Gesetzgebende Gewalt geht an Adolf Hitler – Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden Otto Wels stimmen gegen Ermächtigungsgesetz
Das Ermächtigungsgesetz, offiziell das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, war ein am 23. März 1933 vom Deutschen Reichstag beschlossenes Gesetz, mit dem die gesetzgebende Gewalt de facto vollständig an Adolf Hitler überging. Es wurde tags darauf verkündet und war die Grundlage zur Aufhebung der Gewaltenteilung und ermöglichte alle darauf folgenden Maßnahmen zur Festigung der nationalsozialistischen Diktatur.
Und hier die Vorgeschichte, entnommen von WIKIPEDIA:
„Hitler war bei der Machtergreifung am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Kanzler einer Koalitionsregierung ernannt worden, in der die Nationalsozialisten deutlich in der Minderheit waren: Außer Hitler gehörten nur Innenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich der NSDAP an. Zahlenmäßig dominierten die konservativen, meist adligen Fachminister, die bereits die Regierungen Papen und Schleicher gebildet hatten, sowie Alfred Hugenberg, der Vorsitzende der DNVP und Franz Seldte von der Veteranenorganisation Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten. Sie sollten Hitler „einrahmen“ und dadurch ungefährlich machen. Vizekanzler Fran von Papen freute sich „Wir haben ihn uns engagiert“. Um sich aus der konservativen Umklammerung zu befreien, ließ er am 5. März 1933 den Reichstag neu wählen, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Somit blieb er weiter auf seinen konservativen Koalitionspartner angewiesen. Die Bindung an die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung hatten die Nationalsozialisten mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat am 28. Februar 1933 beseitigt.
Nun kam es darauf an, auch, was die Gesetzgebung betraf, die ganze Macht in die Hand zu bekommen. Sie planten ein Ermächtigungsgesetz, das aber der Zustimmung von zwei Dritteln des Reichstags bedurfte. Bereits am 15. März hatte Innenminister Frick im Kabinett angekündigt, das Gesetz werde „so weit gefaßt sein, daß von jeder Bestimmung der Reichsverfassung abgewichen werden könne“. Von Hitlers konservativen Ministern äußerte einzig Hugenberg Bedenken und schlug vor, die so beschlossenen Gesetze erst nach Zustimmung des Reichspräsidenten in Kraft treten zu lassen. Dies wurde jedoch von Hindenburgs Staatssekretär Otto Meissner als „nicht erforderlich“ zurückgewiesen. Zur Verabschiedung des Gesetzesentwurfes bedürfte es einer doppelten Zweidrittelmehrheit: Zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten mussten zustimmen, und zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Reichstages bei der Abstimmung mussten anwesend sein.
Sozialdemokraten weisen ausdrücklich auf die Gefahr von Missbrauch bei falscher Abstimmung hin
Von den 647 Abgeordneten mussten also 432 anwesend sein. SPD und KPD verfügten über 201 Abgeordnete. Um die Gültigkeit der Abstimmung zu verhindern, hätten also neben diesen 201 Abgeordneten lediglich 15 weitere Abgeordnete der Abstimmung fernbleiben müssen (647−216 = 431). Um das zu verhindern, beantragte die Reichsregierung eine Änderung der Geschäftsordnung. Danach sollten auch diejenigen Abgeordneten, die ohne Entschuldigung einer Reichstagssitzung fernblieben, als anwesend gelten. Zu diesen „unentschuldigt“ Fehlenden zählten auch die vorher in „Schutzhaft“ genommenen oder vertriebenen Abgeordneten. Obwohl die SPD ausdrücklich auf die Gefahr des Missbrauchs hinwies, stimmten außer ihr alle Parteien dieser Änderung der Geschäftsordnung zu. Göring und Hitler schafften es, die bürgerlichen Parteien auf ihre Seite zu ziehen – zum einen durch vorangegangene Verhandlungen am 20. März, zum anderen durch eine wirksame Drohkulisse, die die SA durch ihre Präsenz im Saal aufbaute. Die durch Verhaftung, Untertauchen und Flucht bedingte Abwesenheit der KPD-Abgeordneten erhöhte den Druck auf die bürgerlichen Parlamentarier.
Um die bürgerlichen Abgeordneten zu überzeugen, inszenierten die Nationalsozialisten zur Eröffnung des neugewählten Parlaments am 21. März 1933 den Tag von Potsdam: Der Reichstag trat in der Potsdamer Garnisonskirche zusammen, schwarz-weiß-rote Fahnen wehten, Hitler, ganz bürgerlich im Frack, verbeugte sich vor Hindenburg, der seine Uniform trug: Damit sollte der Eindruck erweckt werden, dass die neue Regierung nicht etwas revolutionär Neues darstellte, sondern an die Tradition des Kaiserreichs anknüpfte.
Das bedeutete, dass neue Gesetze nicht mehr verfassungskonform sein mussten, insbesondere die Wahrung der Grundrechte nicht mehr sicherzustellen waren, und dass Gesetze neben dem verfassungsmäßigen Verfahren auch allein von der Reichsregierung erlassen werden konnten. Somit erhielt die Exekutive auch legislative Gewalt. Die im ersten Artikel erwähnten Verfassungsartikel 85 Abs. 2 und 87 banden Haushalt und Kreditaufnahme an die Gesetzesform. Durch das Ermächtigungsgesetz konnten also nunmehr der Haushaltsplan und Kreditaufnahmen ohne den Reichstag beschlossen werden.
Die Gültigkeit des Ermächtigungsgesetzes betrug vier Jahre – damit wurde Hitlers Forderung „Gebt mir vier Jahre Zeit und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen“ verwirklicht.
SPD-Vorsitzender Otto Weis: Strikte Ablehnung der Gesetzesvorlage
Für die sozialdemokratische Fraktion begründete der SPD-Vorsitzende Otto Wels die strikte Ablehnung der Gesetzesvorlage; er sprach die letzten freien Worte im Deutschen Reichstag, und hier ein Auszug davon:

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird niemand von ihr billigerweise verlangen und erwarten können, daß sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren. Wo diese Möglichkeit besteht, besteht auch die Pflicht. Kritik ist heilsam und notwendig. Niemals noch, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muß sich um so schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft“, und hier die Rede des SPD-Vorsitzenden Otto Wels“,
Nach diesen Worten begannen die nationalsozialistischen Abgeordneten zu randalieren. In ihrem Geschrei und höhnischen Gelächter ging der Applaus der Sozialdemokraten unter. Hitler betrat erneut das Rednerpult. Hasserfüllt und immer wieder von stürmischem Beifall seiner Anhänger unterbrochen sprach er der Sozialdemokratie den Anspruch auf nationale Ehre und Recht ab und hielt Wels unter Anspielung auf dessen Worte die Verfolgungen vor, die die Nationalsozialisten in den 14 Jahren seit 1919 erlitten hätten. Die Nationalsozialisten seien die wahren Fürsprecher der deutschen Arbeiter. Er wolle gar nicht, dass die SPD für das Gesetz stimme: „Deutschland soll frei werden, aber nicht durch Sie!
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