Vom Amtsgericht Ravensburg wurden zwei Lebensmittelretter wegen Diebstahl verurteilt
Man kann und will es einfach nicht glauben. Das Amtsgericht Ravensburg hat zwei Lebensmittelretter wegen Diebstahl verurteilt. Nach neuesten Hinweisen und einigen Medienberichten musste sich der 19-jährige Samuel Bosch und seine 20-jährige Mitstreiterin Charlie Kiehne vor dem Amtsgericht Ravensburg verantworten. Vorgeworfen wurde den Beiden, sie hätten aus Abfallcontainern von Supermärkten, abgelaufene, jedoch noch verwertbare Lebensmittel entwendet, um sie Hilfsbedürftigen zu verschenken. So schön so gut. Denn nach Deutschem Recht gilt das Entwenden von Ware aus Abfallcontainern als Diebstahl und ist somit eine Straftat. Das wollten die beiden Angeklagten allerdings nicht auf sich ruhen lassen. Vielmehr argumentierten sie wie folgt: „Es gibt nicht zu wenig Essen auf der Welt, es muss nur umverteilt werden“. Im globalen Norden werde verschwendet, während im globalen Süden Menschen hungern müssten.
DEMO vor dem Amtsgericht Ravensburg sollte auf Missstände aufmerksam machen
Um auf diese Situation aufmerksam zu machen, verteilte eine kleine Gruppe von Aktivisten bei einer Demo vor dem Amtsgericht Ravensburg am vergangenen Donnerstag Tomaten, Gurken sowie andere Waren, die sie aus den Müllcontainern von Discountern gerettet hatten. Wie inzwischen feststeht, wollten Charlie Kiehne und Samuel Bosch mit ihrer Aktion nur auf diesen weltweiten prekären Zustand aufmerksam machen. Denn Samuel Bosch wurde bereits bekannt durch seine vielen Klima-Aktivitäten, über die auch Regio-TV berichtet hatte https://www.regio-tv.de/mediathek/video/5-fragen-zwischen-tuer-und-angel-klima-aktivist/. Vermutet wird, dass der Justiz -gerade im Ravensburger Raum- mit dieser Aktion die „Augen geöffnet“ werden sollte. Inzwischen werden auch Forderungen laut, dass sich die Rechtslage in Bezug auf Lebensmittelrettung ändern muss.
Ironische Äußerung von Samuel Bosch während der Gerichtsverhandlung: „Ja da habe ich gesündigt“
Beide Jugendliche sind laut Schwäbischer Zeitung vom 27.07.2022 vom Amtsgericht Ravensburg zu Sozialarbeitsstunden verurteilt worden. Von der Staatsanwaltschaft Ravensburg wurde Anklage erhoben. Die Richterin ist jedoch nicht deren Forderungen gefolgt, ihnen eine Strafe von 20 Sozialarbeitsstunden aufzuerlegen. Sie reduzierte diese auf jeweils 10 Stunden pro Person, weil eine große Schwere einer Straftat nicht zu erkennen gewesen sei. Charlie Kiehne und Samuel Bosch glauben auch nach ihrer Verurteilung, das Richtige getan zu haben. Sie wollen auch künftig das „Containern“ nicht unterlassen. Die ironische Äußerung von Samuel Bosch wurde von der Schwäbischen wie folgt wiedergegeben: „Ich bereue zutiefst, dass ich gutes Essen aus der Tonne gezogen und an Bedürftige verteilt habe. Dabei hätte es so schön in der Tonne vergammeln und anschließend verbrannt werden können. Durch meine Untat hat es Bedürftige gesättigt, obwohl die doch eigentlich hätten hungern sollen. Ja da habe ich gesündigt“.
LINKE stellen Antrag „Containern zu entkriminalisieren“
Das Thema „Essbare Ware in Müllcontainer“ von Discountern wurde bereits mehrfach im Bundestag diskutiert. Die Fraktion Die LINKE stellten im Deutschen Bundestag daher den Antrag, das sogenannte „Containern“ zu entkriminaliseren. Ihr Antrag wurde allerdings abgelehnt. Inzwischen werden Forderungen laut, die Gesetzgebung analog wie in Frankreich zu ändern. Dort entschied das Parlament bereits vor sieben Jahren einstimmig, dass größere Supermärkte ihre Nahrungsmittelreste nicht mehr in Containern entsorgen dürfen, sondern den Überschuss an wohltätige Organisationen spenden müssen. Zur Not als Tierfutter oder Düngemittel.
Auch im Großdorf Haßloch gibt es Lebensmittelretter
Auch im Großdorf Haßloch gibt es Lebensmittelretter. Engagierte Gruppen, u.a. auch die Tafeln bewahren Obst, Gemüse, Fleisch und Backwaren vor der Tonne. Seit einigen Jahren werden an einigen Ausgabestellen, zum Beispiel bei Anna Krämer in der Kirchgasse 43, abgelaufene Lebensmittel angeboten. Unsere Redaktion konnte sich einige Male vor Ort einen Überblick verschaffen. Die Pfälzer Lebensmittelretter sammeln Waren, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in den normalen Verkauf gehen können, aber genießbar sind. Ursache kann sein, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist oder es sich um Fehlverpackungen handelt, oder auch, weil zum Beispiel Obst und Gemüse unansehnlich geworden ist. Jede Woche im Sammeleinsatz ist auch die Tafel Neustadt-Haßloch in den Super- und Großmärkten, im Lebensmitteleinzelhandel, bei den Bäckereien, Metzgereien und bei Landwirten der Region. Und hier die WhatsApp-Nachrichten, wie die Lebensmittel von Anna Krämer beworben und verteilt werden:
Lebensmittelretter bieten Ware über WhatsApp-Gruppen an – Tafel gibt Ware nur an Hilfsbedürftige aus
Im Gegensatz zu der Tafel Haßloch-Neustadt bieten die Lebensmittelretter ihre gesammelten Waren über WhatsApp-Gruppen denjenigen an, die sich bei ihnen erfassen lassen oder einfach vorbeischauen wollen. Sie sortieren zwar auch die Artikel vor, überlassen es jedoch jedem selbst, nach Schmecken, Riechen und Aussehen zu entscheiden, ob etwas noch essbar ist. Verfallsdaten seien für sie nicht so bindend wie für die Tafel. Die Tafel hingegen achte vor ihrer Ausgabe der Lebensmittel auch auf die Bedürftigkeit der Empfänger, was bei den Lebensmittelrettern derzeit noch keine Rolle zu spielen scheint. Die Verteilung der Ware bei den Lebensmittelrettern laufe laut Aussage einer Insiderin nach „frei Schnauze“. Wer zuerst komme, male zuerst, heißt es aus diesen Kreisen weiter. Bei der Tafel erhalten nur diejenigen mit Tafelausweis Ware, die Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Bezieher von Kleinrenten oder geringem Lohn seien. Die Tafelvereine würden grundsätzlich nur die eigentliche staatliche Aufgabe der Existenzsicherung der Bürger unterstützen, wurde unserer Redaktion erklärt.
Verurteilter Samuel Bosch weist auf Notlage der Weltorganisationshilfe (WHO) hin
Unsere Redaktion ist deshalb dieser Thematik nochmals nachgegangen und hat eine Presseanfrage an politische Mandatsträger in Berlin gerichtet. Einige Rückmeldungen haben wir bereits erhalten, dass sich die Rechtslage bezüglich der Lebensmittelrettung ändern muss. Einige äußern, dass die Gesetzgebung dringend der in Frankreich angepaßt werden müsse. Uns so kommen wir wieder zurück zu Samuel Bosch in Ravensburg, der auf diese „Notlage“, auf die auch die Welthilfsorganisation (WHO) immer wieder hinweist, mit seiner Aktion beim Amtsgericht Ravensburg aufmerksam gemacht hatte, was dringend notwendig war.
Auch als Klimaaktivist hat Samuel Bosch mehrmals auf sich aufmerksam gemacht. Er ist in der Vergangenheit auch bereits vom Amtsgericht Ravensburg zu 70 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Er stand wegen seiner Klimaproteste das zweite Mal vor Gericht. Bosch wurde im aktuellen Fall schuldig gesprochen wegen Nötigung, Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Hausfriedensbruchs. Mehrere Medien hatten bereits darüber berichtet, darunter das WOCHENBLATT, https://www.wochenblatt-news.de/nach-verurteilung-von-klimaaktivist-samuel-bosch-wegen-gruendung-der-alti-besetzung-gehen-aktivisten-in-berufung/, die Schwäbische https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-ravensburg/ravensburg_artikel,-vom-einem-stadtbaum-in-ravensburg-aufs-brandenburger-tor-in-berlin-_arid,11402746.html und der Sender des SWR https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/klimaaktivist-amtsgericht-ravensburg-sozialstunden-baumbesetzung 100.html#:~:text=Klimaaktivist%20Samuel%20Bosch%20ist%20vom,gegen%20das%20Versammlungsgesetz%20und%20Hausfriedensbruchs