„Kunst für Alle!“ gehörte in den 1960er und -70er Jahren zu den zentralen Maximen der Kunstwelt. Kunst sollte nichts Elitäres mehr sein. Vielmehr legten Künstlerinnen und Künstler Wert darauf, ihre Arbeiten und somit ihre Ideen möglichst vielen zugänglich zu machen. In Auflagen produzierte Kunst bot hier die Lösung. So taten sich Kunstschaffende und Verleger zusammen, um Kunstwerke in hohen Auflagen zu niedrigen Preisen herzustellen. Die Aus-stellung Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck, vom 8. Juni bis 25. August 2013 im Wil-helm-Hack-Museum in Ludwigshafen zu sehen, widmet sich diesem Phänomen.
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Sammler Heinz Beck (1923 – 1988) trug eine bedeu-tende Sammlung solcher Auflagen-Kunstwerke zusammen. Neben Objekten und Druckgrafi-ken umfasst sie Künstlerbücher, -schallplatten und -postkarten. Vor 25 Jahren, 1988, ver-machte Heinz Beck rund 2.600 Werke dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein. Zum 25-jährigen Jubiläum der Schenkung wurde eine grundlegende Bestandsauf-nahme der Sammlung durchgeführt. War sie bislang unter dem Namen Pop-Sammlung Beck bekannt, hat sich inzwischen gezeigt, dass sie auch zahlreiche Werke von Fluxus, Concep-tual Art, Op-Art, Konkreter Poesie und Neuer Musik enthält.
Die Ausstellung Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck, kuratiert von Kerstin Skrobanek und Nina Schallenberg, stellt die Sammlung erstmals in ihrer medialen und konzeptuellen Breite vor. Der Fokus ist auf die Tätigkeit und das Wirkungsfeld der Verleger gerichtet, ohne die die Auflagenkunst und damit auch der Sammlungsschwerpunkt von Heinz Beck nie Wirk-lichkeit geworden wäre.
Mehr als 243 Künstlerinnen, Künstler und Künstlergruppen sind in der Ausstellung mit rund 380 Werken vertreten. Hinzu kommen 60 archivarische Dokumente. Die Exponate stammen zum größten Teil aus den Beständen des Wilhelm-Hack-Museums, ergänzt durch Leihgaben aus den Privatsammlungen von Erik Andersch (Neuss), Wolfgang Feelisch (Remscheid), Armin Hundertmark (Köln), Hartmut Kraft (Köln), Hansjörg Mayer (London), Rolf Ricke (Berlin) und Klaus Staeck (Heidelberg).
Der Rundgang beginnt in Heinz Becks Düsseldorfer Wohnzimmer, führt in die wichtigsten westlichen Kunstzentren der 1960er und -70er Jahre und stellt bedeutende Verleger und Verkäufer von Auflagenwerken vor. Dazu gehören im Rheinland Wolfgang Feelisch mit dem VICE-Versand, in Kassel der Galerist Rolf Ricke, der amerikanische Multiples nach Deutschland brachte und dem Beck ein treuer Kunde war. Wichtige Editionen der documen-ta-Foundation sind vorhanden, ebenso große Konvolute aus der Edition Staeck in Heidel-berg. Die Jahresgaben der Kunstvereine trugen wesentlich zur Etablierung der Auflagen-kunst bei. Zu den Vorreitern im Genre Künstlerbuch gehören neben Edward Ruscha, Hans-Peter Feldmann vor allem Dieter Roth und – zunächst in Stuttgart, dann in London – der Verleger Hansjörg Mayer. In Paris gründete Daniel Spoerri die Edition MAT, in London verlegten die Kelpra Studios und Alecto Editions wichtige Grafiken und Objekte. In den USA produzierten die Tanglewood Press, Galeristen wie Leo Castelli und Künstlerverlage wie Andy Warhols Factory Additions oder Dick Higgins‘ Something Else Press zahlrei-che Auflagenwerke. Die Ausstellung Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck stellt damit eine ganz eigene Kunstszene vor, die eng vernetzt und kunsthistorisch von enormer Bedeu-tung war. Der Markt und die Käuferschaft für Auflagenobjekte waren groß, da hier jungen Sammlern ein einfacher Einstieg ermöglicht wurde. Kunst wurde durch niedrige Preise für jeden erschwinglich und durch Initiativen wie dem ersten Kölner Kunstmarkt 1967 zugänglicher.
Beck war ein typischer Sammler seiner Zeit: bestens informiert über aktuelle Entwicklungen, darüber hinaus – wie seine Korrespondenz und Fotoalben belegen – in engem Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke er sammelte. Mit eher kleinerem Budget ge-lang es ihm, ein Panorama der aktuellen Tendenzen zusammenzubringen. Entsprechend zeigt die Ausstellung Werke von Arman, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Christo, Jörg Immendorff, Alison Knowles, Yayoi Kusama, Roy
Lichtenstein, Hermann Nitsch, Claes Oldenburg, Daniel Spoerri, Ben Vautier, Andy Warhol und vielen mehr. Mit der Ausstellung endet ein zweijähriges Forschungsprojekt zur Erschließung der Sammlung Heinz Beck, das die großzügige Förderung der Art Mentor Foundation Lucerne und der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz möglich machte.
Ausstellungskatalog
Im Wienand Verlag erscheint ein Ausstellungskatalog (200 Seiten, über 200 farbige Abbil-dungen), der in Aufsätzen, Interviews und Bildstrecken die internationale Verlegerszene der 1960er und -70er Jahre vorstellt sowie in einem restauratorischen Bericht auf die Druckgrafik dieser Epoche eingeht, zum Preis von 29,80 Euro.
Im Juni wird darüber hinaus ein Bestandskatalog erscheinen (300 Seiten, Vertrieb ebenfalls über Wienand), der die gesamte Sammlung Heinz Beck sichtbar macht. Beide Publikationen werden herausgegeben von Kerstin Skrobanek, Nina Schallenberg und Reinhard Spieler.
Vorgesehener Ankauf
Anlässlich des Schenkungsjubiläums und als wichtige Ergänzung der Sammlung erwirbt das Wilhelm-Hack-Museum eines der bedeutendsten Multiples: The Critic Laughs von Richard Hamilton (1968–1971), verlegt von René Block, Berlin. (red.)
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dis>play zeigt Bani Abidi. Shan pipe band learns the star spangled banner
Gleichzeitig präsentiert die Künstlerin Bani Abidi (geboren 1971 in Karachi, Pakistan, lebt in Neu-Delhi und Berlin) im WHM-dis>play ihre Videoarbeit „Shan pipe band learns the star spangled banner“ aus dem Jahr 2004 (Doppelkanalvideo, 7:30 Minuten). 2003, zwei Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, beauftragte Abidi in Lahore eine Sackpfeifen-Kapelle, die amerikanische Nationalhymne einzustudieren. Die Videodo-kumentation der Proben ermöglicht einen intimen Blick auf ein für uns fremdes Leben. Ver-tieft wird dieser Einblick durch ein zweites Bild: Begleitet von der amerikanischen National-hymne sind Straßenszenen aus Lahore zu sehen, mit über sieben Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Pakistans, Hauptstadt der Provinz Punjab sowie Wohnort der Musiker. Das Video bildet eine eingängige Metapher für die komplexe Verstrickung kolonialer und postkolonialer Beziehungen und Einflüsse. Nicht nur Innen- und Außenraum, sondern auch verschiedene Kulturräume werden so miteinander kontrastiert – Themen, die auch die aktu-elle WHM-Sammlungspräsentation hackordnung # 4: hier, dort und anderswo aufnimmt.
Die Vernissage zu beiden Ausstellungen findet am Freitag, 7. Juni 2013, 19 Uhr statt.
Begleitprogramm zur Ausstellung „Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck“
Sonntag, 9. Juni 2013, 15 Uhr
Werk als abgelegtes Werkzeug. Künstlerarbeiten als Erkenntnismittel
Besucherschule mit Bazon Brock, einstündiger Rundgang durch die Ausstellung
Gut aufgelegt.
Seit der 4. Documenta 1968 führt Bazon Brock seine Besucherschulen durch. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Führung, die Jahreszahlen, Werdegänge und Entwicklungen in der Kunst erläutert, versucht Bazon Brock für seine Gäste ganz individuell einen direkten und persönlichen Zugang zu den Kunstwerken herzustellen. „Nichts schafft größere Freude als der Genuss der eigenen Fähigkeiten, die man mit der Kunst als Werkzeug sinnvoll trainieren kann.“ (Bazon Brock)
Kosten: Eintrittskarte zuzüglich 3 Euro.
Donnerstag, 13. Juni 2013, 17 bis 19 Uhr
Teacher’s Night, Kunst für Alle! Auflagenobjekte in den 1960er Jahren.
Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, Eintritt frei. Um Anmeldung wird gebeten unter
E-Mail: theresia.kiefer@ludwigshafen.de.
Samstag, 15. Juni 2013, 15 Uhr
Book Release Party: Ben Patterson. Event Scores
Benedikt Stegmayer, Leiter der Stadtgalerie Mannheim, stellt sein neues Buch zu den Flu-xus-Partituren von Benjamin Patterson vor. Der Künstler und das Ensemble Ascolta aus Stuttgart werden einige der Partituren zur Aufführung bringen: ein Highlight für Freunde von experimenteller Musik und Theater. Eintritt 5 Euro.
Dienstag, 18. Juni 2013, 19 Uhr
Jahresversammlung des Fördervereins
Treffen der Mitglieder und Bericht über die Aktivitäten des Vereins in den vergangenen 12 Monaten. Vortrag von Kerstin Skrobanek: Die Kunstszene der 1960er Jahre. Die Sammlung Heinz Beck erzählt.
Donnerstag, 20. Juni 2013, 18.30 Uhr
Single Night: Ein Kunstwerk kommt selten allein
Führung und Get-Together mit Theresia Kiefer und Kerstin Skrobanek
Kosten: 7,50 Euro (inklusiv ein Glas Sekt).
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Sonntag, 30. Juni 2013, 11 bis 18 Uhr
Familientag im WHM!
Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein buntes Programm für Groß und Klein mit Konzert (11 Uhr), Familienführung (14.30 Uhr) und einem Kreativangebot im Museumsatelier (15 bis 17 Uhr); Familienkarte: 15 Euro.
Donnerstag, 1. August 2013, 18 bis 21 Uhr
Art After Work: Zeitreise in Andy Warhols Factory!
Unter Anleitung der Künstlerin Maike Kreichgauer lernen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeiten der Siebdrucktechnik kennen.
Kosten: 20 Euro (3 Stunden inklusiv Material).
Samstag, 17. August 2013, ab 15 Uhr
Studi-Tag im WHM
Führung zum Reinschnuppern und Party exklusiv für Studierende.
Bitte Studentenausweis mitbringen. Eintritt frei.
Mittwoch, 21. August 2013, ab 18.30 Uhr
Exklusives Spenden-Dinner für den Ankauf des Multiples The Critic Laughs von Richard Hamilton (1968–1971).
Nach einem Sektempfang und einer Führung durch die Ausstellung mit dem Verleger René Block und der Kuratorinnen Kerstin Skrobanek und Nina Schallenberg gibt es ein köstliches 5-Gänge-Menü, kreiert vom Hofgut Ruppertsberg.
Kosten 500 Euro, je weitere Anmeldung 300 Euro.
Jeden Sonntag um 15 Uhr
Öffentliche Führung
Kosten: 3 Euro zuzüglich Museumseintritt.
Kontakt:
Wilhelm-Hack-Museum, Berliner Straße 23, 67059 Ludwigshafen am Rhein,
Theresia Kiefer (Presse)Telefon 0621 504-3403/-3411
E-Mail: theresia.kiefer@ludwigshafen.de
Kerstin Skrobanek (Kuratorin und Projektleiterin), Telefon 0621 504-3491
E-Mail: kerstin.skrobanek@ludwigshafen.de.