von Christine Kern, Giesenhausen
Dieses Experiment wird doch noch heute angewandt und begegnet uns Bürgern in vielfältiger Weise. Das Experiment erklärt insofern längst nicht nur das Phänomen „Hitler“. Es erklärt auch den vielerorts menschenverachtenden Umgang mit Bürgern heute. Sei es durch Politiker oder andere Amtsträger.
Ich habe als kleines Kind den Eichmann – Prozess im Fernsehen gesehen. Von der Nazizeit wusste ich noch nichts. Ich sah einen Mann hinter einem Glaskasten. Der war mir unheimlich. Er erklärte laufend Zahlen – akribisch genau. Diese Zahlen waren Menschen. Die hatte er ins Gas geschickt. Er betonte immer wieder, er hätte nur Befehle befolgt. Damit hat er sein Handeln gerechtfertigt. Ich frage mich, wenn das Befolgen von Befehlen sein Handeln gerechtfertigt hat, warum hat er dann die Todesstrafe bekommen? Die Befehle hat er ja zweifelsfrei erhalten.
Ich bin seitdem sehr vielen kleinen Eichmanns begegnet, die ebenfalls Befehle befolgen. Und das auch jedesmal dazusagen, wenn sie menschenverachtend handeln. Glücklicherweise schicken sie heute niemanden mehr ins Gas. Sehr lobenswert! Man muss ja Gas sparen! Die Methoden der neuzeitlichen Christenverfolgung von heute sind viel raffinierter. So manch einer kauft sich seinen Strick selber. In 1998 lag die Selbstmordrate in Deutschland bei 11.000. Seither habe ich sie nicht mehr veröffentlicht gesehen, finde auch beim Statistischen Bundesamt keine aktuellen Zahlen.
In 1998 wurde diese Zahl mit der hohen Langzeitarbeitslosigkeit in Verbindung gebracht, veröffentlicht als Studie der Universität Helsinki. Der damalige Bundeskanzler Kohl hat deren Existenz kurz vor seiner Abwahl noch bestritten. Ich habe sie in deutscher Übersetzung von der Universität Helsinki zugeschickt bekommen. Auch heute werden dank der Mithilfe kritikunfähiger Behördenmitarbeiter, denen nur noch das Pult mit dem Schieber für die Stromstöße fehlt, Menschen am ausgestreckten Arm verhungern gelassen und ihrer Menschenwürde beraubt. Seien es Arbeitslose, Rentner oder unverschuldet in Not Geratene. Von unschuldigen Justizopfern ganz zu schweigen.
Wir sind in Deutschland hoffnungslos überreguliert , haben ungefähr doppelt so viel öffentliche Verwaltung (prozentualer Anteil an der arbeitenden Bevölkerung) wie beispielsweise Irland oder Finnland. Festgestellt schon 2005 vom Institut der Deutschen Wirtschaft.
Ich habe häufig den Eindruck, dass man sich bei Einstellungen in Ämter der charakterlichen Beschaffenheit der Kandidaten bevorzugt bedient, wie sie im Milgram – Experiment gezeigt wird. Und von Bürgern wird dann erwartet, dass sie aufgrund eines Kittels, einer Amtstracht oder eines Titels völlig differenzierungsunfähig brav jede Schmutzigkeit widerspruchslos hinnehmen. Es fehlt meines Erachtens das Problembewusstsein und die Kritkfähigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung. Daraufhin findet das Milgram – Experiment jeden Tag bei uns statt. Es kommt auf vielfältige Weise daher, mit anderen Akteuren und Methoden, aber unakzeptablen Ergebnissen. Wo Anständige sich zu Wort melden und Zivilcourage zeigen, werden sie mundtot gemacht. So funktioniert Machterhalt!!
Christine Kern, Giesenhausen