CDU-Landtagsabgeordneter Christian Baldauf unterstützt den Vorstoß von Innenminister Michael Ebling (SPD) – Sollen über Umwege durch eine neue Gesetzgebung Menschen in die geschlossene Forensik „weggesperrt“ werden?
Landtagsabgeordneter Christian Baldauf (CDU) unterstützt den Vorstoß von Innenminister Michael Ebling (SPD), dass einem Sexualstraftäter bei der Verweigerung eines richterlichen Beschlusses, auch Fußfessel unter Zwang angelegt werden können. Dazu muss die Gesetzgebung allerdings in Rheinland-Pfalz geändert werden. Im derzeit CDU-regierten NRW gibt es diese gesetzliche Regelung bereits. Der Sachverhalt wird derzeit im Unterausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags diskutiert, der am vergangenen Donnerstag getagt hatte. Am nächsten Donnerstag geht es weiter. Den Antrag dazu hatte die Oppositionspartei CDU und ihr Sprecher Dirk Herber, gestellt, selbst ausgebildeter Polizist. Grund ist der Missbrauchsfall einer 10jährigen Schülerin aus Edenkoben, die von einem mehrfach vorbestraften Mann auf dem Weg zur Schule abgepasst, in sein Auto gezerrt und in einem leer stehenden Gebäude in Bad Dürkheim missbraucht worden sein soll.
Polizei und Justiz wird Behördenversagen vorgeworfen. Der leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber erklärte in einer Pressekonferenz, dass die Straftat hätte verhindert werden können, wenn ordnungsgemäß gehandelt worden wäre. Justizminister Herbert Mertin gibt zu bedenken, dass Anlegen von Fußfesseln unter Zwang derzeit in Rheinland-Pfalz gesetzlich nicht geregelt ist. Die Staatsanwaltschaften Frankenthal und Landau sowie das Polizeipräsidium Rheinpfalz haben am Donnerstag in einer Pressekonferenz über den aktuellen Ermittlungsstand im Fall des entführten und missbrauchten zehnjährigen Mädchens in Edenkoben informiert, https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/pk-zum-missbrauchsfall-edenkoben-100.html
Das Urteil eines Richters wäre gewesen: „Gefängnis oder Psychiatrie“?
Laut SWR-Bericht vom 15.09.2023 ist eine Zehnjährige im südpfälzischen Edenkoben entführt und missbraucht worden – mutmaßlich von einem verurteilten Sexualstraftäter. Bei der Pressekonferenz im Polizeipräsidium in Ludwigshafen haben sich am Donnerstag Vertreter von Polizei und den Staatsanwaltschaften Landau und Frankenthal zu der Kindesentführung in Edenkoben geäußert. Vorwürfe, sie hätten zu spät gehandelt und so den sexuellen Missbrauch des zehn Jahre alten Mädchens nicht verhindert, wiesen die Ermittler zurück. Laut Äußerung des Vizepräsidenten des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, Andreas Sarter, habe die Polizei den Tatverdächtigen im mutmaßlichen Missbrauchsfall in Edenkoben nicht unterschätzt. Er hat nochmals betont, dass das Gefahrenpotential von der Polizei nicht unterschätzt worden sei. Es sei bekannt gewesen, mit welchem Menschen man es bei dem Sexualstraftäter zu tun habe. Es habe deshalb auch engmaschige Kontrollen gegeben.
Der mutmaßliche Täter, ein 61 Jahre alter Mann aus Neustadt an der Weinstraße, sitzt mittlerweile wegen des dringenden Tatverdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Untersuchungshaft. Dieser Mann war erst Mitte Juli aus der Haft entlassen worden und hätte eine Fußfessel tragen sollen, hatte sich nach Behördenangaben allerdings dazu geweigert. Seit der Haftentlassung des Mannes hat es 12 Ermittlungsverfahren und Anzeigen aus der Bevölkerung gegeben. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Hubert Ströber, erklärte dazu, dass man die Vorwürfe sorgfältig geprüft habe, sie hätten allerdings teilweise aber nicht erhärtet werden können.
Bekannt ist dennoch, dass es sich bei dem Verhafteten um einen vorbestraften Sexualstraftäter aus Neustadt an der Weinstraße handelt. Der Mann soll zwischen 1996 und 2008 unter anderem wegen Sexualstraftaten zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden sein. Diese hatte er auch in den letzten 20 Jahren immer wieder abgesessen. Wie in der Pressekonferenz vom Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber dargelegt sei er sicher, dass durch eine Sicherungsverwahrung damals der Missbrauch der Zehnjährigen in Edenkoben hätte verhindert werden können. Die Sicherungsverwahrung hätte nach seinem Dafürhalten dazu geführt, dass der jetzt beschuldigte Mann immer noch in Gewahrsam wäre und die Tat, um die es jetzt gehe, nicht hätte begangen werden können. Dazu gab es auch eine Stellungnahme vom Forensischen Psychiater Frank Urbaniok aus der Schweiz. Gegenüber dem SWR-Sender äußerte er u.a.: „Hier liegt ein Fall vor, der so hätte nicht passieren dürfen….es gibt eine kleine Gruppe hochgefährlicher unbehandelbarer Täter. Da geht es nicht um Therapie. Da geht es um langfristige und lebenslange Sicherung, um die Bevölkerung vor diesen Tätern zu schützen“.
Es ist nun abzuwarten, was bei dem rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschuss herauskommt? Und es ist abzuwarten, welche Vorschläge in den rheinland-pfälzischen Landtag eingebracht werden. Denn der Antrag, „Fußfesseln unter Zwang“ anzulegen und die Gesetzgebung dahingehend zu ändern, kam von der Oppositionspartei, der CDU. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regierungsparteien SPD, GRÜNE und FDP kurzfristig dieser Gesetzgebung zustimmen. Es braucht lange Anlaufzeiten, um dieses Gesetz durch den Landtag zu bringen. Und es gibt immer noch Menschenrechtsorganisationen, die diese Gesetzgebung verhindern werden, siehe auch die Petitionen die vom Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener und der Bundesarbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen werden, wie hier: https://www.change.org/o/bundesverband_psychiatrie-erfahrener_und_bundesarbeitsgemeinschaft_psychiatrie-erfahrener sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahener https://bpe-online.de. Auch NACHRICHTEN REGIONAL befasst sich seit vielen Jahren mit diesem Thema, es wurde u.a. am 28.02.2023 darüber berichtet: https://nachrichten-regional.de/vermeidung-von-zwang-fazit-der-frankfurter-fachtagung-viele-offenen-fragen-in-bezug-auf-die-betreuung-in-der-psychiatrie/.
Neue Änderungsvorschläge der CDU zur Gesetzgebung: „Holzauge sei wachsam“
Nach dem ANTRAG der rheinland-pfälzischen CDU sind viele Menschen, nicht nur in Rheinland-Pfalz, hellhörig geworden, die sich an unsere Redaktion wandten. Sie haben sich besorgt gezeigt, dass man den Missbrauchsfall in Edenkoben dazu nutzen will, um auch das Gesetz „Zwang und Gewalt“ in der Psychiatrie über Umwege und heimlich im Strafgesetzgebung zu verankern. So wie es aussieht, hält man den Straftäter für „geistig“ gestört, sodass er – wie viele andere – letztendlich durch eine neue Gesetzgebung in Rheinland-Pfalz lebenslänglich in der geschlossenen Anstalt landen werden. Also für ewig „weggesperrt“ bleiben und keine Therapie mehr brauchen? Das wird in der Stellungnahme des Schweizer Forensiker Frank Urbaniok sehr deutlich formuliert. Also „HOLZAUGE sei wachsam“, kritisieren Menschen aus diesen Fachbereichen. Insbesondere, wenn von der rheinland-pfälzischen CDU solche Anträge an den Landtag gestellt werden. Und insbesondere auch deshalb, dass gerade Innenminister Michael Ebling (SPD) diese Diskussionen in den Unterausschuss einbringen musste?
Wie es im Edenkobener Missbrauchsfall weitergeht, behalten wir im Auge und werden die Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden halten. Nachrichten Regional hatte über eine Fachtagung in Frankfurt am Main am berichtet, siehe https://nachrichten-regional.de/vermeidung-von-zwang-fazit-der-frankfurter-fachtagung-viele-offenen-fragen-in-bezug-auf-die-betreuung-in-der-psychiatrie/