Interessanter Vortrag von Wolf-Ulrich Strittmatter und anschließendem Film – Ungesühnte Nazi Justiz mit Blick auf Ravensburg
Einen interessanten Vortrag hat Wolf-Ulrich Strittmatter über das Versagen der deutschen Nachkriegsjustiz bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit mit einem gesonderten Blick auf die Ravensburger Richter nach 1945 am vergangenen Donnerstag als Programmpunkt der 3. Weingartener Tage der Demokratie im Kulturzentrum gehalten, wo im Anschluss die Filmvorführung „Der Staat gegen Fritz Bauer“ stattfand. Im Mittelpunkt des weitgehend auf historischen Fakten beruhenden Politdramas aus dem Jahr 2015 steht der Kampf des Frankfurter Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, mit Adolf Eichmann einen der weltweit meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher aufzuspüren, festzunehmen und vor ein deutsches Gericht zu stellen. Der Film zeigt auch die behördlichen und gesellschaftlichen Widerstände, auf die Bauer im Deutschland der späten 1950er Jahre stößt. Thematisiert wird außerdem die seinerzeit strafbare Homosexualität, zu der Bauer sich indirekt bekennt gegenüber seinem engsten Mitstreiter, dem jungen Staatsanwalt Karl Angermann.
Wolf-Ulrich Strittmatter hatte schon einmal einen Vortrag im Juni 2015 gehalten, worüber auch die Ravensburger WARNGLOCKE informierte und auch auf die Lektüren „Täter – Helfer – Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus Oberschwaben“ verwiesen hatte. https://www.warnglocke.de/buchvorstellung-taeter-helfer-trittbrettfahrer/
Und hier gibt der Autor Wolfgang Proske einen Auszug der Geschichte seines Buches wie folgt bekannt:
„Wer über Nazis in der eigenen Region forscht und publiziert, sieht sich gelegentlich mit ungehaltenen Zeitgenossen konfrontiert, die empört ausrufen: „Schon wieder! Wann endlich ist Schluss mit solchen Debatten?“ Oder: „Ihr solltet Euch mit der Zukunft befassen, nicht immer nur mit der Vergangenheit!“ Solchen Leuten entgegnen wir mit Richard von Weizsäcker: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Zukunft!“ Nach über 70 Jahren konsequenten Totschweigens halten wir die Zeit für gekommen, über lokale Nazis zu reden. Damit das „Große Schweigen“, wie Ralph Giordano es einmal genannt hat, auch vor Ort nicht das letzte Wort sein möge! Im Gegenteil fordern wir dazu auf, sich der regionalen NS-Vergangenheit zu stellen und dabei mitzuwirken, dass die NS-Zeit im Oberland nicht länger totgeschwiegen wird. Bitte helfen Sie mit, dass Texte wie diese die ihnen gebührende Aufmerksamkeit finden! Denn sonst besteht die Gefahr, dass unsere Initiative schnell wieder in der Versenkung verschwindet und es bei der bisher praktizierten „Omertà“1 bleibt. Das „Große Schweigen“ wird durchlöchert, wenn wohlmeinende Multiplikatoren dabei helfen, unsere Ergebnisse weiter zu verbreiten. Dieser Super-GAU der deutschen Geschichte könnte dann seinen angemessenen Platz auch in der regionalen Erinnerung finden. Wir können, was in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, Europa und Nordafrika geschehen ist, nicht mehr ändern. Aber wir alle können dieses Geschehen sorgfältig studieren und durch konsequente Erweiterung unserer historischen Kenntnisse eine ethisch angemessene Haltung gegenüber dem NS-System und seinen Trägern aufbauen. Nicht nur ganz allgemein und im räumlich eher Fernen, sondern eben auch im Nahbereich, vor unserer eigenen Haustür. Das Buch ist (in Deutschland portofrei) erhältlich unter info@ns-belastete.de oder in jeder guten Buchhandlung 1 „Omertà“ bezeichnet ursprünglich die Schweigepflicht für Mitglieder der Mafia gegenüber Außenstehenden. Das „Gesetz des Schweigens“ wird auch von Nichtmitgliedern, betroffenen Opfern und potenziellen Zeugen erwartet. Dieses Verhalten weist strukturelle Ähnlichkeit mit dem Schweigen einer großen Mehrheit der Deutschen nach 1945 auf. ISBN 978-3-945893-00-5 Verlag für historische Sozialforschung www.ns-belastete.de“.