Einem Bericht der Zeitung Am Sonntag vom 25. September 2011 zufolge, kann auch ein einzelner Bürger übermächtige Gegner wie große Versicherungskonzerne und die deutsche Justiz bezwingen. Das beweise der Fall von Horst Glanzer. Der Niederbayer arbeitete früher als Polizist. Vor acht Jahren habe dann eine Krankheit sein Leben völlig aus der Bahn geworfen. Eine gefährliche Kieferhöhlenentzündung habe sich in seinem Kopf immer weiter ausgebreitet. Doch die Assekuranzen hätten ihm monatelang eine stationäre Behandlung in einer Spezialklinik verweigert. Und das obwohl die Entzündung schon kurz vor dem Gehirn angekommen sei und er fast tot war, sagt Glanzer. Die Konsequenz der Verzögerung seien bleibende Schäden. Die Knochen in seinem Kiefer seien zu einem großen Teil zerfressen und er leide rund um die Uhr unter höllischen Schmerzen.
Daraufhin wollte er zumindest Schmerzensgeld erstreiten. Doch die Gerichte lehnten in erster und zweiter Instanz ab und beim Oberlandesgericht war Endstation. Denn ein kleiner Paragraf versperrte den Weg zum Bundesgerichtshof, berichtet die Zeitung weiter. Gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dürfen Richter eine Berufung schriftlich ablehnen, wenn diese nach ihrer Ansicht keine Aussicht auf Erfolg hat. Eigentlich wäre diese Regelung dazu gedacht, um Verfahren zu beschleunigen, wenn diese ohnehin chancenlos sind. In der Praxis wird dieser „kurze Prozess“ dem ARD-Magazin „Ratgeber Recht“ zufolge je nach Gerichtsstandort in bis zu 30 Prozent aller Fälle angewendet, auch wenn es um komplizierte Sachverhalte geht – beispielsweise beim Arztrecht, in dem die Beweisführung oft sehr schwierig ist.
Den Betroffenen wird durch § 522 von vornherein die Chance genommen, ihre Argumente erneut darzulegen – und etwa durch zusätzliche Gutachten zu untermauern.
Horst Glanzer begann deshalb einen erbitterten Kampf gegen Justiz und Versicherungen. Seine Waffen: Ein Telefon und ein Faxgerät. Seine Aussicht auf Erfolg: Eher dürftig. Bei zahlreichen Politikern sprach Horst Glanzer vor – auch Justizstaatssekretär Max Stadler und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) klagte er sein Leid. Durch Berichte in Nachrichtenmagazinen habe er außerdem weitere Mitstreiter gefunden, denen es ähnlich erging. Die Hartnäckigkeit über mehrere Jahre zahlte sich nun endlich aus. Im Juli 2011 verabschiedete der Bundestag eine entsprechende Reform der Zivilprozessordnung. Zur gleichen Zeit gab es auch grünes Licht vom Bundesrat. Der Gesetzesänderung stand daher nichts mehr im Weg.
Max Stadler habe sich froh über diesen Beschluss gezeigt. „Der Rechtsschutz der Bürger wurde dadurch verstärkt“, sagt der ehemalige Richter. „Außerdem ist es ein Musterbeispiel für Demokratie und der Beweis, dass jeder Einzelne etwas bewegen kann.“ Für Horst Glanzer ist es sogar schon der zweite Erfolg. Vor gut zwei Jahren erreichte er schon einmal eine Gesetzesänderung: Seitdem müssen Versicherer schneller über die sogenannte Deckungszusage entscheiden – also ob sie die Kosten etwa für eine notwendige Behandlung übernehmen. „Dank meiner Motivation habe ich so als kleiner Bürger Europas größte Versicherer besiegt“, sagt er.
Für den Niederbayern haben diese herausragenden Erfolge aber auch ihre Schattenseiten. Weil der mutige Einzelkämpfer bereits mehrmals bedroht wurde, befindet er sich in einem speziellen Schutzprogramm. Seinen Wohnort hält er streng geheim und er telefoniert nur über abhörsichere Handys. Doch obwohl ihm sein Engagement die Gesundheit nicht zurückbringen kann, kämpft Horst Glanzer gerne. „Ich war schon immer ein Gerechtigkeitsfanatiker“, erzählt der ehemalige Polizist.