Forschungsteam des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld erarbeitet eine Expertise
Seit Mai 2020 liegt eine Expertise des Forschungsteams des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld vor, die unter der Leitung des Institutsleiter Prof. Dr. Andreas Zick gemeinsam mit Michael Papendick, Yann Rees und Fransziska Wäschle erarbeitet und von der Freudenberg-Stiftung https://www.freudenbergstiftung.de/de/ gefördert wurde. Das Forschungsteam hat das Thema „Hass und Angriffe auf Medienschaffende“ durchleuchtet und die Erfahrungen in eine Studie gefasst. Für diese Untersuchung wurden 322 Medienschaffende anonym befragt. Das Ergebnis ist erschütternd.
In der Studie vom IKG heißt es u.a.: „Mit der vorliegenden Studie wird verdeutlicht, dass Journalist*innen in Deutschland in hohem Ausmaß von Hass und Anfeindungen betroffen sind. 59,9 Prozent der befragten Journalist*innen haben angegeben, in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal angegriffen worden zu sein. 68,6 Prozent sind der Ansicht, dass Angriffe auf journalistische Beiträge in Deutschland in den vergangenen 12 Monaten insgesamt zugenommen haben. Unter Angriffen versteht die Studie alle Arten von hasserfüllten Reaktionen, die Medienschaffende inihrem Berufsalltag erleben – von Beleidigungen über Anfeindungen bis hin zu Aufrufen zu Gewalt und/oder Straftaten. Erfasst wurden darüber hinaus auch erlebte körperliche Gewalt und Morddrohungen. 16,2 Prozent aller Befragten berichten, in ihrem Berufsleben schon einmal körperlich angegriffen worden zu sein.15,8 Prozent geben an, dass sie schon einmal eine Morddrohung erhalten haben.
Die Studie erfragte zudem, ob es aus Sicht der Medienschaffenden Themen gibt, die besonders häufig Angriffe durch das Publikum zur Folge haben. Als „Hot Topics“ benennen die Befragten insbesondere die Themen „Migration“, „AfD“ und „Flüchtlinge“. Der überwiegende Teil der von Hass Betroffenen ordnet die Anfeindungen gegen Journalist*innen einem rechten politischen Spektrum zu (82,4 %). Knapp zwei Drittel aller Befragten (63,9 %) sind der Ansicht, dass Angriffe auf Medienschaffende durch politische Akteure in Deutschland insgesamt zunehmen. Sie benennen dabei als Aggressor explizit die AfD. Die Folgen von Hass und Angriffen auf Medienschaffende zeigten sich vor allem auf der persönlichen Ebene: Viele Befragte berichten von psychischen Belastungen und der Sorge vor einer weiteren Zunahme von Angriffen. Fast zwei Drittel aller Befragten (62,0 %) sehen die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland in Gefahr. Viele Teilnehmer*innen (52,3 %) äußern Verständnis dafür, wenn Kolleg* innen aus Sorge vor Angriffen nicht über bestimmte Themen berichten.Um den Hassbotschaften zu begegnen, bieten Redaktionen Unterstützung für betroffene Journalist*innen an, etwa in Form von Beratung oder eines Rechtsbeistands. Diese Angebote werden von Betroffenen als hilfreich wahrgenommen. Vor besonderen Herausforderungen stehen freie Medienschaffende ohne redaktionelle Anbindung.
Viele Befragte fordern einen konsequenteren Umgang mit Hate Speech von Polizei und Strafverfolgung. Zudem sprechen sie sich für mehr öffentliche Solidarität und Unterstützung von politischer Seite aus, damit die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland gewahrt werden kann“.