Investigativjournalist Hans-Martin Tillack recherchiert für Correctiv
Wo sind Christian Lindners E-Mails geblieben? Diese Frage habe der renommierte Investigativjournalist Hans-Martin Tillack kürzlich in einer Recherche für Correctiv gestellt, teilt abgeordnetenwatch in einer Pressemeldung mit. Die verstörende Antwort an ihn: „Wenn sich Lindners ehemaliges Ministerium an die eigenen Regeln gehalten hat, sind sie jetzt gelöscht. Unwiderruflich“. Ein internes Dokument des Finanzministeriums habe klare Anweisungen gegeben: 180 Tage nach dem Ausscheiden eines Ministers werden dessen dienstliche E-Mails und Kalenderdaten automatisiert und endgültig vernichtet“, so die weiteren Informationen.
Für Christian Lindner sei dieser Stichtag Anfang Mai erreicht gewesen. 180 Tage zuvor hatte er seine Entlassungsurkunde erhalten – seither tickte die Uhr. Jetzt sind seine Mails höchstwahrscheinlich verschwunden. Dabei schreibe das Bundesarchivgesetz etwas anderes vor: Regierungsunterlagen dürfen nicht einfach gelöscht werden, dazu gehören auch Mail-Postfächer. Sie müssen dem Bundesarchiv angeboten werden – zur Sicherung, zur späteren Nachvollziehbarkeit, für die Öffentlichkeit. Genau das sei nicht geschehen. Trotz mehrfacher Aufforderung habe das Finanzministerium die Herausgabe von Lindners Mails und Kalenderdaten verweigert. Was Christian Lindner als Minister über seinen Dienstaccount kommunizierte, bleibt damit wohl für alle Zeit im Dunkeln?
Aber eine wichtige Korrespondenz konnte abgeordnbetenwatch dennoch retten. Nach jahrelangem Rechtsstreit habe das Berliner Verwaltungsgericht im März entschieden: Das Finanzministerium muss abgeordnetenwatch․de zwölf Textnachrichten zwischen Lindner und Porsche-Chef Oliver Blume herausgeben – die sogenannten Porschegate-SMS. Sie stammen aus dem Sommer 2022, kurz vor der entscheidenden EU-Abstimmung über das Aus für Verbrennungsmotoren. Lindner habe sich damals für Ausnahmen zugunsten von E-Fuels eingesetzt – ganz im Sinne von Porsche, das in Chile an einem entsprechenden Projekt beteiligt ist. Was genau in den Nachrichten stehe, wisse abgeordnetenwatch.de noch nicht. Aber dank der Klage dürfte sich das bald ändern. (Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig).
Mehr als zwei Jahre haben die Orgaisatoren von abgeordnetenwatch.de vor Gericht durchgehalten, um der Öffentlichkeit Zugang zu den Porschegate-SMS zu verschaffen. Im März habe ihnen das Berliner Verwaltungsgericht Recht gegeben. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kann das Finanzministerium möglicherweise Berufung einlegen und die Veröffentlichung weiter verzögern. Ein Zugang zu den SMS wäre ein großer Erfolg für die Informationsfreiheit. Die Öffentlichkeit könnte erstmals sehen, wie ein Cheflobbyist und ein Bundesminister sich auf dem kurzen Dienstweg und unter Ausschluss der Öffentlichkeit austauschen.
Versuche das Ministerium, die Herausgabe weiter zu blockieren, sei für abgeordnetenwatch.de klar: „Wir gehen notfalls durch alle Instanzen!“ Denn ein Erfolg wäre wegweisend, auch für zukünftige Informationsgesuche dieser Art. Transparenzklagen seien für abgeordnetenwatch.de das letzte Mittel. „Erst wenn Behörden das Informationsrecht systematisch verweigern, ziehen wir vor Gericht – gestützt auf Recherchen und unsere Arbeit für eine offene Politik. Wie wichtig das ist, zeigen unsere Klage zu den Porschegate-SMS und unser Erfolg bei den Lobby-Hausausweisen“. Seitdem können Lobbyist:innen nicht mehr unbemerkt im Bundestag ein- und ausgehen.
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