Ehemaliger Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hat die heutige Rechtslage bereits mehrfach scharf kritisiert
Der Betreiber des weltgrößten Internet-Knotenpunktes DE-CIX will sich gegen die Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) wehren und vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen. Grund ist das massenhafte und anlasslose Ausspähen von Internetnutzern durch den Bundesnachrichtendienst am Frankfurter Internet-Knotenpunkt. Der Aufsichtsrat von DE-CIX, Klaus Landefeld, sagte NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung: „Wir bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen und halten sie für unzulässig.“ Im Falle einer Niederlage werde man vor das Verfassungsgericht ziehen. DE-CIX gehört dem eco-Verband der deutschen Internet-Wirtschaft und ist vom Volumen her der größte Umschlagplatz für Kommunikation weltweit. Zu den Kunden gehörten praktisch alle großen internationalen Telekommunikations-Anbieter, darunter die Telekom, Vodafone und AT&T. Bei DE-CIX laufen globale Netze zusammen, der Datendurchsatz beträgt drei Terabit in der Sekunde. Seit mindestens 2009 fängt der BND hier Telefonate, Chats und E-Mail-Verkehre ab.
Bereits vor Monaten hat DE-CIX externe Gutachter beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Massenüberwachung zu prüfen. Zu ihnen gehört der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, der die heutige Rechtslage bereits mehrfach scharf kritisiert hat. DE-CIX bemängelt, dass das für die Überwachung von deutscher Kommunikation einschlägige G-10-Gesetz veraltet und für das digitale Zeitalter nicht ausreichend präzise sei. Zudem will die Firma überprüfen lassen, ob die bisherige BND-Praxis, Ausländer ohne jede Einschränkung abzuhören, mit deutschen Gesetzen vereinbar ist. „Wir sind nicht davon ausgegangen, dass Transitverkehre als völlig vogelfrei betrachtet werden“, sagt Landefeld. Diese weltweit von Geheimdiensten praktizierte Methode war durch die NSA-Enthüllungen in die Kritik geraten. Papier hält sie, anders als die Bundesregierung, für einen Verstoß gegen das Grundgesetz.
DE-CIX hatte sich bereits 2008 an die G-10-Kommission des Deutschen Bundestages gewandt, um über seine juristischen Bedenken zu sprechen. Landefeld berichtete im März in einer Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, er sei daraufhin vom Kanzleramt daran gehindert worden. Landefeld kritisierte dies als „Powerplay“.
In der Bundesregierung wird nun nach einem Weg gesucht, die in die Kritik geratenen Überwachungsmethoden mit einer neuen gesetzlichen Regelung abzusichern – darauf drängt auch die SPD. Zuletzt war die Kritik an den BND-Praktiken immer lauter geworden, vor allem in der dafür zuständigen G-10-Kommission des Bundestages. Deren Mitglied Frank Hofmann, ein früherer SPD-Bundestagsabgeordneter, erhebt jetzt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung und spricht von „Trickserei“ und einer „Täuschung der Kommission“ durch die Bundesregierung. Diese hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die BND-Praktiken von denen der NSA unterschieden. Auch seien alle Gremien des Bundestages immer zutreffend unterrichtet worden. Noch vor der Sommerpause will die Bundesregierung einen ersten Gesetzentwurf vorlegen. (red.)