Zu einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Naturfreunde Ortsgruppe Ludwigshafen und der Freireligiösen Gemeinde Iggelbach zum Thema: „Vor 80 Jahren raubten die Nazis unsere Häuser“ ergeht herzliche Einladung an die Bevölkerung. In einer gemeinsamen Presseerklärung wird auf die Geschichte wie folgt eingegangen: „Von Ludwigshafener Arbeiterfamilien in den Jahren 1920/21 erbaut, wurde das Naturfreundehaus Harzofen Ostern 1933 von den Nazis überfallen. Das damals größte deutsche Naturfreundehaus wurde ausgeraubt. Die Kasse, Möbel, Inventar sowie die große Bibliothek wurden, wie eine zufällig ausgestellte, kostbare Schmetterlingssammlung geraubt. Die fast ketzerische Aufforderung „Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube“ prangte 1932 weithin sichtbar über dem Eingang an dem neuerbauten Heim der Freireligiösen Gemeinde Iggelbach.
Es war das einzige freireligiöse Heim in der damaligen bayrischen Pfalz, ja in ganz Süddeutschland. Männer der berüchtigten Sturmabteilung (SA) und der Schutzstaffel (SS) drangen nach einem Schreiben des Bürgermeisters von Elmstein in das Iggelbacher Heim der Freireligiösen ein und raubten es aus. Sie entfernten sofort die freireligiöse Losung über dem Eingang.
„Wir haben das nicht vergessen und werden das nicht vergeben“, lautet daher der Titel einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung am Sonntag, den 14. April um 14 Uhr 30 im Naturfreundehaus Harzofen in der Gemeinde Elmstein mitten im Pfälzer Wald.
Am 12. April 1933 empfahl der Bürgermeister der Gemeinde Elmstein an den Bezirkskommissar Petry (Sturmbannführer des SS-Sturmbannes IV/10 Neustadt), damals noch Neustadt an der Haardt die Beschlagnahmung zweier bedeutender Anwesen in der Gemeinde. Das Naturfreundehaus Harzofen der Ludwigshafener Ortsgruppe und das neuerbaute Haus Mühleck der Freireligiösen Gemeinde Iggelbach. Doch es waren nicht nur „nationale“ Beweggründe ausschlaggebend, sondern ganz einfach Raub von fremdem Eigentum. Denn die Begründung lautete : Elmstein, den 12. April 1933 „Enteignung von zu antinationalem Zweck verwendetem Gut.
„Beide Häuser eignen sich vorzüglich als Arbeitsdienstlager, das Naturfreundehaus Harzofen außerdem auch als Führerschule. Da in hiesiger Gemeinde und in den beiden hiesigen Forstämtern genug Arbeit für den Arbeitsdienst vorhanden ist, müßte ohnedies der Errichtung von Arbeitsdienstlagern nähergetreten werden.“
Während das Naturfreundehaus Harzofen ein Heim der NAPOLA (Nationalpolitische Lehranstalt) werden sollte, wurde das Haus Mühleck der Freireligiösen Gemeinde Iggelbach zwischen 1933 und 38 ein Erholungsheim der SS. Denn nicht nur die protestantische Kirche hatte den Freireligiösen den Fehdehandschuh hingeworfen. Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube stand genau im Widerspruch zu der nationalsozialistischen Auffassung von Freiheit in Diktatur, bedingungslosem Glauben an einen auserwählten Menschen und ein kommendes tausendjähriges Reich. Im Sommer 1941 waren im Haus Mühleck russische Kriegsgefangene untergebracht und ab September 43 hatte die chem. Fabrik Wöllnerwerke aus Ludwigshafen Räumlichkeiten hierher ausgelagert.
Im Naturfreundehaus Harzofen errichteten die Nationalsozialisten ein Mutter-Kind-Heim, später ein Teil des berüchtigten Lebensborn. Nach der Befreiung durch die US-Armee flohen die Nazis und hinterließen ca. 30 Säuglinge ohne Betreuung. Die Ludwigshafener Naturfreunde kümmerten sich ab April 1945 um sie.
Im Oktober 1945 wurde hier zunächst illegal die SPD Pfalz wiedergegründet.
Traditionelle Lieder zu Verfolgung und Widerstand ergänzen die Vorträge zu den später staatlich legalisierten Beschlagnahmungen und verschiedenen Verwendungen unserer Häuser im „Großdeutschen Reich“. Zeitgleich wurden auch die „Hütte im Kohlbachtal“ der Lambrechter Naturfreunde und das Naturfreundehaus Heidenbrunnental der Neustadter Ortsgruppe enteignet. Im zuletzt genannten sollte ein Lehrerinnenseminar des NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) eingerichtet werden.
Die uns zur Verfügung stehenden Dokumente geben viele Hinweise wie es zu der nationalsozialistischen Diktatur mit Beschlagnahmungen und der Vernichtung unzähliger Menschenleben kommen konnte. Einige davon zeigen wir in einer kleinen Ausstellung, am 14. April im NFH Harzofen.
Doch gleichzeitig veröffentlichen wir auch Dokumente, die das beängstigende Anwachsen dieser aus den Gräbern auferstandenen Neonazis und Untoten von gestern belegen. Mit ihrer verhetzenden, ausgrenzenden und erniedrigenden Propaganda versuchen sie, wieder einmal Menschen in ihre Rassentheorie von Herrenmenschen einzuordnen und dieses System mit Terror und Gewalt durchzusetzen.
Wir freuen uns deshalb, dass es gelungen ist, ein gemeinsames Zeichen gegen das Vergessen zu organisieren und möchten Mut machen, sich gegen alle Formen der Ausgrenzung, Erniedrigung, Verächtlichmachung, Verfolgung, Verschleppung und Ermordung zu wehren“, so die weitere Aussage der Presseerklärung. (red.)
www.naturfreundehaus-elmstein.de
www.freireligioese-pfalz.de