Bekannter deutschmarokkanischer Youtuber nimmt erste Hürde für Schadenersatzklage gegen Bundesregierung
Mainz. Ein Deutschmarokkaner aus Duisburg hat eine erste Hürde in einer von ihm angestrengten Millionen-Schadenersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland genommen. Nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) hat der Berliner Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung des Berliner Kammergerichts verworfen, die dem 40- jährigen Mohamed Hajib zuvor Prozesskostenhilfe versagt hatte. Durch eine „unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung“ seien Grundrechte Hajibs verletzt worden, heißt es in dem 21-seitigen Beschluss des Verfassungsgerichtshofs. Der Fall Mohamed Hajib spielt auch in der aktuellen diplomatischen Krise zwischen Deutschland und Marokko eine wichtige Rolle.
Hintergrund der Schadenersatzklage sind Vorwürfe Hajibs, wonach deutsche Polizeibeamte ihn 2010 – nach Rückkehr von einer Pilgerreise in Pakistan – am Frankfurter Flughafen dazu gedrängt haben, weiter nach Marokko zu reisen. Das damals zuständige hessische Landeskriminalamt bestreitet dies.
Beamte sollen Hajib jedoch bis ins Flugzeug begleitet haben. Das Bundeskriminalamt soll dem marokkanischen Geheimdienst zudem dessen bevorstehende Landung in Casablanca angekündigt haben. Bei der Einreise wurde Hajib festgenommen. Nach eigenen Angaben wurde er in Marokko gefoltert. Als angeblicher Terrorist wurde er schließlich zu sieben Jahre Haft verurteilt. Nach Auffassung Hajibs trägt die Bundesrepublik eine Mitschuld an seiner Folter und zeitweisen Isolationshaft.
Heute lebt der 40-jährige in Duisburg von Sozialhilfe. Bei ihm wurde eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Ein Gutachter des Instituts für Rechtsmedizin in Düsseldorf diagnostizierte zudem „relativ scharfrandig begrenzte, teils bügeleisenartige, teils eher stabartige Narben“ auf seinem Rücken. In seinem Urteil geht der Berliner Verfassungsgerichtshof auch auf die Rolle des Bundeskriminalamts in dem Fall ein. Dass deren Beamte 2010 eine „Gefährdereigenschaft“ an die marokkanischen Behörden übermittelt hätten, sei angesichts der Menschenrechtslage in Marokko „kaum vertretbar“.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs dürfte auch die ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko weiter belasten. Nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Deutschland hat Hajib mehrfach kritische Youtube-Videos gegen das Königreich Marokko veröffentlicht. Nach Medienberichten wirft das Königshaus der Bundesregierung unter anderem vor, dem in Marokko als “Terroristen” eingestuften Hajib zu viel Freiheiten zu lassen. Zudem seien sensible Informationen marokkanischer Sicherheitsdienste an ihn weitergegeben worden. In dem diplomatischen Konflikt, der auch Deutschlands Haltung zur Westsahara-Frage zum Gegenstand hat, hatte Marokko unter anderem die Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in dem Land eingestellt.
Gegenüber dem SWR sagte Mohamed Hajib, dass der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Berlin freue ihn sehr. Es zeige deutlich, dass „die Gerichte in Deutschland unabhängig sind“. Dessen Anwalt Eberhard Schultz sagte, es komme nicht oft vor, dass eine Verfassungsbeschwerde wie in einem solchen Fall, positiv entschieden werde. Das Bundesinnenministerium teilt dem SWR dazu mit, man wolle “einzelne Gerichtsentscheidungen nicht kommentieren”.
Quelle: SWR Rechercheunit/Report Mainz