Hamburger Generalstaatsanwaltschaft will gegen Linken-Politiker Anklage erheben
Der Hamburger Generalstaatsanwalt hat nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ die Weisung erteilt, den Linken-Politiker Gregor Gysi anzuklagen – wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung, die er zu seinen möglichen Stasi-Kontakten abgegeben hat. Nun weigert sich der zuständige Staatsanwalt aber, Anklage zu erheben. Ein in der Justiz außergewöhnlicher Vorgang. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet.“ Dieser Satz stammt aus einer eidesstattlichen Versicherung, die der Linken-Politiker Gregor Gysi am 18. Januar 2011 unterschrieben hat. Gysi legte sie dem Hamburger Landgericht vor, um sich gegen eine Dokumentation des NDR zu wehren, die unter dem Titel „Die Akte Gysi“ in der ARD ausgestrahlt wurde. Darin ging es um angebliche Kontakte des damaligen DDR-Rechtsanwalts Gregor Gysi zur Stasi und um die Frage, ob Gysi als „IM Notar“ und/oder „IM Gregor“ an die Staatssicherheit berichtet hat.
Gysi bestreitet seit mehr als 20 Jahren, an den DDR Geheimdienst berichtet zu haben. Auch gegen die ARD-Dokumentation wehrte er sich und legte die eidesstattliche Versicherung vor. Nachdem einige Zeit später ein Stasi-Aktenvermerk bekannt wurde, der dies erneut in Zweifel gezogen hatte, erstattete ein pensionierter Münchner Richter Strafanzeige gegen Gysi. Der Verdacht: Die eidesstattliche Versicherung entspreche nicht der Wahrheit – Gysi hätte sich in diesem Fall strafbar gemacht. Ihm würden eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren drohen. Später erstattete auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld Anzeige gegen Gysi.
Deshalb ermittelt die Hamburger Staatsanwalt schon seit zweieinhalb Jahren gegen Gysi; immer wieder wurde ein zügiger Abschluss des Ermittlungsverfahrens angekündigt. Inzwischen ist jedoch innerhalb der Hamburger Justiz ein außergewöhnlich harter Streit entbrannt, ob nun Anklage erhoben werden soll oder nicht. Juristisch müsste ein „hinreichender Tatverdacht“ gegen Gysi vorliegen.
Der Behördenleiter, der Hamburger Generalstaatsanwalt Lutz von Selle, hat nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ aufgrund seiner Kenntnis des Verfahrens Weisung erteilt, Gregor Gysi anzuklagen. Doch der mit dem Fall betraute Staatsanwalt betrachtet den Vorgang ganz anders: Er sieht offenbar keinen „hinreichenden Tatverdacht“. Deshalb ist innerhalb der Justiz ein offener Konflikt ausgebrochen. Weil der ermittelnde Staatsanwalt sich nicht anweisen lassen will, den Linken-Politiker vor Gericht zu bringen, hat er Beschwerde beim Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) eingelegt. Dort liegt der Fall nun seit rund zwei Wochen, und der Justizsenator muss entscheiden, ob er die Anweisung für rechtswidrig hält. Diese Prüfung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.
Eine Sprecherin der Justizbehörde bestätigte den Eingang einer Beschwerde aus der Staatsanwaltschaft, wollte sich zu Details aber nicht äußern. „Der Justizbehörde Hamburg liegt nun eine Beschwerde eines Beamten gegen eine Weisung vor, die er für nicht rechtmäßig hält. Und darüber, über diese Beschwerde, müssen wir nun entscheiden“, sagte die Sprecherin der Justizbehörde, Marion Klabunde.
Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft Hamburg mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen Gysi noch nicht abgeschlossen sei. Zu internen Vorgängen könne man keine Auskünfte erteilen. (red.)