URTEIL im August erwartet
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Revision einer 99 Jahre alten ehemaligen Zivilangestellten der SS verhandelt, die sich gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und zum versuchten Mord in fünf Fällen wendet. Die Entscheidung soll am 20. August 2024, 10.00 Uhr, im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) in Leipzig, Simsonplatz 1, verkündet werden.
Vorinstanz: LG Itzehoe – Urteil vom 20. Dezember 2022 – 3 KLs 315 Js 15865/16 jug.
Nach 40 Verhandlungstagen im Prozess gegen eine frühere Sekretärin im KZ Stutthof hat das Landgerichts (LG) Itzehoe das Urteil verkündet. Die Strafkammer verurteilte die 97 Jahre alte Irmgard F. am Dienstag zu einer Strafe von zwei Jahren zur Bewährung wegen Beihilfe zum heimtückischen und grausamen Mord in mehr als 10.000 Fällen. Mindestens 1.000 Menschen seien mit dem Giftgas Zyklon B getötet worden. 9500 weitere seien infolge der bewusst herbeigeführten lebensfeindlichen Bedingungen gestorben. Lto hatte darüber berichtet https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-itzehoe-irmgard-nationalsozialismus-kz-stutthof-sekretrin-mord-beihilfe-jugendkammer
Die Frau soll von Juni 1943 bis April 1945 als Zivilangestellte in der Kommandantur von Stutthof bei Danzig gearbeitet und damit den Verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet haben. Weil sie zur Tatzeit erst 18 bis 19 Jahre alt war, wurde vor einer Jugendkammer verhandelt. In Stutthof und seinen 39 Außenlagern waren nach Angaben des Dokumentationszentrums Arolsen Archives zwischen 1939 und 1945 etwa 110 000 Menschen aus 28 Ländern inhaftiert. Fast 65 000 überlebten nicht.
Als ausgebildete Stenotypistin arbeitete Irmgard F. im Vorzimmer des Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe. Sämtliche Befehle seien dort erstellt worden, sagte der Vorsitzende Richter Dominik Groß. „Der Angeklagten ist in ihrer Zeit in Stutthof nicht verborgen geblieben, was dort geschah.“ Sie sei an der entscheidenden Schnittstelle des Lagers tätig gewesen. Sie habe ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Hoppe gehabt und ihn bei der Flucht 1945 sogar bis zum Lager Wöbbelin in Mecklenburg begleitet.
Von ihrem Dienstzimmer aus habe sie den Sammelplatz sehen können, wo ankommende elende Gefangene oft tagelang warten mussten. Das Krematorium sei im Herbst 1944 ununterbrochen in Betrieb gewesen. Rauch und Gestank hätten sich über das Lager verbreitet. Es sei „schlicht außerhalb jeder Vorstellungskraft“, dass die Sekretärin von den Massentötungen nichts bemerkt habe. Irmgard F. habe ihrer Dienstverpflichtung zugestimmt. Aber, so der Richter: „Die Angeklagte hätte jederzeit ihre Anstellung kündigen können.“
Es wird weiter über den Ausgang des Verfahrens berichtet.
Quelle: BHG Leipzig