, etwa gegen linke Demonstranten. Es besteht die Gefahr, dass dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgern belastet wird.“ Das rheinland-pfälzische Innenministerium hat inzwischen verschärfte Regeln eingeführt, wie mit Entschädigungsforderungen zu verfahren ist. In einem internen Merkblatt heißt es unter anderem, Beamte sollten Ansprüche nicht durch persönliches Aufsuchen von Bürgern und Barzahlungen durchsetzen. Weiter heißt es: „Neben der Gefahr des Ansehensverlustes für die Polizei kann hierdurch straf- oder disziplinarrechtliche Relevanz entstehen“. (red.)