Ehemalige bayerische Justizministerin Dr. Beate Merk forderte, den strafrechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch zu verbessern
In aller Munde sind derzeit die Themen „sexueller Kindesmissbrauch, sexuelle Übergriffe auf Kinder, Kinderpornografie und Pädophilie. Ständig wird man in den Medien darauf aufmerksam gemacht, wenn sich ein angeblich Pädophiler in die Nähe von Kinderspielplätzen begibt. Ohne Näheres zu Wissen, beginnt dann eine sogenannte „Treibjagd“ auf den Betroffenen. Und zwar schon bevor ordnungsgemäß ermittelt wurde. Bürger zeigen solche Personen an, weil sie vermuten, dass ein bereits Verurteilter eine neue Straftat begehen wird. Es entsteht eine Gruppendynamik, die nicht mehr zu stoppen ist. Ein Teil unseres Systems, was durch die sozialen Netzwerke Facebook, Instagram, TikTok und Twitter entstanden ist. Keine gute Entwicklung, wenn eine Vorverurteilung dadurch bereits entsteht.
Das Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin in Berlin und der Netzwerksprecher Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier klären in ihrem Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ umfassend auf. Die Arbeit der Mitglieder des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ wird im Rahmen eines Modellvorhabens nach §65d SGB V durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) gefördert. Das Bundesministerium der Justiz unterstützt die Begleitung der Implementierung des Modellvorhabens zum PsychVVG durch die Förderung der Öffentlichkeitsarbeit, https://www.kein-taeter-werden.de/journalistinnen.
Es bietet ein an allen Standorten kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und deshalb therapeutische Hilfe suchen. Das Projekt startete im Jahre 2005 in Berlin und umfasst mittlerweile mehrere Standorte in Deutschland. Dabei garantiert das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ gemeinsame Qualitätsstandards. Ziel ist es, ein bundesweites, flächendeckendes therapeutisches Angebot zu etablieren.
Häufigkeit einer pädophilen Störung unbekannt
Die Häufigkeit der Pädophilie bzw. pädophilen Störung in der Allgemeinbevölkerung sei unbekannt, stellt die Initiative fest. (Cohen & Galynker, 2002; Seto, 2008). In aktuellen sexualwissenschaftlichen Untersuchungen an männlichen Probanden aus der Allgemeinbevölkerung hätten zwischen 4.1% – 9.5% der Befragten angegeben, schon einmal sexuelle Fantasien mit Kindern gehabt zu haben. Zwischen 3.2% – 3.8% der Befragten hätten sogar von sexuellem Verhalten mit Kindern berichtet (Ahlers et al., 2011; Dombert et al., 2015, siehe hierzu auch die Ergebnisse der Mikado-Studie), siehe http://www.mikado studie.de/tl_files/mikado/upload/MiKADO%20_%20Ergebnisse.pdf
Da jedoch in vielen Studien die Intensität und Dauerhaftigkeit dieser sexuellen Fantasien/Verhaltensweisen nicht untersucht worden sei, lässt sich daraus nur schwer das Vorkommen von pädophilen Neigungen im Sinne einer klinisch diagnostizierbaren Pädophilie in der Bevölkerung schätzen. Die Häufigkeit wird – bislang erhobenen Daten zufolge – auf bis zu 1% der männlichen Bevölkerung geschätzt (Beier et al., 2005; Dombert et al., 2015). Für eine gesicherte Diagnose ist jedoch ein ausführliches klinisches Interview notwendig.
Anlässlich der Ergebnisse der „mikado“-Studie, wonach in Bayern nach einer Umfrage 3,9 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, hatte die damalige bayerische Justizministerin Dr. Beate Merk im Jahre 2017 gefordert, den strafrechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch zu verbessern. Im WOCHENBLATT wird sie wie folgt zitiert: „Sexueller Missbrauch an einem Kind ist eines der schlimmsten Verbrechen. Es verletzt die Seele eines Kindes – und die Folgen sind oft ein Leben lang spürbar. Wir müssen deshalb den strafrechtlichen Schutz der Kinder vor Missbrauch verbessern. Dazu gehört, dass auch der so genannte ‚einfache‘ sexuelle Kindesmissbrauch als Verbrechen geächtet – und nicht weiter als bloßes Vergehen behandelt wird. Sie Gesellschaft muss den Opfern doch deutlich machen, wie sie diese perfide Straftat bewertet, nämlich als Verbrechen an der Seele von Kindern, das oft lebenslange Folgen hat“. Merk forderte seinerzeit auch eine Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfrist von derzeit zehn bzw. 20 Jahren auf 30 Jahre; zudem soll die strafrechtliche Verjährung bei Taten des sexuellen Kindesmissbrauchs bis zur Vollendung des 21. statt wie bisher nur des 18. Lebensjahrs des Opfers ruhen. „Den Opfern muss eine möglichst große Chance zuteil werden, ein Trauma vor Verjährungseintritt so weit zu überwinden, dass eine freie Entscheidung über die Anzeigeerstattung noch rechtzeitig möglich ist“, sagt Merk.