„Panorama“: Donnerstag, 17. Dezember, 21.45 Uhr, Das Erste
Nach einer Serie von Gewalttaten im Berliner Krankenhaus des Maßregelvollzugs (KMV) machen Mitarbeitende dafür „akuten Personalmangel“ und „dauerhafte Überbelegung“ verantwortlich. Das geht aus einem Brandbrief hervor, den mehrere ärztliche Abteilungsleiterinnen und -leiter des größten deutschen Maßregelvollzugs an die zuständige Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci im März 2020 geschickt haben. Das Schreiben liegt dem ARD-Magazin „Panorama“ (NDR) und der „Zeit“ vor. Darin heißt es, man sei gezwungen, „auch sehr gefährliche Patienten auf personell unterbesetzten und räumlich ungeeigneten Stationen zu betreuen.“ Die Gefährdung von Mitpatienten und Mitarbeitern sei deutlich gestiegen, warnen die Ärzte.
Laut interner Zahlen aus dem KMV soll es dort allein 2019 rund 180 Angriffe auf Mitarbeitende gegeben haben, von Körperverletzungen bis hin zu versuchtem Totschlag. In diesem Jahr seien sogar bereits 300 Übergriffe gemeldet worden.
Die Ärztinnen und Ärzte haben sich dann wegen ausbleibender Antwort der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci im Juli mit ihrem Brandbrief auch an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller gewandt und berichteten, wie „katastrophal“ die Situation sei. Sie könnten die Verantwortung dafür nicht mehr übernehmen. Vorausgegangen war ein Vorfall im Februar dieses Jahres, bei dem eine Ärztin von einem Patienten fast getötet wurde. Eine Antwort von Müller haben die Ärztinnen und Ärzte nicht erhalten.
Auf Anfrage von „Panorama“ und „Zeit“ teilt der Regierende Bürgermeister Müller mit, er habe den Brief an die Gesundheitssenatorin weitergeleitet und darum gebeten, dem Vorgang nachzugehen. Senatorin Kalayci erklärt auf Anfrage zu dem Brandbrief: „Das Schreiben ist bekannt und wurde berücksichtigt.“ Auf weitere Fragen von „Panorama“ und „Zeit“ hin räumt sie den Personalmangel ein: Er liege einerseits am Anstieg der Einweisungen und andererseits in der „Bewerberlage“, die „schwierig“ sei. Die Zahl der Übergriffe auf das Personal könne die Senatsverwaltung nicht nachvollziehen. Man habe die Weichen für „den Ausbau weiterer Vollzugshäuser“ gestellt.
Nach den Recherchen von „Panorama“ und „Zeit“ haben zahlreiche Ärzte und Psychologen aufgrund der Mängel gekündigt, was die Situation weiter verschärft. Ein zusätzliches Problem hat der Berliner Maßregelvollzug mit eingeschmuggelten Drogen aufgrund mangelnder Kontrolle. Insbesondere auf der Suchtstation, eine der größten Deutschlands, ist es laut Ärzten und ehemaligen Patienten kein Problem, an Suchtmittel aller Art zu kommen. Auch für die nicht ausreichende Kontrolle sehen sie die Ursache in Personalmangel und Überbelegung.
Im Maßregelvollzug interniert werden Straftäter mit verminderter Schuldfähigkeit, etwa aufgrund von psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen. Sie sollen hier auch therapiert werden. Viele der Täter haben schwere Gewalttaten begangen.
Quelle: NDR