Rücktrittsforderungen gegen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki werden immer lauter – Woelki bittet in seiner Weihnachtsandacht um Verzeihung
Kardinal Rainer Maria Woelki hat nach scharfer Kritik an ihm im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln in seiner Weihnachtsandacht um Verzeihung gebeten, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 25.12.2020. Seit November 2020 wird ihm sein Rücktritt nahegelegt. Der Kardinal steht seit längerer Zeit in der Kritik, weil er ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln unter Verschluss hält. DIE ZEIT berichtete in ihrer Ausgabe 49/20 am 27.11.2020 https://www.zeit.de/2020/49/missbrauch-katholische-kirche-kardinal-maria-woelki ausführlich darüber. Kritik wurde gegen Woelki auch deshalb erhoben, weil er vor zwei Jahren ein Versprechen abgegeben hat, „ungeschönt und ohne falsche Rücksichten“ aufzuklären und Verantwortliche zu benennen, was allerdings von ihm bisher nicht eingehalten wurde, weil er das 500seitige Gutachten weiterhin unter Verschluss halten will. In dem Gutachten werden von Anwälten Kirchenhierarchien gerügt, die eben diese Missbrauchsfälle vertuschen wollen.
Zur Aufklärung des Missbrauchs im Bistum Köln wurde eigens ein Betroffenenbeirat gegründet, dem neun Mitglieder angehören. Karl Haucke und Patrick Bauer, die Sprecher dieses Gremiums sind und lobenswerte ehrenamtliche Arbeit zur Aufklärung leisteten, damit das Gutachten erstellt werden konnte, sind mittlerweile aus dem Betroffenenbeirat ausgetreten. Sie machen Kardinal Woelki laut Bericht in ZEIT ONLINE vom 27.11.2020 schwere Vorwürfe. Haucke und Bauer fordern „dass die Untersuchung wegen der Vertuschung von Missbrauch veröffentlicht wird“. Beide wünschten sich, dass Betroffene endlich ernst genommen werden. Auf die Sachargumente von Beiden gehe Woelki nicht ein. Haucke und Bauer wollen daher nicht mehr weiter hinnehmen, dass Kardinal Woelki weiter über Dinge entscheidet, von denen er keine Ahnung hat oder haben will. Entscheidungen dieses Kardinals über Betroffenen-Politik wollen Beide auch nicht mehr länger akzeptieren. „Zumindest diesen Teil seines Jobs sollte er abgeben“, so die weitere Forderung. „Aber bitte nicht an Generalvikar Hofmann, der auch keine Ahnung hat. Beide schützen das System Kirche, nicht die Betroffenen sexueller Gewalt“, heißt es weiter.
Über die Betroffenen:
Karl Haucke ist 69 Jahre alt und war bis vor Kurzem Mitglied und Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln. Als Kind wurde er in einem katholischen Internat über Jahre sexuell missbraucht. Vor seiner Berentung arbeitete er als Sozialpädagoge und Hochschullehrer. Er engagierte sich bis zu seinem Austritt im Betroffenenbeirat als Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung.
Patrick Bauer ist 51 Jahre alt und war ebenfalls bis vor seinem Austritt Mitglied im Betroffenenbeirat des Kölner Erzbistums. Er hat die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle mit konzeptioniert. Er arbeitet derzeit in der Gefangenenseelsorge. In einem Internat der Jesuiten wurde er von einem Pater über Jahre hinweg sexuell missbraucht.
Obwohl Haucke und Bauer aus dem Betroffenenbeirat ausgetreten sind wollen sie nicht hinnehmen, dass sich Bischöfe weiterhin vor einer Aufklärung wegducken. Mit dem Verschluss des Gutachtens werde deutlich, dass es in einem pädophilen System Tätern leicht gemacht werde, ihre Taten weiter zu begehen. Es müsse daher Hilfe von außen geholt werden, um eine lückenlose Aufklärung zu erreichen. Beide wünschen sich, dass nicht nur auf das eigene Bistum geschaut wird, wie Fürsten auf ihr Reich. „Sondern dass die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz sich für alle Menschen in Deutschland verantwortlich fühlen und auch so handeln“.
Dass Kardinal Rainer Maria Woelki sich in der Weihnachtsandacht dafür entschuldigt, dass sich die Kritik an ihm auch gegen die Priester von Gemeinden richtet, wollen die Betroffenenvertreter nicht hinnehmen. Denn man könne nicht verstehen, dass das von Kardinal Woelki unter Verschluss gehaltene Gutachten weiterhin unter Verschluss bleiben soll. Statt aufzuklären, hat er ein neues Gutachten erstellen lassen, das er im März 2021 der Öffentlichkeit vorstellen will. Es seien Vertuschungsvorwürfe in einem Fall von sexuellem Missbrauch durch einen inzwischen Verstorbenen Geistlichen in den 1970er Jahren erhoben worden, der anscheinend im Gutachten nicht mehr erscheinen soll.
Beschreibung von Kardinal Rainer Maria Woelki in WIKIPEDIA:
Umgang mit sexualisierter Gewalt an Kindern – Gutachten zu sexualisierter Gewalt
„Im Jahr 2018 gab Woelki bei einer Münchener Rechtsanwaltskanzlei ein Gutachten in Auftrag zu sexualisierter Gewalt, begangen an Kindern durch Täter, welche beim Bistum angestellt waren. In dem Gutachten sollte es insbesondere auch um den Umgang einzelner Verantwortlicher im Erzbistum Köln mit den Taten gehen. Woelki gab nach der Beauftragung an, dass ein Ziel auch die Nennung von Namen früherer Verantwortungsträger, die gegebenenfalls Fehler gemacht hatten, sein müsse.
Am 30. Oktober 2020 teilte Woelki der Presse mit, dass er das Gutachten nicht veröffentlichen werde, weil es erhebliche methodische Mängel aufweise. Die begutachtende Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker und Wastl wies Woelkis Vorwürfe zurück und würde das Gutachten gerne veröffentlichen wollen, damit die Öffentlichkeit und die Opfer die Fakten prüfen können. Ein Gutachten derselben Kanzlei zur Aufklärung von sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen wurde im November 2020 veröffentlicht. Das Gutachten in Köln hat jedoch eine besondere Brisanz, da damals verantwortliche führende Mitarbeiter weiterhin hohe Ämter in der katholischen Kirche bekleiden, insbesondere die Bischöfe Stefan Heße https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Heße und Dominikus Schwaderlapp https://de.wikipedia.org/wiki/Dominikus_Schwaderlapp. Woelki gab an, bis zum 18. März 2021 eine vollständige Neufassung der Untersuchung zu veröffentlichen, welche er bei einer anderen Kanzlei in Auftrag gegeben habe. Am 28. November 2020 teilte Kardinal Woelki mit, das Gutachten doch einzelnen Personen zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich machen zu wollen. Parallel dazu war ein von Woelki in Auftrag gegebenes Einzelgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker und Wastl zum Priester Nikolaus A. bereits seit einigen Tagen auf den Seiten des Kölner Stadt-Anzeigers öffentlich einsehbar, in dem erhebliche Mängel im Umgang des Bistums belegt werden.
Der Betroffenenbeirat hatte der Nichtveröffentlichung zugestimmt. Einige Mitglieder gaben später an, auf sie sei Druck ausgeübt worden und sie seien instrumentalisiert worden: „Wir sollten das Zertifikat liefern: vom Beirat abgesegnet.“ Mehrere Mitglieder zogen sich aus Protest aus dem Gremium zurück. Ein Mitglied sprach von „gezielter Irreführung“ durch das Erzbistum, da wesentliche Informationen vor Versammlungen nicht zur Verfügung gestellt wurden. Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln äußerte aufgrund der Ereignisse Zweifel, „ob aus dem System der herrschenden Bistumsleitung aus eigener Kraft heraus eine solche metanoia, Umkehr, und ein solcher Neuanfang zugunsten von Aufklärung, Recht und Gerechtigkeit möglich ist“. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken beschloss am 20. Oktober 2020 eine Erklärung, in der es heißt: „Aktuell sind wir Zeuginnen und Zeugen intransparenter Vorgänge im Erzbistum Köln. Wir fordern, diese vollständig offen zu legen und insbesondere die Ergebnisse aus dem Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zugänglich zu machen“. Auch die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands forderte eine Veröffentlichung. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte, er habe bei Woelki bisher einen starken Willen zur Aufarbeitung angenommen. Nun aber deute vieles darauf hin, „dass Kardinal Woelki mit Blick auf Betroffenenbeteiligung, Transparenz und Unabhängigkeit von Aufarbeitung einen massiven Fehler begangen haben könnte“. Der Vorwurf der Vertuschung stehe im Raum. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx kritisierte die Zurückhaltung des Gutachtens durch Woelki scharf und nannte den Vorgang im Dezember 2020 „verheerend für uns alle“.
Verhalten im Fall Priester O.
Ein Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger legt nach Ansicht des Journalisten Raoul Löbbert nahe, dass Woelki selbst einen Fall sexualisierter Gewalt an Kindern vertuscht habe. Der Priester Johannes O. (verstorben 2017) sei als Täter dem Erzbistum seit längerem einschlägig bekannt gewesen. Woelki kannte den Mann zudem persönlich seit längerer Zeit. Schon Kardinal Meisner wäre nach dem Kirchenrecht verpflichtet gewesen, den Fall zur Prüfung an die vatikanische Glaubenskongregation zu melden, was er jedoch nicht tat. Nach seinem Amtsantritt als Erzbischof habe Woelki sich dem Vernehmen nach die Personalakte O.s vorlegen lassen. Er unterließ es dann ebenfalls, den Fall nach Rom zu melden. Das mutmaßliche Missbrauchsopfer widersprach im Dezember 2020 der Darstellung Woelkis, es habe an der Aufklärung nicht mitwirken wollen, und erklärte: „Ich habe detailliert über die Tat berichtet und habe gebeten, soweit wie möglich außen vor gelassen zu werden.“ Der Kirchenrechtler Thomas Schüller forderte Woelki zum Rücktritt auf, weil er pflichtwidrig vor 2015 keine Untersuchung eingeleitet habe. Stattdessen benutze er nun das Opfer, indem er wahrheitswidrig behaupte, dass es sich nicht zu Aussagen bereit erklärt habe. Damit sei ein Tiefpunkt erreicht, nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch.
Verhalten im Fall Priester F.
Die Bild-Zeitung behandelte im Jahr 2020 Woelkis Verhalten im Fall des Priesters F. Im Jahr 1986 beklagten sich Messdiener bereits über Berührungen des Kölner Priesters. Im Jahr 1990 sei er mit Jungen onanierend in einem Gebüsch aufgefunden worden. Im Jahr darauf wurde gegen ihn Anklage erhoben wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern unter 14 Jahren. In den Folgejahren habe er dann eine Mutter mit mehreren Söhnen aufgenommen und sexualisierte Gewalt an den Kindern ausgeübt. Dies wurde im Jahr 1997 bekannt. Das Erzbistum habe mit der Mutter einen sittenwidrigen „Knebelvertrag“ abgeschlossen, welcher sie zu Stillschweigen verpflichten sollte. An die Mutter wurden 30.000 Mark gezahlt. Im Jahr 2000 sei der Priester in den einstweiligen und 2004 in den endgültigen Ruhestand versetzt worden. Aber auch im Jahr 2010 kam es wieder zu Beschwerden gegen den Priester im Ruhestand. Im Jahr 2018 verbot Woelki ihm die Ausübung des Dienstes als Priester. Erst nachdem im März 2019 neue Vorwürfe erhoben wurden, habe Woelki eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und den Fall der Glaubenskongregation in Rom übergeben.
Rücktrittsforderungen
Im Zusammenhang mit den Vorwürfen wurde Woelki von verschiedener Seite bereits seit November 2020 ein Rücktritt nahegelegt, so vom Kölner Diözesanverband des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln, der am 13. November 2020 umgehend transparente Aufklärung gefordert hatte und erklärte: „Für Täter und Vertuscher muss es personelle Konsequenzen geben! … Wir möchten von Erzbischof Rainer Kardinal Woelki und der Bistumsleitung eine Zusage, … dass individuelle Verantwortung übernommen wird“. Im Dezember forderten die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), der Opferverein „Eckiger Tisch“ und der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller den Rücktritt des Erzbischofs. Woelki erklärte am 10. Dezember 2020, er habe sich an den Papst gewandt und gebeten, „zu prüfen, ob er eine Pflichtverletzung nach kanonischem Recht begangen habe“. Er sei bereit, die moralische Verantwortung zu übernehmen: „Sollte ich im konkreten Fall Fehler gemacht haben, werden diese klar benannt und ich werde danach handeln“.
Wie es mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen im Kölner Erzbistum weitergeht, werden wir im Auge behalten. Wir werden unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden halten.
Teil-Auszug von Texten und Foto von WIKIPEDIA