Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht bekommen!!
Marion Waade, Gründerin und 1. Vorsitzende des Bundesverbandes ANUAS e.V., Berlin, ist mit ihrer Forderung einer 3. Opferrechtsreform bis vor den Europäischen Gerichtshof gezogen und hat Recht bekommen. 2009 hat sie eine Anfrage bei der Europäischen Union eingereicht und prüfen lassen, inwieweit die Opferrechte in Deutschland geschützt sind und ob es Gesetze gibt, die bei der Anwendung der Gesetzgebung eingesetzt werden. Daraufhin hat die EU eine Verbandsanhörung chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://anuas.de/files/tao/pdf/anhoerungsfragebogen.pdf durchgeführt, an der auch der Bundesverband ANUAS teilgenommen hatte. ANUAS konnte immerhin erreichen, dass Angehörige gewaltsamer Tötungen keine Hinterbliebenen im üblichen Sinne sind, sondern als Mitopfer gelten. Familienangehörige von Personen, die infolge einer Straftat zu Tode kamen, zählen zu den Opfern und genießen dieselben Rechte wie die Opfer selbst einschließlich des Rechts auf Information, Unterstützung und Entschädigung, siehe Richtlinie 2012/29/EU v. 25.10.2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (Umsetzung in nationales Recht 16. 11. 2015)
Darüber gibt es auch eine Forschungsstudie die besagt, dass Angehörige die gleichen Rechte wie die Opfer haben, wenn diese überlebt hätten. Seit dieser Zeit erhält die EU jedes Jahr einen Sachstandsbericht vom bundesweiten Bundesverband ANUAS. Ihr eigener Fall (Tötung der Tochter von Marion Waade in Griechenland) war für sie und Mitbetroffene die Voraussetzung, dass ANUAS im Jahre 2008 gegründet wurde. Schon damals stellte Waade fest, dass es keinerlei Hilfe für die Mitopfer – also die Angehörigen gewaltsamer Tötungen – gibt. Anlass für sie und ihre Mitstreiter genug, bereits im Jahre 2009 an die EU heranzutreten.
Die Geschichte über den Tod der Tochter von Marion Waade hört sich heute an wie ein Kriminalroman. Und doch ist sie wahr. So sei der Leichnam ihrer Tochter (deutsche Staatsangehörige) in Griechenland beerdigt worden, bevor die Familie überhaupt wusste, dass die Tochter tot ist. Eine wahre Geschichte, die auch heute noch alle fassungslos macht. NACHRICHTEN REGIONAL wird noch gesondert darüber berichten.
Seit dieser Zeit setzt sich Marion Waade mit ihrem Mann Günter und vielen Mitbetroffenen bei ANUAS ausschließlich für Angehörige von Mordfällen ein. Sie setzen sich nicht für überlebende Opfer ein, denn dafür gebe es andere Verbände, wie zum Beispiel den Weißen Ring, erklärt Waade. Deshalb unterscheide sich ANUAS von anderen Opferhilfsorganisationen, weiß sie weiter zu berichten. Es gebe in der EU nur zwei Betroffenenorganisationen von Mitopfern, das sei der Verein AdVIC e.V. in Irland, der sich nur um politische Angelegenheiten kümmere und ANUAS in Deutschland, der sich für die Sensibilisierung in Politik und Gesellschaft stark mache und gleichzeitig die Hilfe zur Selbsthilfe für diese Opfer, als gesundheitspräventive Nachsorge koordiniere. Vorderstes Ziel von ANUAS sei, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und auf Einhaltung der Menschenrechte zu achten.
Über das Engagement von Marion Waade im Bundesverband ANUAS e.V. hat NACHRICHTEN REGIONAL mit der Vorsitzenden ein Interview geführt und einiges bei ihr hinterfragen können.
NR:
Frau Waade, Sie engagieren sich schon viele Jahre, dass Angehörige von Tötungsdelikten als Opfer anerkannt werden. Wie sind hier Ihre Vorstellungen?
Marion Waade:
Vordergründig ist es nötig, dass Mit-Opfer als Angehörige gewaltsamer Tötung anerkannt und geachtet werden. Die EU-Richtlinie zum Mindeststandard für Gewaltopfer gibt eindeutige Mindestforderungen vor. Diese sind in Deutschland, bezogen auf Mit-Opfer nicht gewährleistet. Betroffene werden mit ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen nicht gehört und verstanden. Bedarfe für Hilfsangebote fehlen in Deutschland und müssen geschaffen werden, siehe Richtlinie 2012/29/EU v. 25.10.2012
NR:
Sie sind ja selbst Betroffene. Sie haben ihre Tochter durch einen Tötungsdelikt verloren. Was genau ist hier passiert?
Marion Waade:
Unsere Tochter ist nach Griechenland gegangen, weil ein 25 Jahre älterer griechischer Musiker ihr versprochen hat, ihr eine Gesangsausbildung zu ermöglichen. Als sie merkte, dass dieser Mann sie in ihrer Entwicklung nicht weiter brachte, nahm sie ihre Entwicklung selbst in die Hand. Sie fing u.a. ein Studium in Athen an für deutsche Geschichte und Literatur und nahm nebenbei privaten Unterricht bei einer Gesangslehrerin. Nach vielen Eifersuchtsszenen und Aggressionen, entschied unsere Tochter, die Beziehung zum Griechen zu beenden. Sie wollte das Leben und die Länder kennen lernen und sich weiterentwickeln und nicht in einer Beziehung hängen bleiben. Sie mietete in Athen eine eigene Wohnung an und vereinbarte mit dem Griechen in seiner Eigentumswohnung in Athen einen Termin zur Absprache, wie und wann der Umzug erfolgen sollte. An diesem Tag waren drei Griechen in der Eigentumswohnung, der ehemalige Partner und seine zwei „Sandkastenfreunde“, wie er selber diese nannte. Bekannt ist, dass es einen großen Streit gab, … ein Messer eine Rolle spielte und mutmaßlich kleinere Kämpfe. Den Tag hat unsere Tochter nicht überlebt. Am Folgetag hätte meine Tochter eine Semesterabschlußprüfung an der Uni gehabt, zu dieser ist sie nicht mehr erschienen, die Mitstudentin hat auf sie gewartet und versucht, sie zu erreichen.
NR:
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurde ihnen anfangs jegliche Hilfe bei der Aufklärung des Tod Ihrer Tochter versagt. Ihre Tochter ist doch in Griechenland zu Tode gekommen. Wie konnte so etwas eigentlich geschehen?
Marion Waade:
Die deutschen Behörden in Baden Württemberg, die für den Fall zuständig waren, weil der letzte Wohnsitz unserer Tochter dort war, haben keinerlei Anstrengungen unternommen. Wir als Eltern haben versucht, den Fall nach Berlin zu bekommen … der BGH hat auf Empfehlung der Behörden abgelehnt. Auf Empfehlung der Familie, einen Antrag auf Rechtshilfeersuchen in Griechenland zu stellen, wurde bis 2022 nicht vorgenommen. Der griechische Lebenspartner hat in Griechenland mitgeteilt, dass sie psychisch instabil war und sich selbst umgebracht hat. Bei der Äußerung Suizid wird erfahrungsgemäß nichts mehr gemacht. Wir als Familie haben uns auf den Art. 2 der MRK – Recht auf Leben bezogen. Damit haben Angehörige das Recht zu erfahren, was passiert ist. Die Familie hat mehrfach den Antrag in Deutschland und Griechenland gestellt, den Leichnam zu exhumieren, zu obduzieren und nach Deutschland zu überführen. Deutschland hat darauf nicht reagiert und nicht unterstützt … Griechenland hat die Forderung abgelehnt, trotzdem es sich um eine deutsche Staatsangehörige handelt. Dr. Mark Benecke hat sich bereit erklärt, mit seinem Team die Untersuchung des Leichnams in Griechenland vorzunehmen, dieses ist durch die griechischen Behörden ebenfalls abgelehnt worden. Es sind so viele Menschenrechtsverletzungen in dem Fall erfolgt, dass dieses ausführlich dargelegt werden muß. Wir haben uns entschieden, am 30. 07. 2024 eine Webseite zu dem Fall zu veröffentlichen. An der Seite wird zur Zeit sehr intensiv bearbeitet.
NR:
Ihre Tochter ist doch am 25. 06. 2007 in Griechenland ums Leben gekommen. Inzwischen steht ja fest, dass sie keines natürlichen Todes gestorben ist. Wie konnte so etwas überhaupt geschehen?
Marion Waade:
Wie bereits vorher erwähnt … es ist unfaßbar wie wenig Unterstützung Mit-Opfer erhalten. Das war ja 2008 ein Grund, weshalb der ANUAS gegründet wurde. Es traten so viele andere betroffene Menschen an uns heran, welche gleiche Erfahrungen gemacht haben, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung in der Gründung der Hilfsorganisation gesehen haben.
NR:
Sie haben ja beim Europäischen Gerichtshof mit Ihrer Forderung einer 3. Opferrechtsreform Recht bekommen. Und dennoch wurde Ihre weitere Klage abgewiesen. Wie kann das passieren?
Marion Waade:
Hier muß unterschieden werden, das sind zwei Paar unterschiedliche Schuhe. ANUAS hat mitgewirkt an der Verbändeanhörung zur EU-Richtlinie, welche dann in Deutschland als 3. Opferrechtsreformgesetz umgesetzt wurde. Privat als Eltern haben wir uns wegen Menschenrechtsverletzungen beim Europäischen Gerichtshof beschwert. Auch diese Beschwerde wird auf der angekündigten Webseite zu lesen sein. Der Europäische Gerichtshof hat strenge Vorgaben, man hat z.B. nur 4 Monate nach einem letzten Bescheid Zeit, die Beschwerde einzureichen. Das kann man auch ohne Anwalt machen. Wir haben einen Anwalt genommen, der die Frist nicht eingehalten hat. Somit ist die Beschwerde abgelehnt worden.
NR:
Wie geht es nun weiter in Ihrem eigenen Fall? Geht Ihr Kampf weiter um mehr Gerechtigkeit?
Marion Waade:
Der Kampf um Gerechtigkeit wird immer ein Thema bei uns bleiben. Wir haben da auch noch einige Aktionen geplant. Die erste Aktion ist eine private Aktion – ist die Webseite unserer Tochter. Das wird keine Erinnerungs- oder Trauerseite sein, es wird eine Mahn- und Anklageseite werden. Dann werden wir vom ANUAS auch noch einige Aktivitäten ausführen. Dazu aber später mehr. Die Vorbereitungen laufen bereits.
NACHRICHTEN REGIONAL wird weiter für seine Leserinnen und Leser an diesem Fall am Ball bleiben. Und zur gegebenen Zeit darüber berichten.
Foto: Marion und Günter Waade