Vorsitzender der Tafel Haßloch/Neustadt wirft mit Recht das Handtuch
Es ist gekommen, wie es kommen musste. Wegen der privaten Lebensmittelrettung und der sozial-staatlichen Aufgabe der Tafeln, bedürftige Menschen durch Lebensmittelversorgung zu unterstützen, wurde unsere Gesellschaft gespaltet. Dennoch ist es wichtig, dass Lebensmittel, die in Supermärkten nicht mehr verkauft werden können, nicht in der Mülltonne landen. Doch die Organisation der Haßlocher Lebensmittelrettung lässt mehr als zu wünschen übrig. Weil es dort zum Teil wie in einem Selbstbedienungsladen zugeht, sind verschiedene Lebensmittelretter in die Kritik geraten. Die Haßlocher Bürgerstiftung hatte die Lebensmittelrettung als Projekt geführt. Seit der Kritik an der Haßlocher Lebensmittelretterin Anna Krämer, gibt es keine Lebensmittelrettung mehr bei der Haßlocher Bürgerstiftung. Mehrere diesbezügliche Anfragen wurden von unserer Redaktion an die Geschäftsführung der Bürgerstiftung gerichtet. Wir wollten wissen, warum es das Projekt Lebensmittelrettung dort nicht mehr gibt. Doch eine Antwort blieb bis heute aus.
Dass nun Verantwortliche der Tafel Haßloch/Neustadt keine Lust mehr für dieses Ehrenamt haben, ist verständlich, zumal die Tafeln künftig nicht mehr alle Kunden mit Lebensmitteln bedienen können. Dank Corona sind viele Hilfsbedürftige nun auf die Tafel angewiesen, durch den Ukraine-Krieg sind viele Flüchtlinge dazu gekommen. Eine große Herausforderung wird deshalb künftig für Discounter und Supermärkte sein, entweder die Tafeln oder die Lebensmittelretter zu bedienen. Gleichzeitig kann dies nicht funktionieren. Denn die Bundesrepublik Deutschland wird bis im Jahre 2030 zur Halbierung der Lebensmittelverschwendung verpflichtet. Also muss jetzt schon überlegt werden, wie es bei den Tafeln und den Lebensmittelrettern weitergehen kann.
Engagierte Personen der Lebensmittelrettung hatten sich schon vor Wochen an unsere Redaktion gewandt und uns einige Missstände aufgezeigt. Von Personen soll auch beobachtet worden sein, dass Fahrzeuge in der Haßlocher Kirchgasse vorgefahren sein sollen und Kistenweise Ware für eigene Zwecke abgeholt haben. Böse Zungen behaupten, dass teure Lebensmittel, wie Fleisch, Wurst, Garnelen, erst gar nicht weiterverteilt wurden. Nach gut Dünken sei die Ware verteilt worden unter dem Motto: „Das Gute ins Töpfchen, das Schlechte ins Kröpfchen“. Viele Betroffene monieren, dass keine Kontrolle wegen der Verteilung der Lebensmittel in Haßloch stattgefunden habe. Es wurde weiter kritisiert, dass bei der Haßlocher Lebensmittelrettung weder das Gesundheitsamt ein Auge auf die gelagerte Ware geworfen habe, noch andere Behörden das Treiben einmal kritisch beäugt hätten.
Doch alleine mit der Lebensmittelrettung ist es nicht getan. Denn es geht derzeit noch in großem Maße auch um Lebensmittelverschwendung. Und die beginnt bereits beim Einkauf. Und bei den Discountern und den Supermärkten bei der Disposition. Doch gerade Lebensmittelverschwendung ist in vielen wohlhabenden Ländern auf der Welt ein großes Problem. Übrig gebliebene Essensreste landen sowohl von Privathaushalten, als auch in den Supermärkten und bei Herstellern viel zu häufig im Müll. Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) spricht von rund 12 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die in Deutschland jährlich weggeworfen werden. Das ist weder ökologisch, noch wirtschaftlich oder sozial nachhaltig und sollte deshalb auch geändert werden. Laut neuesten Statistiken landet fast die Hälfte des Essens im Müll. Am Meisten sind dies Obst und Gemüse, danach folgen zubereitete Mahlzeiten sowie Backwaren, Fisch, Fleisch und Milchprodukte. Laut Verbraucherzentrale handelt es sich um einen Verlust von 25 Milliarden Euro im Jahr, nicht zu schweigen von der unnötig investierten Energie, die in die Produktion der Lebensmittel gegangen ist. Eine Überproduktion ist auch für den Verbraucher ein Nachteil, da somit auch die Preise für das jeweilige Essen steigen. Insofern steht auch fest, dass Lebensmittelverschwendung weder gut für die Umwelt, noch für das Klima wegen der CO²-Emissionen ist. Deswegen ist Deutschland bis zum Jahre 2030 in Zusammenarbeit mit der UN zur Halbierung dieser Lebensmittelverschwendung verpflichtet. Viele Kritiker sagen: So kann das mit der Verschwendung in unserem Lande nicht weitergehen. Die Gesetzgebung wird sich daher in absehbarer Zeit ändern müssen. Durch die Wirtschaftskrise, den Klimawandel und die hohen Energiekosten wird es auch bald keinen Lebensmittelüberschuss mehr geben, weil dies möglicherweise durch den Gesetzgeber angeordnet wird. Was passiert also mit den Tafeln? Und wird es dann noch Lebensmittelrettung oder eher Lebensmittelknappheit geben?
Trotz alledem ist es wichtig, dass derzeit die Haßlocher Lebensmittelrettung in die richtigen Kanäle fließt. Nicht zu tolerieren ist, dass Waren den Tafeln entzogen werden, weil sie an die Lebensmittelretter abgezweigt werden. Die Tafeln sind wichtige Institutionen, die staatliche Aufgaben übernommen haben und nur bei Vorlage eines Sozialscheines auch Ware abgeben dürfen. Vor allem wird dort darauf geachtet, dass die Ware gleichmäßig und nicht willkürlich verteilt wird.
Sobald uns eine Antwort vorliegt, warum das Projekt Lebensmittelrettung aus der Bürgerstiftung herausgenommen wurde, werden wir unsere Leserinnen und Leser davon in Kenntnis setzen. Wir bleiben für Sie am Ball und werden Sie auf dem Laufenden halten.