Keine Hilfe von Krankenkassen bei „unterlassener Hilfeleistung“ – Ein Haßlocher Fall wird demnächst aufgerollt
In einer jüngsten Studie wurden Behandlungsfehler von Ärzten und Pflegepersonal bundesweit durchleuchtet. Der SWR hatte am 22.08.2024 darüber berichtet. 3000 Behandlungsfehler wurden laut Statistik registriert, 126 Fälle wurden in Rheinland-Pfalz im zurückliegenden Jahr schadenersatzpflichtig. Laut Vorstandssitzendem des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronmeyer, soll die Dunkelziffer mindestens dreißigmal höher sein. Das Interview mit ihm hat der SWR geführt; https://www.swr.de/swr1/rp/programm/behandlungsfehler-bundesweit-2023-medizinischer-dienst-100.html
Auch die Tagesschau hatte am 22.08.2024 berichtet, dass der Medizinische Dienst in Rheinland-Pfalz im Jahre 2023 genau 466 Behandlungsfehler registriert habe, doch nicht alle Betroffene hätten Anspruch auf eine Entschädigung. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang von dem Bundesvorsitzenden des Medizinischen Dienstes, dass Deutschland nicht genug für Fehlervermeidung tue.
Der Medizinische Dienst von Rheinland-Pfalz selbst, der mit einer Pressemitteilung am 22.08.2024 an die Öffentlichkeit ging, teilt mit, dass Behandlungsfehler der Patientensicherheit schaden – nur durch Transparenz lerne man aus Fehlern. Jedes 5. Gutachten ergebe einen direkten Zusammenhang mit einem erlittenen Schaden, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Im Jahr 2023 habe der Medizinische Dienst Rheinland-Pfalz insgesamt 466 Sachverständigengutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. In 27,1 Prozent habe sich der Verdacht auf einen Behandlungsfehler bestätigt, was einer Anzahl von 126 Fällen entspreche. Die Zahlen des Medizinischen Dienstes spiegelten insgesamt nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Behandlungsfehler wider. Zahlreiche Fälle blieben unentdeckt – weil sie in Deutschland nicht zentral erfasst oder von betroffenen Patientinnen und Patienten nicht erkannt und daher auch nicht überprüft würden.
Laut Pressemitteilung liege es im Interesse des Medizinischen Dienstes, sich für die Patientinnen und Patienten einzusetzen, damit eine systematische Verbesserung der Patientensicherheit gewährleistet werde. Es wird in diesem Zusammenhang auf besonders schwerwiegende aber vermeidbare Schadensereignisse, wie zum Beispiel Medikamentenverwechslungen oder Fehler im OP, verwiesen. Wie allerdings bei vorsätzlicher “unterlassener Hilfeleistung“ der Versorgung von Patienten zu verfahren ist, wird aber in der Studie nicht angesprochen. Der Vorsatz wird erst gar nicht thematisiert, wird wie viele unangenehme Punkte einfach ignoriert. Oft wird argumentiert, dass solche Vorfälle gerichtlich erstritten werden müssen. Und hier liegt einiges im Argen. Oftmals reichen sogar in erwiesenen Fällen Beweise für Schadenersatzforderungen bei „unterlassener Hilfeleistung“ von Pflege- oder Ärzteschaft nicht aus, um vor Gericht Recht zu bekommen. Hier gilt anscheinend der alte Grundsatz der Ärzteschaft: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.
So auch in einem Fall einer Patientin aus Haßloch, die vor Jahren durch den Rettungsdient des Deutschen Roten Kreuzes in ein benachbartes Krankenhaus mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt in die Notaufnahme eingeliefert wurde und von einer Notärztin vorsätzlich nicht behandelt wurde, weshalb der Herzinfarkt erst in der Notaufnahme eingetreten ist. Erst durch jahrelange Beschwerden – u.a. an die Krankenkasse und an den Medizinischen Dienst, wurde ein GUTACHTEN erstellt. Dies hatte sage und schreibe acht Jahre gedauert, bis durch ein GUTACHTEN festgestellt werden konnte, dass diese Ärztin in der Notaufnahme ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist. Erst viel viel später hat unsere Redaktion erfahren, dass diese Ärztin in der Klinik ihren Arbeitsplatz verloren hatte. Auch erst Jahre danach ist herausgekommen, dass diese Ärztin auf Weisung DRITTER gehandelt hatte, und zwar zu solchen Handlungen gezwungen wurde. Zum diesbezüglichen Schadenersatz ist es allerdings noch nicht gekommen, weil der inzwischen verstorbenen Rechtsanwältin, die die Betroffene in diesem Fall vertreten hatte, von einem Rechtsanwalt der Klinik mit einem Gegengutachten gedroht wurde, wenn Schadenersatzforderungen erhoben würden. Auch hierüber liegen unserer Redaktion mittlerweile neue Hinweise vor, dass diese Ärztin zur Unterlassung ihrer ärztlichen Pflicht gezwungen wurde, so dass der Fall demnächst neu aufgerollt wird.
Um Schadenersatz gegen einen Arzt oder eine Ärztin erheben zu können, braucht es einen langen Atem, auch wenn Behandlungsfehler nachgewiesen wurden oder der Sachverhalt geklärt werden konnte. Der Beschwerdeweg – wie vom Vorsitzenden des Bundesvorsitzenden des Medizinischen Dienstes, Gronmeyer im Interview geraten – stellt sich also ganz anders und schwieriger dar, wie man im Interview erfährt:
SWR1: Wie geht jemand am besten vor, wenn er glaubt, an ihm wurde ein Behandlungsfehler vorgenommen?
Gronemeyer: Ganz wichtig ist auf jeden Fall, erstmal das Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zu suchen und die eigenen Beobachtungen oder die Vermutungen dort zu besprechen. Wenn das nicht zu einem Ergebnis führt, dann besteht tatsächlich die Möglichkeit für gesetzlich Krankenversicherte sich an ihre Krankenkasse zu wenden und den Fall dort zu schildern. Die Krankenkasse hat dann die Möglichkeit, den Medizinischen Dienst mit einem Gutachten zu beauftragen. Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes ist für gesetzlich Versicherte kostenfrei.
Keiner der Betroffenen kann sich wirklich vorstellen, dass ein Arzt oder eine Ärztin – wie von dem Bundesvorsitzenden des Medizinischen Dienstes dargestellt – seine Behandlungsfehler zugibt. Insofern bleibt nur das GUTACHTEN und eine gerichtliche Klärung. Es ist daher zu hoffen, dass einem Betroffenen rechtzeitig durch ein GUTACHTEN Schadenersatz zugesprochen wird, und nicht erst, wenn der Patient bereits tot ist, weil die Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse jahrelang dauern.