Was, wenn ein Arzt öffentliche Tipps zur Sterbehilfe gibt und in Haft gerät?
Sterbehilfe ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Juristen unterscheiden zwischen assistiertem Suizid sowie aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe. Doch was bedeutet das und was ist erlaubt und was strafbar? Darüber berichtete der NDR am 22.11.2022. Ein Video-Beitrag des ZDF eines 23-jährigen Unfall-Verletzten, der sich für einen assistierenden Suizid am 05. Februar 2022 entschied, ist dramatisch und bewegend zugleich. Es könnte aber auch sein, dass Betroffene die Sterbehilfe aus unterschiedlicher Sichtweise beurteilen. Die Einen die Sterbehilfe deshalb „ablehnen“ und die Anderen diese „befürworten“.
Nach diesem NDR-Bericht heißt Beihilfe zum Suizid, dass bei der Selbsttötung von „Dritten“ geholfen wird. Zum Beispiel, indem ein tödliches Mittel beschafft oder bereitgestellt wird. Entscheidend sei bei der Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe, dass der Patient das Medikament selbst einnimmt. Doch was, wenn der Arzt selbst illegal Sterbehilfe leistet? Einem Bericht der WELT vom 13.04.2022 war zu entnehmen, dass ein dänischer Arzt vom EGMR verurteilt wurde, weil er todbringende Medikamente verschrieben und Tipps zur Selbsttötung gegeben hatte. Außerdem habe dieser dänische Arzt einen Ratgeber zur Selbsttötung veröffentlicht. Deshalb wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berief er sich auf Meinungsfreiheit, doch der EuGR gab den dänischen Gerichten Recht. https://www.welt.de/politik/article238151017/Europaeischer-Gerichtshof-Aerztliche-Sterbehilfe-nicht-durch-Meinungsfreiheit-gedeckt.html
Noch ist in Deutschland Tötung auf Verlangen gemäß § 216 Strafgesetzbuch strafbar
Auch in Deutschland ist aktive Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB strafbar und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärte, hat sich der Bundestag Anfang März 2023 erneut mit diesem Thema befasst. Nach der Orientierungsdebatte und der ersten Lesung im Bundestag gibt es drei verschiedene Gesetzesinitiativen, die die Sterbehilfe in Deutschland neu regeln wollen. Bis zur Sommerpause soll über die Neuregelung der Sterbehilfe neu abgestimmt werden. Wie bei Fragen der Ethik üblich gibt es keinen Fraktionszwang, die Vorschläge werden fraktionsübergreifend von Parlamentariern unterstützt.
Koalitionspartner im BUND: SPD, GRÜNE und FDP unterbreiten ihre Vorschläge:
SPD-Politiker Lars Castelucci:
Der Entwurf des SPD-Politkers Lars Castelucci und der von 85 weiteren Abgeordneten sieht vor, dass Assistierte Suizide grundsätzlich strafbar sind, unter bestimmten Voraussetzungen aber erlaubt werden. Dafür muss die Person, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, volljährig sein, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen lassen und ein Beratungsgespräch absolvieren. Ein Gutachter soll deshalb hinzugezogen werden, um die psychische Stabilität des Betroffenen zu prüfen und ob Druck von außen auf ihn ausgeübt wurde. Außerdem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Sterbehilfevereine strenger kontrolliert werden sollen. Castelucci argumentiert: „Flächendeckende Suizidberatungsstellen sind Suizidförderungseinrichtungen. Je mehr Möglichkeiten und Angebote es gibt, je leichter erreichbar Suizide sind, umso mehr Suizide wird es geben“.
Die Gruppe um die GRÜNEN-Politikerin Künast:
Die Grünen-Politikerin Renate Künast sieht durch ein „psychatrisches Gutachten“, wie es im Entwurf von der Gruppe Castellucci enthalten ist, das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung ad absurdum geführt. Sie will das Recht auf Selbstbestimmtes Sterben stärken und den Assistierten Suizid, der sich derzeit noch in einer Grauzone befindet, gesetzlich verankern. Ihrem Gesetzentwurf nach, den eine Gruppe von 45 Abgeordneten unterstützt, kann grundsätzlich jeder Suizidhilfe wahrnehmen. Eine Beratungspflicht gibt es dennoch: Eine unabhängige Beratungsstelle soll sicherstellen, dass der Sterbewunsch dauerhaft vorhanden ist. „Da müssen mindestens zwei Monate dazwischenliegen“, habe Künast gesagt. Künast argumentiert: Menschen in medizinischer Notlage sollen schnellere Suizidhilfe bekommen. Ein Arzt darf ein entsprechendes Betäubungsmittel verschreiben, wenn auf alle medizinischen Mittel hingewiesen worden ist, die das Leid lindern können. Zudem muss der Sterbewunsch des Patienten schriftlich fixiert sein.
Gruppe Helling-Plahr von der FPD:
Der Entwurf einer Gruppe von 68 Abgeordnenten um die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr will das „Recht auf einen selbstbestimmten Tod“ gesetzlich verankern. Jeder, der aus freiem Willen sein Leben beenden möchte, habe das Recht dabei Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Wir haben da als Staat nichts zu steuern. Wir haben nicht dafür zu sorgen, dass es mehr oder weniger Suizide gibt, wenn sie selbstbestimmt sind“, sagt Katrin Helling-Plahr. Sterbewillige sollen sich von einem Arzt ein „Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung“ verschreiben lassen dürfen. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Beratung durch eine entsprechende Stelle. Die Verschreibung soll grundsätzlich frühestens zehn Tage nach der Beratung und spätestens acht Wochen danach erfolgen.
Die Berliner Koalition: GRÜNE und FDP wollen bei der Durchsetzung der Sterbehilfe kooperieren. Im Gegensatz zu den GRÜNEN und der FDP hat der SPD-Politiker Lars Castelucci vernünftige Argumente eingebracht, warum er dieser Form der Sterbehilfe nicht zustimmen kann. Auch die Tragweite von GRÜNEN und FDP kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden und der Gesetzesentwurf erfordert im Bundestag sicherlich noch einige Debatten. Über eine endgültige Entscheidung zu diesem Gesetzesentwurf muss der Bundestag ohnehin zustimmen.
Wenn ein 23-Jähriger freiwillig aus dem Leben scheidet?
Doch es gibt sicherlich noch viele andere Dinge, die bei einem selbstbestimmtem Suizid zu regeln sind. Das Schicksal eines 23-jährigen Profibaskettballspieler aus der Nähe von Leipzig hat viele Menschen über die Region von Sachsen hinaus im vergangenen Jahr bewegt. Durch eine Spendenaktion wurden ihm großzügige Spenden zuteil, die ihm das Leben als Querschnittsgelähmten erleichtern sollte. Doch auch diese Spenden brachten ihm seine Gesundheit nicht mehr zurück. Er hatte sich durch assistierten Suizid am 05.02.2022 das Leben genommen. Danach wurde sein Leben auf WIKIPEDIA zusammengetragen und mehrere Medien haben darüber berichtet, https://de.wikipedia.org/wiki/Noah_Yannik_Berge
Doch es gibt auch alte und gebrechliche Menschen, die freiwillig ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Auch hier gibt es Hinterbliebene, die die Sterbehilfe womöglich mit den Betroffenen zuvor geregelt haben? Und es taucht immer wieder die berechtigte Frage auf, was wird aus der Lebensversicherung eines Betroffenen, wenn er sich freiwillig das Leben nimmt? Mit Sicherheit haben sich die Berliner Abgeordneten noch keine Gedanken darüber gemacht? In „Klauseln“ einer Versicherungspolice stehen feste Regeln, dass Auszahlungen einer Lebensversicherung an Hinterbliebene nur vorgenommen werden dürfen, wenn von einem natürlichen Tod, durch Unfall oder Krankheit ausgegangen werden kann. Ein Selbstmord schließt eine Zahlung einer Versicherungssumme an Hinterbliebene nämlich aus. Denn ein selbstbestimmtes Ableben ist ein Suizid.
Es gibt nicht nur solche unausdiskutierten Fragen über die Hilfe von einem selbstbestimmten Ableben, auch die Video-Dokumentation des ZDF über den attestierten Suizid des jungen Spitzensportlers Noah Berge wirft einige Fragen auf. Deshalb war es auch wichtig, den Verein Sterbehilfe mit Sitz in Zürich und ihrem Deutschlandbüro in der Hamburger Schanzenstraße, unter die Lupe zu nehmen. Es ist ein Dokumentarfilm von Tina Soliman über den 23-jährigen Profibaskettballspieler, der auch Mitglied des Vereins Sterbehilfe war. Noah lag nach einem Unfall tagelang im Koma. Als er erwachte, musste der damals 20-Jährige erfahren, dass er sich nie wieder bewegen kann. Er war vom Hals abwärts gelähmt. Am 5. Februar 2022 wurde er vom Verein beim Suizid begleitet. Es drängt sich nach der Veröffentlichung dieses Video-Beitrags für Viele der Gedanke auf: Kann man für eine Entscheidung eines attestierten Suizid auch Menschen manipulieren? Fachleute sagen: Mit Psychologie kann man alles erreichen. Aufgrund seiner Querschnittslähmung und der Tatsache, dass er dauerhaft rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen war, empfand der ehemalige Sportler das Leben, nach eigener Aussage, nicht mehr als lebenswert. Dennoch bemühte er sich mehrere Jahre aktiv darum sich Aufgaben zu suchen, die ihm Freude machten und mit seiner Behinderung vereinbar waren. So wurde er unter anderem Co-Trainer bei seinem ehemaligen Verein, den Leipziger Uni-Riesen und belegte ein Fernstudium in Psychologie, außerdem hielt er den Kontakt zu Freunden und seiner Familie und besuchte weiterhin Konzerte. Und mit Dr. med. Großmann, dem Ärztlichen Leiter des Vereins Sterbehilfe, Facharzt für Psychologische Medizin und auch Psychotherapeut, fand der junge Noah Berge seinen Unterstützer?
Die Autorin Tina Soliman über ihren Film mit Noah
„Er hat es versucht. Drei Jahre lang. Doch er sah sich so nicht. Das war er nicht. Punkt“. Mein Kameramann Torsten Lapp und ich lernen Noah Berge erst wenige Wochen vor seinem Tod kennen. Er hat ihn genau geplant, sogar für seine Lieben einen Song komponiert und eingesungen, seine Rede für die Trauerfeier aufgenommen, sein Sterbedatum festgelegt. Noah Berge ist erst 23 Jahre alt und wird den assistierten Suizid in Anspruch nehmen. Der Todestag soll der 5. Februar 2022 sein. Fünf war seine Glückszahl, die Zahl auf seinem Trikot. Noah Berge war Profibasketballer. Doch ein Tag im Oktober 2018 beendete dieses Leben. Ein Verkehrsunfall. Seitdem kann er sich vom Hals abwärts nicht mehr bewegen“. Und hier der Video-Beitrag dazu: https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-der-tod—die-beste-entscheidung-meines-lebens-102.html. Nach einem solch schweren Verkehrsunfall ist man vermutlich traumatisiert, also braucht mach einen Psychologen, von dem man betreut wird. Um sein Schicksal anzunehmen, dauert es in der Regel Monate, wenn nicht sogar Jahre, bis man sein Schicksal annimmt. Nur bei guten Psychologen ist ein Betroffener in guten Händen?
Und so schließt sich wieder der Kreis und wir gelangen erneut zum attestierten Suizid und dem Schweizer Verein Sterbehilfe, der auch eine Niederlassung in Hamburg hat. Dem Ärzteteam des Vereins steht Dr. med. Martin Goßmann als Leitender Arzt vor. Er ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapeut. Im Interview mit „Männer“ in der Internetplattform Queer beantwortet der Experte für Paarbeziehungen Fragen zu Jugendwahn und erfolgreichem Altern, siehe Bericht dazu: https://www.queer.de/detail.php?article_id=18485. Queer.de ist ein LGBTI-Onlinemagazin, das seit 1. Oktober 2003 als selbstständiges Medium erscheint. Herausgegeben wird das Magazin von dem Kölner Unternehmer Queer Communications GmbH, welches aus einigen Mitarbeitern und Freunden besteht. Das Magazin wird regelmäßig, vor allem von rechten und konservativen Kreisen und Organisationen abgemahnt und verklagt, siehe den Link dazu https://dewiki.de/Lexikon/Queer.de.
Dennoch hinterlässt der Video-Beitrag vom ZDF bewegende Eindrücke, insbesondere was den jungen Sportler Noah Berge betrifft, der mit 23 Jahren nach einem schweren Verkehrsunfall freiweillig aus dem Leben schied. Aber es bleiben auch viele Fragen für ein „Für“ und „Wider“ der gesetzlichen Sterbehilfe offen. Fragen, die möglicherweise für viele Bürgerinnen und Bürger und auch für Betroffene bei einer endgültigen Entscheidung zur Sterbehilfe, noch nicht beantwortet sind. Denn ein „Für“ und ein „Wider“ hat viele Facetten, die auch unterschiedlich gewertet und auch zu behandeln sind. Vielleicht konnte unsere Redaktion mit diesem Bericht einige „Denkanstöße“ geben? Wichtig wäre vor allem, wenn die Politik vor ihrer Entscheidung zur „Sterbehilfe“ genauer hinschauen würde. Ihre Meinung dazu, dürfen Sie unserer Redaktion gerne unter info@nachrichten-regional.de mitteilen.
Wir bleiben für Sie am Ball und werden unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden halten.