Anwalt will sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, wenn Rechtsmittel in Russland ausgeschöpft sind
Mainz. Laut Aussagen von Alexej Nawalnys Anwalt, Vyacheslav Gimadi, weigert sich die zuständige russische Gerichtsbarkeit in Moskau Ermittlungen zur Vergiftung des Kreml-Kritikers anzustoßen. Gimadi führt das Anwaltsteam in Nawalnys Anti-Korruptions-Netzwerk.
Dem SWR sagte Gimadi: „Aktuell werden keine Ermittlungen geführt, obwohl die in solchen Situationen gesetzlich vorgeschrieben sind.“
Laut Gimadi habe das Anwaltsteam direkt nach Bekanntwerden der Vergiftung am 20.08.20 Anzeige erstattet. Das zuständige Ermittlungskomitee hätte sich dann binnen drei Tagen für eine Ermittlung oder dagegen entscheiden müssen. Tatsächlich sei jedoch gar keine Reaktion erfolgt, woraufhin der Anwalt eine Klage bei der nächsthöheren Instanz eingereicht habe. Dabei habe Gimadi erfahren, dass die Unterlagen lediglich an eine Polizeidienststelle nach Novosibirsk weitergeleitet worden seien. Die für Delikte im Transportwesen zuständige Polizeieinheit habe dann auch kurz Vorermittlungen geführt, diese jedoch wieder eingestellt. Gimadi bezweifelt die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens, da die zuständige Stelle gehandelt habe, „als sei das nur ein Appell eines Bürgers und keine offizielle Anzeige wegen einer Straftat.“
Die Klage zur Einleitung von Ermittlungen sei in der ersten Instanz gescheitert, erklärt Gimadi. Daraufhin habe sein Team und er am 07.09.20 Klage bei der nächsten Instanz, dem Moskauer Stadtgericht, eingereicht. Tatsächlich würden immer noch keine Ermittlungen geführt. Sollte auch diese Klage abgewiesen und keine Ermittlungen geführt werden, kündigt Nawalnys Anwalt an, sich direkt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. Dieser Gerichtshof hatte auch – nach Anrufung durch Julia Nawalny – die russische Regierung dazu verurteilt, ihren Ehemann Alexej Nawalny nach Berlin ausfliegen zu lassen.
Da Russland die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat, ist es verpflichtet, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen.
Quelle: SWR Recherche-Unit