Die Geschichte muss an nächste Generationen überliefert werden
Das Jahr 2022 war geprägt von vielen Dauerausstellungen über die NS-Zeit und ihre Opfer, die im NS-Regime ums Leben kamen. Unsere Redakteurin hatte u.a. die Ausstellungen in Worms (Rheinland-Pfalz), Ravensburg (Baden-Württemberg) und Bernburg (Sachsen-Anhalt) besucht. Seit dem Jahre 2009 gibt es einen Förderverein Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße. Zum Vorsitzenden wurde der evangelische Diakon Eberhard Dittus gewählt, der seit vielen Jahren im Bereich der Friedensarbeit der Evangelischen Kirche der Pfalz tätig war. In einem Gefängnis der ehemaligen Turenne-Kaserne (heute: Quartier Hornbach) ist diese Gedenkstätte für NS-Opfer untergebracht. Die Gedenkstätte erinnert seit 2013 an die frühen Opfer der Nationalsozialisten unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung von 1933. In ihrer Ausgestaltung ist die Gedenkstätte das einzige Mahnmal dieser Art in der Pfalz. Am 7. November 2021 wurde der Förderverein mit dem Kulturpreis 2021 der Stadt Neustadt ausgezeichnet; die Laudatio hielt damals Oberbürgermeister Weigel. Auch der damalige Justizminister Jochen Hartloff hielt eine Eröffnungsrede. In einem Youtube-Video von Neustadt a.d. Weinstraße erinnert der Förderverein nochmals an die Geschichte, https://www.youtube.com/watch?v=lVTsrE3j610
Die Geschichte der NS-Zeit hat auch in Neustadt viele Spuren hinterlassen
Am 10. März 1933, gut einen Monat nach der „Machtergreifung“ Hitlers, richteten die Nationalsozialisten in einem anderen Teil der Kaserne eines der sogenannten „frühen Konzentrationslager“ ein, die sie beschönigend als „Schutzhaftlager“ bezeichneten. Kommandant war Adam Durein, der am 1. November 1930 der NSDAP beigetreten war und laut WIKIPEDIA am 22. September 1932 SA-Standartenführer wurde. Ein nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren – der Vorwurf lautete „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gefährliche Körperverletzung“ – wurde am 6. März 1950 durch das Landgericht Frankenthal gegen ihn wegen Todes eingestellt. Todesursache soll die Spätfolge eines 1941 erlittenen Autounfalls gewesen sein. Unter seiner Führung sollen die Menschen im Lager von SA-Leuten bewacht und schikaniert worden sein, vor allem Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter sowie Kirchenvertreter. Prominente Opfer waren etwa der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Neustadter Stadtrat, Gustav Weil (1871–1941) und Oswald Damian (1889–1978), regimekritischer evangelischer Pfarrer aus Pirmasens. Das Foto, das sich im Archiv der Stadt Neustadt befindet, zeigt Weil, der auch Vorstandsmitglied der israelitischen Kultusgemeinde war, beim erzwungenen Straßenkehren unter Bewachung.
Die NS-Verfolgungen: Immer das gleiche System
Nicht nur die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße gibt viele Einblicke über das NS-Regime. Auch in Ravensburg und Bernburg konnte unsere Redakteurin erkennen, dass diese Verfolgungen immer im gleichen System erfolgten. NACHRICHTEN REGIONAL hat mehrmals darüber berichtet. So hat die Stiftung in Sachsen-Anhalt den Auftrag übernommen, dass das Wissen um die einzigartigen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur im Bewusstsein der Menschen bewahrt und weitergetragen wird. Sie will über die schweren Menschenrechtsverletzungen während der Zeiten der sowjetischen Besatzung und der SED-Diktatur aufklären. An acht solcher Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt soll an solche Verbrechen erinnert werden. An einem Beispiel, der Mahn- und Gedenkstätte in Bernburg, wollen wir die NS-Euthanasie“ und die Geschichte für unsere Leserinnen und Leser nochmals anhand eines kleinen Rundgangs durch die Gedenkstätte Revue passieren lassen, siehe Bericht vom 29.07.2022 https://nachrichten-regional.de/gedenkstaette-fuer-opfer-der-ns-euthanasie-in-sachsen-anhalt/
Ravensburg: Psychisch kranke und behinderte Menschen wurden von den Grauen Bussen zur Tötungsanstalt Grafeneck gebracht
Auch in Ravensburg sind kranke und geistig behinderte Menschen durch das NS-Regime ums Leben gekommen. An Gedenkorten in Ravensburg wird auf die Täter aufmerksam gemacht. Im Stadtarchiv von Ravensburg gibt es ein Gedenkbuch und weitere Literatur, um die Leserinnen und Leser an die Geschichte der NS-Gewalt und die Deportierung in die Vernichtungsanstalt in Grafeneck zu erinnern. Von 1933 bis 1945 sind mehr als 5.000 Menschen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden. Wie an vielen Orten wurden die NS-Verbrechen auch in Ravensburg durch zahlreiche Publikationen öffentlich gemacht. Es wurden in Ravensburg wegen seiner spezifischen Vergangenheit und auch Verantwortung zahlreiche Mahnmale und Erinnerungsstätten errichtet, die an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft erinnern sollen. Durch die „Euthanasie-Aktion T4“ wurden aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Weißenau zwischen Mai und Dezember 1940 mindestens 677 Patienten in die Vernichtungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb mit den Grauen Bussen deportiert. All diese Opfer wurden als „lebensunwert“ eingestuft. Und hier der Bericht vom 24.08.2022 dazu https://nachrichten-regional.de/gedenkstaetten-in-ravensburg-erinnern-an-euthanasie-der-aktion-t4-fielen-mehr-als-5-000-menschen-zum-opfer/.
Heimatforscher Ludwig Zimmermann klärt in seinem BUCH umfassend auf – Und viele Menschen hören ihm zu
Und es gibt den Historiker und Heimatforscher Ludwig Zimmermann, der im Kreis Ravensburg lebt und ein Buch über die Aufarbeitung des Nationalsozialismusses geschrieben hat. In seinem Buch geht der in Wolperswende (Kreis Ravensburg) lebende Zimmermann auf den Nationalsozialismus in Oberschwaben ein. Gegenüber SWR Aktuell vom 10.05.2022 erklärte er, dass er lange geglaubt habe, dass die ländliche Region Oberschwabens weit weg von der Nazi-Ideologie sei. Bevor er zu schreiben begonnen habe, sei er der Meinung gewesen, dass es diese riesige Begeisterung für das „Dritte Reich“ im Raum Oberschwaben nicht gegeben habe. Doch seine Recherchen sagen etwas anderes aus. Und er erzählt der Moderatorin vom SWR, Thea Thomiczek weiter: „Ein markantes Beispiel ist die des Mochenwangener Arztes und Nazis Dietrich Walcher. Noch Ende der 1980er-Jahre wurde der Arzt zum Ehrenbürger ernannt. Schon damals habe ich davor gewarnt“, so das Interview von Zimmermann mit SWR Aktuell, siehe https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/buch-von-ludwig-zimmermann-oberschwaben-im-nationalsozialismus-110.html. Das Buch von Ludwig Zimmermann mit dem Titel „Das katholische Oberschwaben im Nationalsozialismus, zwischen Begeisterung, Anpassung und Widerstand“ ist erschienen im Verlag Eppe, Bergatreute/Aulendorf. Das großformatige und reich bebilderte Buch hat 440 Seiten und kostet 30 Euro.
Das Buch ist u.a. bei AMAZON unter ISBN 103890891578 erhältlich. Es beschreibt die Kurzgeschichte wie folgt:
„Mit schonungsloser Offenheit deckt der in der Region bekannte Heimatforscher zahlreiche Verbrechen auf und nennt Verbrecher, die in der NS-Zeit häufig auch aus Oberschwaben kamen, mit Namen. Sein besonderes Augenmerk gilt dem Kampf der katholischen Organisationen und vieler Geistlicher aus dem Umfeld des im Oberland aufgewachsenen „Bekennerbischof“ Joannes Baptista Sproll, der auf Jugend- und Bekenntnistagen vor zehntausenden den Mythos der Nazis mutig anprangerte. Neben den schweren Verbrechen aufgrund der Rassengesetze lenkt der langjährige Kommunalpolitiker den besonderen Blick auf Vorgänge in den Dörfern und Kleinstädten und zeigt am Beispiel der völlig misslungenen Säuberung nach 1945 auf, dass die Spuren des Leugnens und Verdrängens bis in die Gegenwart reichen und das aktuelle Geschehen mit beeinflussen“.
Wir werden die Geschichte der NS-Zeit weiterhin verfolgen. Über weitere Dauerausstellungen werden wir unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden halten und auch darüber berichten.