Die Folgen der Corona-Pandemie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchleuchtet
Zu einer Fachtagung am vergangenen Dienstag hatte der Förderverein „Haus des Jugendrechts“ nach Ludwigshafen eingeladen. Anhand von Fachvorträgen qualifizierter Referenten wurde deutlich gemacht, wie sich das Verhalten von Jugendlichen und Kindern in der Pandemie durch Konsum von Alkohol, Drogen und Missbrauch von Medien verändert hat. Einige Interviews über die Tagung wurden vom SWR aufgezeichnet und am Abend des 27.09.2022 ausgestrahlt, https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/liveblog-corona-100~_detailPage-2_-f1ad0353fb529fe17479d652df37069709a632a1.html
In seiner Begrüßungsrede hatte der Vorsitzende des Fördervereins „Haus des Jugendrechts“, Dieter Baust, nochmals auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie hingewiesen und wie dieser Personenkreis darunter gelitten habe. Den Fokus dieser Fachtagung im Jahre 2022 habe man gerade deshalb auf das Thema: „Corona-Pandemie und ihre Folgen sowie die Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene“ gelegt. Er hob in diesem Zusammenhang nochmals die Bedeutung des Fördervereins hervor, der im Jahre 2012 mit dem Ziel gegründet worden sei, präventive und erzieherische Projekte auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Jugendstrafrechts zu unterstützen.
Mit auf dem Programm stand ein Grußwort des Direktors des Amtsgerichts Ludwigshafen, Daniel Kühner. Er ließ die Anwesenden wissen, dass er im Jahre 2005 in den Justizdienst des Landes Rheinland-Pfalz eingetreten ist. Genau in diesem Jahre sei das Haus des Jugendrechts als bundesweit erstes Modellprojekt aus der Taufe gehoben worden, erzählt er. Während seines Studiums und Werdegangs als Jurist habe er erfahren müssen, dass oft die Meinung über Juristinnen und Juristen und im Besonderen über Richterinnen und Richter herrsche, dass dieser Berufszweig im akademischen Elfenbeinturm sitze, alte verstaubte Bücher wälze und der Zeit entrückt sei. Oft habe er dabei den Wahlspruch von Kaiser Ferdinand I. vor Augen gehabt, den er im 16. Jahrhundert im heiligen Römischen Reich seiner Regentschaft predigte: „Fiat iustitia, pereat mindus – Es walte Gerechtigkeit, und wenn die Welt zugrunde geht“. Heutiges Recht verlange allerdings seinen Kolleginnen und Kollegen glücklicherweise etwas anderes ab. Er erinnerte dabei an einige wichtige Paragraphen der Richtergesetzte, u.a. an § 9, der dahingehend ergänzt worden sei, dass neben der deutschen Staatsangehhörigkeit ein Richter erst dann in den Staatsdienst berufen werden kann, wenn eine fachliche Qualifikation und die Gewähr des Einstehens für die freiheitlich demokratische Grundordnung anerkannt worden sei. Nach dieser Gesetzgebung müsse ein Richter auch über soziale Kompetenz verfügen. Der Amtsgerichtsdirektor umriss weitere, wichtige Kriterien, über die ein Richter in seinem Richteramt verfügen sollte: Dies seien Kooperationsfähigkeit, soziales Verständnis, gesellschaftliches Engagement, Gerechtigkeitssinn sowie verantwortungsbewusste Ausübung der ihm im Rahmen der dritten anvertrauten Macht. Zum Schluss seines Grußwortetes richtet er folgende These an die anwesenden Teilnehmer: „Dieses Thema, wie auch viele andere Themen, ist zu groß, als dass es das Recht alleine in den Griff bekommen könnte, als dass es die Politik, die Pädagogik, die Sozialwissenschaften alleine in den Griff bekommen würden. Wir sind auf eine ganzheitliche Betrachtung aus möglichst vielen fachlichen Perspektiven angewiesen, wenn wir uns im interdisziplinären Austausch um Lösungen bemühen wollen“. Für seinen Beitrag erhielt Daniel Kühner großen Applaus.
Im Rahmen des Vormittagsprogramms hielt Stephan Glöckler vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest einen spannenden Vortrag. Laut der JIM-Studie hätten Jugendliche vor dem Fernsehen mehr Zeit verbracht als vor Corona. Die Onlinenutzungszeiten wie beispielsweise bei Computerspielen hätten sich massiv erhöht, sagt der Fachmann. Die Zahlen seien um 25 Prozent gestiegen, wobei er auch festgestellt habe, dass das Internet von Jugendlichen viel stärker und intensiver genutzt worden sei als vor Corona. Auch belegt die Studie, dass Jugendliche im Jahre 2020 im Schnitt 50 Prozent mehr Zeit im Internet verbrachten, als noch ein Jahr zuvor. Jugendliche hätten in dieser Zeit auch viel mehr über digitale Kanäle als vor Corona abgewickelt. Trotz dieser Entwicklungen sei der Wunsch von Jugendlichen ungebrochen groß, sich wieder persönlich und REELIVE zu treffen.
Durch die Pandemie bedingten Einschränkungen mussten für Jugendliche auch viele Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Sport oder auch Partys und private Treffs ausfallen. Die Folge: Auch der Konsum von Drogen habe dadurch drastisch zugenommen, was auch von Ronja Kleine vom Institut für Therapie und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) bestätigt wurde. Es gebe auch Gruppen, die von gesteigertem Konsum berichtet habe, sagt sie. Dennoch erfuhren die Teilnehmer auf der Tagung: Der Alkoholkonsum hat in der Pandemie abgenommen.
Nach der Pause ging es dann wissenschaftlich weiter: Dr. Kathrin Happe, Nationale Akademie der Wissenschaften, LEOPOLDINA, erläuterte einige Schwerpunkte sowie die psychosoziale und edukative Herausforderungen für Kinder und Jugendliche in der Coronavirus-Pandemie. In der Publikation von Leopoldina sei folgendes belegt:
„Die Coronavirus-Pandemie hat für Kinder und Jugendliche vielfältige Auswirkungen auf deren Bildung, soziale Interaktion, sozioemotionale Entwicklung, körperliche Aktivität sowie auf das psychische Wohlbefinden. Viele Betroffene werden in der Lage sein, die Auswirkungen zu überwinden. Manche dagegen werden mittel- und wahrscheinlich auch langfristig von den erlittenen Defiziten begleitet. Um diesen zu begegnen, empfiehlt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in der Ad-hoc-Stellungnahme „Kinder und Jugendliche in der Coronavirus-Pandemie: psychosoziale und edukative Herausforderungen und Chancen“ den Auf- und Ausbau von Unterstützungs- und Bildungsstrukturen. Diese sollten die derzeit bestehenden Ungleichheiten in Bildungs- und Entwicklungschancen nachhaltig adressieren und nicht nur pandemiebedingte Nachteile ausgleichen, sondern die Situation im Vergleich zum Status Quo vor der Pandemie verbessern“.
Ein persönliches Fazit hat nach dieser Veranstaltung Sozialarbeiter Mark Hoffmann von der Diakonie Pfalz, Ludwigshafen, gezogen und als interessante Erkenntnisse mit nach Hause genommen. Er sagt: „Vor allem ist bei mir hängengeblieben, dass es doch mit dem Alkohol eher runtergegangen ist und mit Cannabis hoch. Das hätte ich überhaupt nicht sagen können“.
Susanne Barcher vom Jugendamt Ludwigshafen resümierte, dass auch das Jugendamt deutliche Veränderungen in dieser Phase festgestellt habe. So dass wir sagen können: „Ja das spiegelt sich auch im Alltag wieder. Und jetzt haben wir den wissenschaftlichen Back-Round dazu“.