Dr. Axel Wilke (CDU): Unstimmigkeiten zwischen Rot und Grün werden auf dem Rücken der Opfer ausgetragen
Als „enttäuschend“ bezeichnet es der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Axel Wilke, dass die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der gestrigen Plenarsitzung nicht für eine Verschärfung des sog. „Stalking-Paragraphen“ gestimmt haben. Unstimmigkeiten zwischen den regierungstragenden Fraktionen würden hier auf dem Rücken der Opfer ausgetragen.„Es ist schade, dass die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich nicht durchringen konnten, unserem Antrag für einen wirksameren Schutz von Stalking-Opfern zuzustimmen.
Stattdessen wurde der Antrag zunächst ohne stichhaltige Begründung in den Ausschuss überwiesen und seine abschließende Behandlung damit ins nächste Jahr verschoben. Während die Fraktion der SPD und auch der Justizminister bereits zugesagt haben, hier einen gemeinsamen Weg mit der CDU-Fraktion zu gehen, ist die Verabschiedung offensichtlich am Widerstand der GRÜNEN gescheitert. Die GRÜNEN haben damit auch den Justizminister im Regen stehen lassen“, so Dr. Wilke. Leidtragende seien die Opfer, denen ein besserer Schutz versagt bleibe.
Wer aber – wie die GRÜNEN – beim Thema Stalking auf bessere Prävention setze, habe das Problem nicht verstanden. Neben einer guten Opferbetreuung brauchten Opfer von Nachstellungen auch den vollen
Schutz des Strafrechts. So sei es inzwischen auch einhellige Auffassung in der Justizministerkonferenz. Der Landtag stellt fest:Jeden Tag ein Strauß Rosen vor der Tür, Nachrichten an Haustür oder Auto, Nachstellungen vor dem Büro, dem Zuhause, beim Spaziergang oder Hobby, ungewollte Bestellungen oder
Inserate im Namen des Opfers, die Mailbox voll mit Liebesschwüren – oder Drohungen, tägliche Telefonanrufe oder SMS – zu Tag- und Nachtzeiten, ständiges Klingeln an der Wohnungstür: „Stalking“ hat viele Gesichter.
Die Erscheinungsformen sind vielfältig und greifen erheblich in die Privat- und Intimsphäre ein. Massive Formen des Stalking führen zudem häufig zu einer erheblichen Traumatisierung des Opfers und reichen bis hin zu Körperverletzungs- und Tötungsdelikten. Zur Bekämpfung des Phänomens des Stalkings wurde im Jahre 2007 der Straftatbestand der Nachstellung geschaffen. Er war ein Meilenstein im Kampf gegen Stalking. Denn seitdem können Polizei und Justiz frühzeitig gegen Stalking vorgehen.
Erfahrungen aus der Praxis haben aber auch gezeigt, dass nicht alle strafwürdigen Fälle auch tatsächlich von dieser Vorschrift erfasst sind. Bisher ist es erforderlich, dass es durch das beharrliche Vorgehen des Täters tatsächlich zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers gekommen ist, die an objektiven Umständen festgemacht werden kann. Das Gesetz lässt eine psychische Belastung – und sei sie auch noch so stark – alleine nicht ausreichen.
Die psychische Last muss sich vielmehr deutlich im Verhalten des Opfers niederschlagen. Erst wenn sich das Opfer z. B. gezwungen sieht umzuziehen oder seinen Arbeitsplatz zu wechseln, hat seine Strafanzeige auch Aussicht auf Erfolg. Opfern, die sich dagegen nach außen unbeeindruckt zeigen, um Stärke zu
demonstrieren, und so weiterleben wie bisher, kann kaum geholfen werden. Die Strafbarkeit hängt also nicht von der tatsächlich bewirkten Beeinträchtigung des Opfers ab, sondern allein von der Art und Weise, in der das Opfer ihr zu entgehen versucht.
Es hängt somit im Ergebnis von der Persönlichkeit des Opfers ab, ob das Verhalten des Täters strafbar ist
oder nicht. Effektiver Opferschutz sieht anders aus.Gerade beim Stalking gibt es ein starkes Missverhältnis zwischen angezeigten Delikten und späteren Verurteilungen – 2010 standen zum Beispiel bundesweit 26.848 angezeigten Fälle lediglich 414 Verurteilungen gegenüber. Dies vermittelt dem Opfer ein Gefühl der Hilflosigkeit und ist geeignet, dessen Vertrauen sowie das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung nachhaltig zu erschüttern. Der Täter wiederum wird in seinem Gefühl bestärkt, nichts Verwerfliches getan zu haben.
Auf eine Initiative der bayerischen Staatsregierung hin hat sich die Justizministerkonferenz mit dem Thema befasst und im Rahmen ihrer Beratungen die justizielle Praxis befragt. Auf dieser Grundlage hat sich die Justizministerkonferenz auf ihrer Herbsttagung füreine Änderung des Strafgesetzbuchs ausgesprochen. Demnach sollte es für eine Strafbarkeit ausreichen, dass das Verhalten des Täters geeignet ist, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebenssituation des Opfers herbeizuführen – unabhängig davon, ob das Opfer seinen äußeren Lebenslauf tatsächlich maßgeblich ändert oder nur psychisch dagegen ankämpft.
Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung dazu auf, eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches zu unterstützen. § 238 Abs. 1 StGH soll von einem Erfolgsdelikt in ein
Eignungsdelikt umgestaltet werden: Entscheidend für die Strafbarkeit darf nicht länger sein, ob die Tat eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat. Es muss ausreichen, wenn sie geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. (red.)