Netzwerk mit Betriebsräten aus Baden Württemberg gegründet
Die Haßlocher Selbsthilfegruppe „Lebensfreude“ bleibt weiterhin Anlaufstelle für „Mobbing-Opfer“. Ihr Bekanntheitsgrad reicht weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus. Viele „Mobbing-Opfer“ hatten sich bereits Hilfe geholt. Im vergangenen Monat hat ein gekündigter Betriebsratsvorsitzender eines Heidelberger Unternehmens mit der Haßlocher Selbsthilfegruppe „Lebensfreude“ den Kontakt aufgenommen und um Hilfe gebeten. Denn die SHG ist bereits seit über 10 Jahren Anlaufstelle für „Mobbing-Opfer“ und Ratsuchende. Kurz nach der Kontaktaufnahme fand bereits ein erstes Treffen mit ehemaligen Betriebsräten in Karlsruhe statt. Schnell wurde während des Gespräches klar, dass ein Netzwerk aufgebaut werden muss, um die „Mobbing-Täter“ öffentlich zu machen. Wichtig sei dabei der Erfahrungsaustausch, erklärte die Leiterin Karin Hurrle, die sich über eine Vernetzung mit Gleichgesinnten freut. Denn Mobbing mache krank, führe zu Depressionen und schränke die Leistungsfähigkeit u.a. am Arbeitsplatz ein, berichtet sie aus eigener Erfahrung. Bereits jugendliche Mobbing-Opfer hätten vermehrt Selbstmordgedanken, wurde im gemeinsamen Gespräch verdeutlicht.
Der „gemobbte“ und gekündigte Betriebsrat des Heidelberger Unternehmens ProMinent, der seine Gründe im Einzelnen darlegen konnte, wies auf die Problematik in diesem Unternehmen hin und auf seine fristlose Kündigung, die von Richterin Andrea Lehner bei der gestrigen Verhandlung (01.12.2022) vor dem Amtsgericht Heidelberg wieder aufgehoben wurde. NACHRICHTEN REGIONAL berichtete über diese Verhandlung am 1. Dezember 2022.
Fazit dieses gemeinsamen Gespräches war, ein Netzwerk aufzubauen, sich gegenseitig zu unterstützen, zu stärken und mit solch dramatischen Fällen an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf keinen Fall darf ein gewonnener Arbeitsgerichtsprozess für den Betroffenen dazu führen, dass er anschließend im Unternehmen seinen Arbeitsplatz in der „Besenkammer“ einnehmen muss. „Daher kann dies nur heißen, weiterhin ein Auge auf solche Missstände zu werfen und sich gegen solche Strukturen in Unternehmen zur Wehr zu setzen“, erklärt die Fachfrau. Und sie weiß wovon sie spricht.

Von Forschern wurde nachgewiesen, dass von Mobbing betroffene Menschen ein wesentlich höheres Risiko ausgehe, an Depressionen zu erkranken, als Menschen, die mit ihrer Arbeit und dem Arbeitsumfeld im Allgemeinen zufrieden sind. Das geht auch aus einer Studie der Freien Universität Berlin hervor. Die Wissenschaftler haben 4.300 Beschäftigte aus unterschiedlichen Bundesländern befragt. Sie sind u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Mobbing der Führungsstil von Vorgesetzten im Unternehmen spielt. EU-weit sind nach derzeitigen Schätzungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz etwa zwölf Millionen Menschen von Mobbing betroffen, Tendenz steigend.
Bereits am 31.03.2015 hatte die VdK-Zeitung auf den Leistungsdruck am Arbeitsplatz verwiesen, u.a. durch psychischen Stress. Die Techniker Krankenkasse (TK) hatte dabei auf alarmierende Zahlen aus dem Jahre 2006 hingewiesen. Die IG Metall forderte damals bereits eine gesetzliche Anti-Stress-Verordnung. Es fehlten Vorsorgemaßnahmen für psychischen Stress. Doch bei vielen Arbeitsgebern sind Depressionen durch „Mobbing“ auch ein Tabu-Thema, heißt es weiter im gemeinsamen Gespräch mit Baden-Württembergs ehemaligen Betriebsräten. „Das muss sich ändern“, erklärt Karin Hurrle, die als wichtigstes Instrument die Öffentlichkeitsarbeit sieht. „Leider ist es allerdings so, dass sich verschiedene Medien einen „Maulkorb“ verpassen lassen, und über dieses Tabu-Thema deshalb auch nicht berichten“, bedauert sie an dieser Stelle. Auch Journalistinnen und Journalisten sollten dafür kämpfen, dass die Pressefreiheit – egal um welches Thema es dabei geht – erhalten bleibt. Denn die Presse- und Meinungsfreiheit sei ein Teil der Demokratie, wofür immer wieder aufs Neue gekämpft werden müsse.
Wer Fragen zum Thema „Mobbing“ hat oder den Erfahrungsaustausch sucht, kann sich an die Haßlocher Selbsthilfegruppe „Lebensfreude“ unter info@lebensfreude-selbsthilfe.de oder Telefon 0170 / 2784 150 wenden.