Und wieder wird ein Justiz-Skandal in Bayern öffentlich
Am vergangenen Freitag, den 07. Juli 2023 wurde ein lang ersehnter Freispruch für Manfred Genditzki durch die Richterin am Landgericht München erlassen, der nach 13 Jahren Haft nun wieder in Freiheit ist. Genditzki saß unschuldig wegen eines Fehl-Urteils im Gefängnis. Seine Strafverteidigerin Regina Rick konnte nach jahrelangem Kampf um die Gerechtigkeit nun für ihren Mandanten einen Freispruch erwirken. Doch das scheint noch nicht alles zu sein. Sie will für ihn erreichen, dass ihm eine angemessene Entschädigung zugesprochen wird.
Das Interesse an dem Fall sei riesengroß gewesen, der Gerichtssaal beim Landgericht München brechend voll, berichtete unserer Redaktion Gudrun RÖDEL, die gemeinsam mit vielen Unterstützerinnen und Unterstützern am Prozesstag am vergangenen Freitag teilgenommen hatte. Während der Urteilsverkündung mit dem zu erwartenden Freispruch habe Manfred Genditzki ruhig und gelassen reagiert, wurde uns weiter mitgeteilt. Was in ihm im Inneren tatsächlich vorgegangen sei, wisse nur er allein. Besonders sei der Hohn der Richterin nicht mehr zu überbieten gewesen, die nach der Urteilsverkündung wie folgt geäußert habe: „Nun haben Sie Ihr Urteil, was Sie immer wollten“.
Der FREISPRUCH – Ein Grund zum Feiern!
Bei dem anschließenden Zusammentreffen im Augustiner in München, wohin Genditzki von Journalisten, Unterstützern und Petenten und natürlich auch der Verteidigerin begleitet wurde, habe er dann gelöst gewirkt. Erst dann sei ihm der Freispruch „Im Namen des Volkes“ so richtig bewusst geworden. Die Freude darüber sei ihm anzusehen gewesen. Er habe sich zurecht feiern lassen und habe kein Problem damit gehabt, sich von fremden Menschen in den Arm nehmen zu lassen. Aber auch seine Verteidigerin , Regina Rick, habe viele Umarmungen über sich ergehen lassen müssen. Als Dank bekam sie rote Rosen für ihren 10-jährigen Kampf, wurde uns von weiteren Unterstützern berichtet. Aber der Kampf sei noch nicht zu Ende. Nun wolle Rechtsanwältin Rick für eine gehörige Entschädigung kämpfen und zwar für das erlittene Leid, die Genditzki und seine Familie in all den Jahren erfahren mussten.
Wie Gudrun RÖDEL als erfahrene Prozessbeobachterin weiß, zeige das gesamte Verfahren erhebliche Defizite der Strafprozessordnung in Deutschland. Der Freispruch von Manfred Genditzki sollte allerdings Hoffnung geben, dass die bei den Juristen bekannten Mängel der Strafprozessordnung sukzessive korrigiert werden und die Justiz über ihre eigene Fehlerhaftigkeit nachdenkt. U.a. hat auch der Münchner Merkur darüber berichtet, siehe den Link dazu: https://www.merkur.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee-ort29547/mord-so-reagieren-unterstuetzer-vom-tegernsee-auf-den-freispruch-genditzkis-badewannen-92388803.html
Was also ist damals mit Manfred Genditzki passiert?
Manfred Genditzki, der in Kalübbe (ehemals DDR) geboren wurde, wurde zum Justiz-Opfer, nachdem ihm unterstellt wurde, dass er die 87-jährige Rentnerin Lieselotte Kortüm in ihrer Badewanne ermordet haben soll. 13 Jahre saß er dafür nach einem Fehl-Urteil im Gefängnis ein. Bereits vor seiner rechtskräftigen Verurteilung seien erhebliche Zweifel an der Tat aufgekommen, hat NACHRICHTEN REGIONAL von Insidern erfahren. Nach einer gescheiterten Revision im Jahre 2012 beschloss das Landgericht München am 12.08.2022 die Wiederaufnahme des Verfahrens und ordnete die sofortige vorläufige Freilassung Gendintzkis an. Der Prozess begann am 26.04.2023 und endete vor dem Landgericht München am 07.07.2023 mit einem Freispruch.
Was noch dazu zu sagen wäre: Manfred Genditzki ist in zweiter Ehe mit einer Ukrainerin verheiratet und Vater von drei Kindern. Er war Hausmeister in der Wohnanlage, in der Lieselotte Kortüm wohnte. Er erledigte für sie Dinge des täglichen Lebens wie Einkaufen, Zubereitung von Mahlzeiten und Wäschewaschen. Nachdem Genditzki sie am 28. Oktober 2008 von einem Klinikaufenthalt nach Hause gefahren hatte, verabschiedete er sich damals nach eigenen Angaben dort gegen 15 Uhr von ihr, weil er anschließend seine kranke Mutter besuchen wollte. Zuvor rief er den Pflegedienst an, um die Rückkehr von Lieselotte Kortüm aus dem Krankenhaus zu melden. Wie jeden Tag betrat um 18:30 Uhr eine Pflegekraft die Wohnung; sie fand Lieselotte Kortüm voll bekleidet tot in der Badewanne.
Erst Leiche eingeäschert – Danach Ermittlungen wegen Mordes durchgeführt
Die Leiche der 87-Jährigen wurde obduziert. Als Todesursache wurde Ertrinken nach einem unglücklichen Sturz in die Badewanne angenommen. Bereits am darauf folgenden Tage wurde die Leiche eingeäschert. Erst nach der Einäscherung der Leiche habe die Staatsanwaltschaft ermittelt und angeblich festgestellt, dass die Seniorin getötet worden sei. Die Staatsanwaltschaft habe dann Genditzki unterstellt, er habe Lieselotte Kostüm während ihres Klinkaufenthaltes 8.000 Euro in ihrer Wohnung gestohlen. Im Februar 2009 wurde Genditzki in Untersuchungshaft genommen. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hieß es, Lieselotte Kortüm hätte am 28. Oktober 2008 die angebliche Unterschlagung festgestellt und Genditzki deswegen beschuldigt. Im Verlauf der Hauptverhandlung stellte sich jedoch heraus, dass aus dem Vermögen von Lieselotte Kortüm kein Geld fehlte. Die Schwurgerichtskammer am Landgericht München II folgte jedoch der Anklage der Staatsanwaltschaft und verurteilte Genditzki am 12.05.2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil mit Beschluss vom 12.01.2011 wieder auf und verwies die Sache wegen eines Verfahrensfehlers an eine andere Kammer des Landgerichts München mit folgender Begründung zurück: „Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord sei eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes, auf die das Gericht gemäß § 265 StPOin der Hauptverhandlung hätte hinweisen müssen„.
Viele Unterstützer waren von der Unschuld Genditzkis überzeugt
Erstaunt kann man sein, wie viele Personen – auch nach Genditzkis Freilassung – nun an die Öffentlichkeit gegangen sind. So habe sich gegenüber dem MERKUR auch der Vize-Bürgermeister von Kreuth und Vorstandsmitglied der Naturkäserei Wolfgang Rebenburg dahingehend geäußert, dass er immer an die Unschuld Genditzkis geglaubt habe. Erleichtert habe sich auch der ehemalige Bürgermeister von Bad Wiessee, Peter Höß, geäußert. Bestürzt sei er darüber gewesen, dass es überhaupt zu solch einer Verurteilung habe kommen können. Es sei bitter, dass er solange habe auf ein Wiederaufnahmeverfahren warten müssen. Erleichterung und Emotionen zugleich klingen jedoch bis heute bei allen Unterstützern durch, die Manfred Genditzki bis zu seinem Freispruch begleitet hatten. Zuvor hatte Teegernsees Altbürgermeister Peter Janssen erfolgreich eine Petition gestartet, hier der LINK dazu: https://tegernseerstimme.de/janssen-startet-petition-fuer-genditzki/
Dieses Urteil am Landgericht München und der 7. Juli 2023 wird nicht nur in die Bayerische Geschichte eingehen, es wird auch ein weiteres Zeichen setzen, dass es sich allemal lohnt, für Gerechtigkeit und gegen Justiz-Willkür zu kämpfen. Dazu zählt auch das Wegsperren in geschlossene „Psychiatrien“. Nicht nur in den Gefängnissen, sondern auch in geschlossenen Anstalten landen oft Justiz-Opfer. Der Fall „Mollath“, der viele Jahre durch alle Medien ging, ist das beste Beispiel dafür, warum die Justiz gerade in Bayern versagt hatte. Und solche Fälle – wie Mollath – gibt es zur Genüge in der Bundesrepublik Deutschland. Unterstützer von Betroffenen sind daher nicht mehr wegzudenken, auch Prozessbeobachter können hilfreich sein, dass mit Transparenz Öffentlichkeit geschaffen wird und es künftig vielleicht gerechter in der Justiz zugeht? Mit ihrem Buch „Weggesperrt“ hat auch Gudrun RÖDEL ein Zeichen gesetzt. Für ihren jahrelangen Einsatz für Betroffene erhielt sie vor einem Tag auf Facebook ein großes Lob.
Manfred Genditzki und seine Unterstützer haben das Recht zu feiern. Es ist der Strafverteidigerin Regina Rick nicht hoch genug anzurechnen, dass sie gemeinsam mit ihrem Mandanten den jahrelangen Kampf durchgehalten hat. Man kann vor ihr nur den „Hut“ ziehen.