Die Musiker Sergej Igonin (Violine), Sergej Woronow (Klarinette) und Gerhard Betz (Klavier), sowie Annett Sinnwell (Erzählerin) führen am Freitag, 27. Juni 2014 um 18.30 Uhr im Haus am Westbahnhof ein Lehrerkonzert der Kreismusikschule Südliche Weinstraße auf.
Die Uraufführung der „Geschichte vom Soldaten“ fand mit einem kleinen Instrumentalensemble (Klarinette, Fagott, Trompete, Posaune, Violine, Kontrabass und Schlagzeug) 1918 unter der Leitung von Ernest Ansermet in Lausanne statt. Die kleine Besetzung bedeutet aber nicht, dass auch die Musik einfach gehalten wäre, im Gegenteil. Strawinsky verknüpft bekannte Genres (Marsch, Pastorale, Tango, Walzer, Ragtime, Choral) mit moderner Rhythmik und einer hochkomplexen Tonsprache. Im Jahr 1919 bearbeitete Strawinsky das Werk nochmals und gab eine fünfsätzige Konzertsuite für Violine, Klarinette und Klavier heraus.
Die Erzählung basiert auf zwei Geschichten aus einer Sammlung russischer Märchen von Alexander Afanasiev (1826-1871): Ein junger Soldat ist auf dem Weg von der Front nach Hause. Ihm begegnet ein Mann, der seine Geige haben möchte und ihm zum Tausch ein Zauberbuch anbietet, das die Dinge voraussieht und ihm zu viel Geld verhilft: Zu spät erkennt er, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Er wird zwar reich, aber unglücklich, denn er verliert seine Familie und alle, die ihm etwas bedeuten. Auf seiner Wanderung gelangt er schließlich in ein fremdes Land. Dort ist die Tochter des Königs unheilbar erkrankt, sodass der König in seiner Verzweiflung sie demjenigen zur Frau versprochen hat, der sie heilt. Erneut begegnet der Soldat dem Teufel, der das Einzige besitzt, was der Prinzessin zur Heilung verhelfen kann: die Geige. Aber wie soll er sie zurückbekommen? Solange der Soldat noch etwas besitzt, bleibt er in der Gewalt des Teufels. Entledigt er sich seines Geldes, dann ist er frei. Der Soldat lädt den Teufel zum Kartenspiel, verliert alles und säuft den Teufel unter den Tisch. Nun hat er die Geige wieder: Er heilt die Prinzessin und besiegt den Teufel – das Glück scheint vollkommen. Doch der Teufel gibt nicht auf. Er warnt den Soldaten: Niemals darf er die Grenze überschreiten, die in seine Heimat führt, niemals aus Heimweh oder Neugier zurückkehren, um seine Familie, seine Mutter wiederzusehen…
Wer im Schluss des Stückes an Strawinskys eigene Lebensgeschichte denkt, dem fallen sicherlich Parallelen auf. Der russische Komponist Igor Strawinsky (1882 bis 1971) lebte von 1910 an in der Schweiz. Es waren unruhige Zeiten, und mit dem Kriegsausbruch 1914 und der Revolution in Russland 1917 war das Reisen in Europa beschwerlich oder sogar unmöglich geworden. Strawinskys Kontakte in seine Heimat brachen zeitweise ab, die Schweiz wurde zum Exil. In dieser Zeit reiften bei Strawinsky und seinen Freunden, dem Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz, dem Dirigenten Ernest Ansermet und dem Maler und Bühnenbildner René Auberjonois Pläne für ein Musiktheater, das ganz ohne große Gesten auskommen und sogar von einer Wanderbühne aufgeführt werden kann. Gleichberechtigt sollten in diesem Musiktheater Musik, Schauspiel und Sprache ihren Platz haben. Einfachheit ohne Belanglosigkeit – das war die große Herausforderung. Das Ergebnis der Bemühungen war die „Geschichte vom Soldaten“. (red.)