Nach Kriegsende: Philipp Postel war zwei Jahre ehrenamtlicher SPD-Bürgermeister
Nach Beendigung des 2. Weltkrieges am 23. März 1945 fand ein großer Aufbruch in der Bevölkerung statt mit einer Palette von Verboten, an die sich auch die Haßlocher halten mussten. Mehrere Maßnahmen wurden beschlossen, u.a. Ausgangsbeschränkungen, Versammlungsverbot – auch der Gottesdienst war zu dieser Zeit untersagt – Verkehrsbeschränkungen, Registrierung der Bevölkerungen u.a.m. Waffen, Fotoapparate, Ferngläser, Radioempfänger, auch die Brieftauben mussten bis zu einem genau terminierten Zeitpunkt auf dem Rathaus abgeliefert werden. Der weitere Besitz der Hakenkreuzfahne war mit der Todesstrafe bedroht. In einer Mitteilung vom 4. April 1945 wird darauf hingewiesen, dass eine amerikanische Flagge in der Bahnhofstraße 51 gehisst sei und durch Hutabnehmen zu grüßen sei.
Bis ein normaler Alltag nach Kriegsende für die Haßlocher Bevölkerung einkehren konnte, sind also noch Monate vergangen. So war es auch selbstverständlich, dass die Haßlocher SPD wieder schnell Politik machen und den Wiederaufbau im Ort politisch mitgestalten wollte. Dazu gehörte zweifellos die Wiedergründung eines Ortsvereins. Aber in der französischen Zone, zu der Haßloch gehörte, ging der Schritt zur politischen Normalität nicht so schnell wie in anderen Zonen. Die Begründung liegt einerseits in der Struktur der französischen Besatzungszone.
Am 24. Februar 1946 war es endlich so weit. Im Lokal Ratskeller von Adam Rodach, wurde der Haßlocher SPD-Ortsverein wiedergegründet. Die Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 7. Mai 1945 vor der amerikanischen Heeresführung (Eisenhower) in Reims und am 8. Mai 1945 vor der russischen Heeresführung (Shukov) in Berlin war der Schlussstrich unter einen Krieg, der Millionen Menschen in Ost und West, Nord und Süd das Leben gekostet hat, der riesige Zerstörungen brachte und die Zivilgesellschaft fast stärker getroffen hat als das Militär, einen Krieg, dessen Folgen man jetzt zu tragen hatte als ein besetztes Land, eingeteilt in vier Zonen, eine amerikanische, eine russische, eine britische und eine französische.
Wie jeder Einzelne diesen Schlussstrich empfunden und bewertet hat, mag recht verschieden gewesen sein. Ob man das Kriegsende als Niederlage oder als Befreiung verstanden hat, hing wohl stark von der persönlichen Lebenslage und der politischen Einstellung ab. Für viele galt möglicherweise als Interpretationsmöglichkeit, Sühne für begangenes Unrecht oder aber als Chance für eine neue Friedenzeit (nie wider Krieg) und der Neubeginn einer demokratischen Entwicklung jenseits von Nationalismus und Untertanengeist gegolten haben.
Es war also ein Schlussstrich für alle Verfolgten, auch für die SPD ein Schlussstrich unter die Illegalität, also ein Chance zur legalen Arbeit für einen Frieden durch Völkerverständigung, für Freiheit nicht nur der Starken, für die Chancengleichheit aller Bürger und eine Zukunft in Solidarität.
So war es mehr als verständlich, dass die SPD den Spruch aus der Illegalität möglichst schnell vollziehen wollte. Bereits von der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunden wird am 6. Mai 1945 in Hannover in Anwesenheit von Kurt Schumacher ein Ortsverein gegründet. Man arbeitete teilweise auch ohne amtliche Genehmigungen der Besatzungsmächte. So ist die SPD bereits im Oktober 1945, also ein halbes Jahr nach Kriegsende, im Wesentlichen reorganisiert, allerdings nur in der russischen, amerikanischen und britischen Zone. In der französischen Zone ging der Schritt aus der Illegalität zur Normalität nicht so schnell. Man musste dort also länger illegal Politik machen. Auch ohne offizielle Zulassung begann man sich politisch zu organisieren, die SPD-Ortsgruppe Ludwigshafen unter Friedrich Profit bereits am 18. April 1945. Aktivitäten gab es auch bereits auf Bezirksebene. Der Wiedergründung als regionale Organisation galt eine illegale Konferenz im Naturfreundehaus Harzofen in Elmstein am 26. Und 27. Oktober 1945.
Entscheidend für die Zulassung politischer Parteien in der französischen Zone wurde die Verordnung Nr. 23, am 23.12.1945 von General Koenig unterzeichnet, die am 21.12.1945 offiziell veröffentlicht und deren Ausführungsbestimmungen im Laufe Januar 1946 den Bezirksregierungen zugestellt wurden. In dieser Verordnung wird die Gründung „demokratischer und antinational-sozialistischer“ Parteien grundsätzlich gestattet; sie bedürfen der Genehmigung durch die Militärregierung. Nach vorheriger Zustimmung der Militärregierung haben die Parteien Versammlungsrecht und das Recht der Propaganda.
Dies war im Bereich der französischen Zone der Startschuss für die Legalisierung der Parteiarbeit. Die Sozialdemokratische Partei Hessen-Pfalz wurde am 23. Februar 1946 von der Militärregierung genehmigt, der Antrag stammte vom 27. Dezember 1945. Im Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen (Gemeinderatswahlen am 15. September 1946, Kreistagswahlen am 13. Oktober 1946) hatte die noch nicht legale Bezirksleitung Hessen-Pfalz die Wiedergründung alter SPD-Ortsvereine vorbereitet, so dass um den 23. Februar 1946 herum, dem Tag der Genehmigung des Bezirksverbandes, mehrere Ortsvereine wieder offiziell ins Leben gerufen werden konnten, z.B. Speyer am 17.02.1946, Kaiserslautern am 20.02.1946, Neustadt am 23.02.1946, Haßloch am 24.02.1946, Bad Dürkheim am 03. März 1946 usw. Der SPD-Ortsverein Haßloch gehört also mit zu den frühesten Wiedergründungen nach dem Kriege.
Die Bürgermeisterwahl von Philipp Postel
SPD-Bürgermeister Philipp Postel (1947 – 1949)
Die Bürgermeisterwahl von Philipp Postel war erst im zweiten Anlauf erfolgreich. Er war der erste gewählte Bürgermeister nach dem Kriege. Philipp Postel war ein SPDler. Seine Berufslaufbahn als Gastwirt und Landwirt und der Wechsel als Bürgermeister ist eine interessante Geschichte. Die Wahl von ihm als Bürgermeister war die Konsequenz aus der Haßlocher Gemeinderatswahl vom 15. September 1945. Zuvor war der Bürgermeisterposten durch die interne Entscheidung der amerikanischen bzw. der französischen Besatzungsbehörde besetzt.
Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde Dr. Spengler, der von den Nazis 1938 eingesetzt worden war, aus dem Amte entfernt, und Georg Brauch, der letzte vor 1933 gewählte Bürgermeister, den die Nazis 1939 abgesetzt hatten, nahm am 25. März 1945 als „vorläufig beauftragter Bürgermeister“, so der Titel, die Amtsgeschäfte in Haßloch wahr. Die Bekanntmachungen tragen bis zum 21. Mai 1945 alle seine Unterschrift.
Was die amerikanischen Militärbehörden bewogen hat, Georg Brauch, abzuberufen und Georg Mischon, den ehemaligen Vorsitzenden der Mittelstandspartei, an seiner Stelle einzusetzen, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Man könnte vermuten, dass entscheidend war, dass Brauch noch bis 1938 Bürgermeister war, also noch fünf Jahre in Hitler-Deutschland politische Verantwortung getragen hat. Brauch wird Stellvertreter und Rechtsbeistand von Bürgermeister Mischon, muss aber auf Verfügung der französischen Militärbehörden im Oktober 1945 auch diese Position aufgeben. Am 21. Mai 1945 leistet Georg Mischon seinen Amtseid gegenüber der amerikanischen Besatzungsbehörde und weist in einer Bekanntmachung am 22. Mai 1945 auf den Wechsel im Bürgermeisteramt hin.
Alle Bürgermeister seit Philipp Postel im Jahre 1947 hängen als Galerie im Haßlocher Rathaus. Zwischen den Porträts von Jakob Mischon und Georg Mischon im Ratssaal klafft eine Lücke in der Bürgermeister-Galerie. Der Gemeinderat hat mehrheitlich im Februar 2020 auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, die Bilder von Erich Spengler und Georg Brauch, die 1939 beziehungsweise 1945 nicht durch Wahl ins Amt kamen, abzuhängen. Begründung der SPD-Fraktion: „das Bildnis des 1939 von den Nationalsozialisten eingesetzten Bürgermeisters Erich Spengler aus der Fotogalerie der Bürgermeister zu entfernen“. Die SPD halte es „in Zeiten wieder aufkeimendem Nationalismus’, neu auflebender Bagatellisierung von NS-Gräueltaten und Antisemitismus’“ für angebracht, dass sich die Gemeinde diesen Tendenzen vehement entgegenstelle. Sie solle mit der „Bereinigung“ der Fotogalerie ein Zeichen setzen und das Bild des von 1939 bis 1945 amtierenden Spengler, des einzigen nicht demokratisch gewählten Haßlocher Bürgermeisters, entfernen“, so in dem Bericht der RHEINPFALZ vom 13.02.2020. Wie die RHEINPFALZ weiter schreibt: „In der Gemeinderatssitzung stand der Antrag auf der Tagesordnung. SPD-Fraktionschef Ralf Trösch sagte, es bedeute nicht nur eine Ehre für diejenigen Personen, deren Porträt in der Galerie hängt, sondern umgekehrt auch eine Ehre, die der Gemeinderat den früheren Bürgermeistern erweise. Deshalb sei es notwendig, das Bild eines nicht auf demokratischem Weg ins Amt gekommenen Verwaltungschefs abzuhängen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Grohe sagte, es sei historische Wahrheit, dass Erich Spengler 1939 von der NSDKP als Bürgermeister eingesetzt worden sei. Er sprach sich dagegen aus, das Porträt zu entfernen. Wichtiger sei es, mit einem Zusatz zum Bild zu erklären, wie dieser ins Amt gekommen sei. Das sei schon vor 20 Jahren Konsens gewesen, als das Thema schon einmal diskutiert worden, aber nie umgesetzt worden sei“.
Foto: Gaststätte Ratskeller der Wiedergründung der SPD von Adam Rodach
Quelle: Jürgen Hurrle,
15 Jahre SPD-Ortsvereinsvorsitzender, der maßgeblich die beiden Broschüren
„125 Jahre Sozialdemokratie in Haßloch und „Vor 40 Jahren – Zum Jahrestag
der Wiedergründung des SPD-Ortsvereins am 24.02.1946″ gestaltet hat